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Reininghaus von unten

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Handgeblasene Flaschen, Stahlhelme, Schlackenstücke: Während in Graz Reininghaus ein neuer Stadtteil in den Himmel wächst, holt ein Archäologe spannende Dinge aus der Vergangenheit ans Tageslicht. Die Annenpost hat ihn besucht.

Von: Nina Gyger, Simone Hauser, Nikolai Hartlieb

Grabungsleiter Pascale Brandstätter lehnt sich mit seinen an den Knien verstärkten Arbeitshosen an das historische Mauerwerk und beginnt, über die Funde in Reininghaus und die Geschichte des Areals zu erzählen. Der Archäologe weiß jedes Detail, seine Begeisterung wirkt ansteckend. „Unter diesen Gewölben, auf denen wir hier stehen, geht es nochmals 15 Meter in die Tiefe“, beschreibt Brandstätter die Ausgrabungen. Die Archäologie-Firma ARGIS gräbt im Auftrag der Baufirma ENW seit 2017 im Bereich Q1 von Graz-Reininghaus, gegenüber dem Stadtteilzentrum OPEN.LAB.

Pascale Brandstätter gibt Einblicke in die Ausgrabungen. – Foto: Nina Gyger

Veränderung statt Verfall

Früher wie heute spielte Nachhaltigkeit auf den Reininghaus-Gründen eine große Rolle. Alte Gebäude wurden umfunktioniert. Die Gewölbe waren anfangs Teil des Sudhauses, das Ende des 19. Jahrhunderts auf den ehemaligen Gründen der Brauerei Königshofer gebaut wurde. Während des Dritten Reichs wurden die Räumlichkeiten für die Rüstungsindustrie verwendet. 

Mehr als nur Flaschen

Dieser geschichtliche Zusammenhang spiegelt sich auch in den Ausgrabungen der ArchäologInnen wieder. Gösser-Reklamen und Tanzcafé-Schilder bilden einen Kontrast zu älteren Funden aus der NS-Zeit. Obwohl die Flaschenabfüllanlage am 31.01.1945 durch einen Bombenangriff zerstört wurde, blieb der Holzboden im Erdgeschoss des Gebäudes bis heute erhalten. Neben Flaschen aus unterschiedlichsten Jahrzehnten, wasserdichten Lampen und Kleinteilen der Rüstungsindustrie sind vor allem Schilder aus der NS-Zeit zu erwähnen: Nach dem Krieg wurden sie in der Brauerei weiterverwendet, indem die Rückseite neu beschriftet wurde. Aus „Wehrmachtszentrale“ wurde „Flaschenabfüllanlage“.

Schlackenstück eines Bombenangriffs im 2. Weltkrieg. – Foto: Nina Gyger

Altes und Neues verknüpfen

Ob und wo künftig auch die Bevölkerung die Fundstücke bestaunen kann, ist derzeit noch unklar. Der Wunsch nach einer Ausstellung wird jedoch lauter, damit „im neuen Stadtteil auch der alte präsent ist“, so Brandstätter. Ein möglicher Ort dafür wäre die denkmalgeschützte Tennenmälzerei.

ENW hat bereits im Juli im Zuge des Sommerfests des OPEN.LAB Reininghaus einen Schritt in Richtung Transparenz gesetzt. Die ArchäologInnen stellten ihre Funde aus und BesucherInnen besichtigten die Grabungsstätte. Doch auch außerhalb dieser Veranstaltungen zieht das Gelände die Blicke von PassantInnen an. Das große Interesse vor allem in der jungen Bevölkerung überrascht Pascale Brandstätter: „Vielleicht gibt es außer dem Umweltbewusstsein auch ein höheres Kulturbewusstsein. Wenn wir auf die alten Bäume schauen, schauen wir eben auch gleich, was darunter ist.“

Die nächste Chance, sich persönlich von den Fundstücken begeistern zu lassen, gibt es bereits am 09.10.2019 im OPEN.LAB Reininghaus. Dort öffnet Pascale Brandstätter ausnahmsweise die Bauzäune, um das interessierte Graz willkommen zu heißen.

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