Das Team des Stadtteilzentrums Lend vor dem Lastenrad
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Neues Zentrum Lend: Rathaus stärkt Stadtteilarbeit

in POLITIK & WIRTSCHAFT/SOZIALES von

Im Frühjahr 2023 soll das geplante Stadtteilzentrum Lend in der Mariengasse seine Türen öffnen. Damit will KPÖ-Bürgermeisterin Kahr nach Jahren der Sparpolitik durch die FPÖ die Stadtteilarbeit in Graz wieder ausbauen. 

Von Jan Sacher und Moritz Strobl

Auf dem Spielplatz Marienwiese ist es am frühen Nachmittag sehr ruhig, Kinder sind noch keine zu sehen. Nur vier Erwachsene sitzen auf Gartenstühlen um einen kleinen Tisch herum. Eine von ihnen, Alena Strauss, ist tief im Gespräch mit einer Bewohnerin der Marienstraße versunken. Hinter ihnen ist ein großes Lastenrad abgestellt. Es ist schwer beladen mit Kaffee und süßem Gebäck und lädt die Bewohner:innen Lend zum Verweilen ein.

Die Menschen eines ganzen Stadtteils zu betreuen, erfordert Zeit, Engagement, Ressourcen und einen Raum, in dem die Bewohner:innen zusammenkommen können. Ein solcher Raum soll für die Menschen, die im Lend leben, ab Dezember in der Mariengasse entstehen. Öffnen wird er aber erst im nächsten Jahr. Bis dahin muss das Lastenrad als mobiles Zentrum herhalten. „Grundsätzlich geht es darum, den Menschen zu signalisieren, dass hier ein neues Angebot entsteht. Wir wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen und erste Berührungspunkte schaffen“, sagt Alena Strauss, die das neue Zentrum leiten wird. Das Konzept für das Stadtteilzentrum Lend ist noch weitgehend offen – neben der üblichen Funktion als Beratungsstelle soll das Programm für 2023 von den Stadtteilbewohnern aktiv mitgestaltet werden.

Alena Strauss berät vor dem Lastenrad eine Bewohnerin Lends
Beratungsgespräch vor dem Lastenrad. – Foto: Martina Reithofer

Der Sozialverein JUKUS und Alena, die hinter dem neuen Zentrum stehen, betreiben auch das Nachbarschaftszentrum NaNet. Neben der vielbefahrenen Straße des Kalvariengürtels gelegen, wirkt es genauso bunt wie die sozialen Initiativen, die dort angeboten werden. Die Wände zieren  Plakate vergangener Projekte, eine Kaffeeküche und ein großer Holztisch dominieren den kleinen Raum. Von Beratung bei alltäglichen Problemen über Radfahrkurse für Erwachsene bis hin zu Straßenfesten und Workshops bieten Nachbarschaftszentren alles Erdenkliche an sozialer Infrastruktur, die Bewohner:innen brauchen können.

Grundsätzlich gilt ein Nachbarschaftszentrum als Raum zur Kommunikation und Vernetzung für Bürger:innen aus der Umgebung, der großteils ehrenamtlich betreut wird. Sie bieten Menschen die Möglichkeit, sich bei der Gestaltung des sozialen Lebens in ihrer Nähe einzubringen. Bei Stadtteilzentren hingegen kümmern sich zumindest zwei feste 30-Stunden-Stellen um die Projekte und das Viertel, das mehrere Nachbarschaften umfasst. Solche Einrichtungen sind auch mit weit höheren Fördermitteln dotiert, die sich auf bis zu 150.000 Euro belaufen. “Sie befinden sich in Gebieten, in denen die sozioökonomischen Ressourcen geringer sind und es professionelle Begleitung braucht, um Netzwerke gut aufzubauen”, so Alena Strauss.

Diese Art von sozialer Arbeit gibt es in Graz seit Jahrzehnten, in Gestalt der aktuell drei Stadtteilzentren Triesterstraße, Eggenlend und Jakomini sowie der sieben Nachbarschaftszentren. Seit den späten 1990er Jahren wurde sie hauptsächlich von der KPÖ vorangetrieben. Von 2005 bis 2017 war das Wohnungsressort, dem die Stadtteilarbeit unterstellt ist, in den Händen von Elke Kahr (KPÖ). Danach kürzte der ehemalige Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ)  den Einrichtungen mehrmals die Mittel, die damals sechs Stadtteilzentren wurden abgeschafft und zu Nachbarschaftszentren umfunktioniert. Alena Strauss dazu: „Die Idee (Eustacchios, Anm.) war ein Raum, der sich von selbst mit buntem Leben füllt.“ Das würde in gewissen Teilen von Graz auch halbwegs funktionieren, in jenen mit schwächeren sozialen Gefügen allerdings nicht. „Wir haben großteils Ehrenamtliche, die wirklich anstrengende Jobs haben – wenn ich 40 Stunden pro Woche in einer Großküche stehe, habe ich danach nicht den Nerv, Yogaunterricht zu geben“, so die Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin.

Redakteur:innen der Annenpost interviewen Alena Strauss
Die Annenpost im Gespräch mit Alena Strauss. – Foto: Jan Sacher

Unter der neuen Stadtregierung soll Stadtteilarbeit aber eine Art Renaissance erleben. Als eines der Steckenpferde von Bürgermeisterin Elke Kahr sollen die Ausgaben für Stadtteil- und Nachbarschaftszentren 2023 von rund 545.000 auf 731.000 Euro erhöht werden. Das Gesamtbudget, das auch noch andere soziale Initiativen beinhaltet, soll 900.000 Euro betragen. Wo und ob die Zentren entstehen sollen, liegt auch nicht mehr im Ermessen des jeweiligen Bezirksrats, sondern wird vom Friedensbüro Graz entschieden. “In dieser Amtsperiode können wir viele Entwicklungen der letzten Jahre wieder rückführen und Einrichtungen besser aufstellen. Denn letztendlich geht es um eine dienende Funktion, wo wir Arbeit für die Leute machen, und ihnen einen Rahmen bieten, wo Vernetzungen stattfinden, Menschen zur Seite gestanden wird, und wo sie auch selbst Initiativen setzen können”, so Bürgermeisterin Kahr.

 

Titelbild: Team des NaNet/Stadtteilzentrums Lend (v.l.n.r.: Julia Holler, Rainer Pichler, Alena Strauss, Günter Bruchmann). – Foto: Martina Reithofer

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