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Hauptbahnhof: Ein Pop-Up mit Mission

in Allgemein/SOZIALES von

Obdachlosigkeit und Leerstände sind zwei viel diskutierte Probleme des Grazer Bahnhofs. Zu ihrem 100-jährigen Jubiläum präsentiert die Caritas Steiermark ihre Antwort: einen Pop-Up-Store mit Bahnhofsmission.

Auf Bahnsteig 1 fährt gerade der Railjet aus Prag ein. In Massen strömen die Fahrgäste aus dem Grazer Hauptbahnhof. Alle, die sich stadteinwärts bewegen, überqueren den Europaplatz. Es ist kein Ort, an dem man sich gerne länger aufhalten möchte: links der Busbahnhof, geradeaus tobt der Vormittagsverkehr über den Gürtel. Hinter der Wendeschleife für die Busse ist die Post zu erkennen, daneben ein kleines Geschäftslokal, das bis vor wenigen Monaten noch leer stand. Jetzt kleben an den Türen zwei große Plakate der Caritas. Die Inneneinrichtung ist einfach aber dennoch bequem.

Willkommen sind hier alle Menschen, die sich wohlfühlen. Der Standort zielt insbesondere auf Leute ab, die ihren Tag bisher im Wartebereich das Hauptbahnhofs, vor dem Spar oder im Eingangsbereich des Hofers nebenan aufgehalten haben. Mitarbeiter:innnen der Caritas, aber auch die Polizei und Bahnhof-Security sind in das Projekt integriert, um diesen Menschen eine Alternative zum Bahnhofsleben zu geben.

Gestern, Montag, dem 15. Jänner, öffnete das Pop-Up-Tageszentrum der Caritas für alle Bedürftigen erstmals seine Tore. Zunächst ist das Angebot auf 100 Tage beschränkt. „Das Angebot soll sehr niederschwellig stattfinden, jeder kann herkommen, ohne namentliche Erfassung oder sonst etwas”, erklärt Jakob Url, Leiter des Testprojekts, anlässlich der Eröffnung. Und die erste Frage an Besucher:innen solle immer die nach Kaffee oder Tee sein. Vorerst wird es Platz für 40 bis 50 Menschen geben. Bei steigender Nachfrage könne aber noch aufgestockt werden. „In den nächsten 100 Tagen ist es unser Ziel, dass wir Montag bis Sonntag erreichbar sind und den Menschen einen Aufenthaltsort anbieten.” Geöffnet ist täglich von 9 bis 17 Uhr.

Gespräche, Suppe und Beratung

Das Angebot ist vielfältig. „Der Ort soll Platz bieten, dass die Leute ankommen können, dass sie sich ausruhen können, dass sie es warm und ein Dach über dem Kopf haben”, beschreibt Url das Projekt. Für warme Getränke und grundlegende kulinarische Versorgung sei ebenfalls gesorgt. „Mittags wird es eine warme Suppe geben.” Die Caritas bietet auch umfassende Beratung an, falls Bedarf nach sozialen Kontakten, Ängsten, Sorgen oder Nöten besteht. Bei medizinischen Fällen werden Besuchende an entsprechende Stellen weitergeleitet.  

Die vergangenen Tage wurden intensiv zur Vorbereitung genutzt. „Wir haben im Vorfeld mit vielen gesprochen, speziell mit den Streetworkteams”, sagt Url. Die Polizei und Bahnhofs-Securitys wurden mit eingebunden. Auch den Raum hat das Team hergerichtet und dekoriert. Vorerst bleibt aber alles schlicht. Das könne auch anregen, die Besuchenden in den weiteren Gestaltungsprozess miteinzubeziehen. Bei Erfolg könne das Projekt auch nach Ablauf der 100 Tage in Kooperation mit der Stadt Graz weitergeführt werden.

Das fertig eingerichtet Pop-Up-Tageszentrum – Foto: Caritas Steiermark/ Neuhold

Die Mission ist nicht die Mission

Ungewöhnlich klingt hingegen der Name der Einrichtung. Während in anderen österreichischen Städten von Bahnhofsozialdienst die Rede ist, hat man sich in Graz bewusst für die historisch geprägte Mission” entschieden. „Mission bedeutet Sendung. Für die Caritas ist es wichtig, dass wir dort hingehen, wo Not ist, wo Menschen Hilfe brauchen”, erklärt Erich Hohl, Vizedirektor der Caritas Steiermark. Auch orientiere man sich an der historischen Bahnhofsmission, die sich nach dem Ersten Weltkrieg zu einem wichtigen Hilfsprojekt entwickelt hat, in den letzten Jahrzehnten aber aus dem Trend gekommen ist. Auch am Grazer Hauptbahnhof gab es einst eine solche Einrichtung. „Wenn man Mission mit Indoktrinierung gleichsetzen würde, wäre man bei uns nicht richtig am Platz”, sagt Hohl. Auch Heilige Messen werde es nicht geben. Die könne man in Graz an genügend anderen Orten finden.

Bahnhofsmission Weihnachten 1954 – Foto: Caritas Steiermark/ Archiv

 

100 Jahre Caritas Steiermark

Die Caritas Steiermark gibt es bereits seit 100 Jahren. Damals wurde eine Organisation gegründet, um unterschiedliche karitative Projekte und Initiativen der katholischen Kirche zu bündeln und einfacher zu organisieren. Daraus sind einige Hilfsleistungen hervorgegangen, die bis heute dem Miteinander dienen. Dazu zählen Gebrauchtkleiderläden, das Straßenmagazin „Megaphon” oder auch das Caritaslager (kurz Carla). Heute sind in der Steiermark über 2.200 Mitarbeitende und über 2.400 Ehrenamtliche am Wirken beteiligt. Über 38.000 Spender:innen helfen durch ihre finanzielle Unterstützung.

Titelbild: Die Bahnhofsmission als Pop-Up-Store – Foto: Caritas Steiermark/ Neuhold

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