WIKI Kindergarten
Franziska Leithmeier im Interview, Bild: Julian Deutsch

Personalmangel ist kein Kinderkram

Lesezeit: 2 Minuten

Der größte Kindergartenträger WIKI musste zum Herbststart sein Kinderbetreuungsangebot reduzieren, Eltern gingen aus Protest auf die Straße. Eine Elementarpädagogin und eine Expertin erklären, was sich ändern muss.  

Von: Celina Erjautz, Julian Deutsch, Maximilian Dymel

Im Kindergarten in der Babenbergerstraße gibt es gerade Mittagessen. Zwei Betreuerinnen wuseln mit Wasserkrügen und Servierwagen durch den Raum. Die Gespräche der Kinder verschwimmen zu einem Stimmenwirrwarr. Die Babenbergerstraße blieb zwar von den Maßnahmen verschont, mit denen der größte Kindergartenträger des Landes, WIKI, auf den akuten Personalmangel reagierte. Zur Erinnerung:  Zum Herbststart musste WIKI fünf Gruppen in Graz schließen, acht wurden auf Halbtagsbetreuung umgestellt, Mitte September demonstrierten verzweifelte Eltern in der Innenstadt gegen die Misere. 

Aber auch in der Babenbergerstraße sind die Ressourcen begrenzt. „Abgesehen vom letzten verpflichtenden Kindergartenjahr kann ein Betreuungsplatz bei uns nur gewährleistet werden, wenn beide Elternteile mindestens 20 Stunden die Woche arbeiten”, sagt Franziska Lethmaier. Sie arbeitet nicht nur in der Gruppe, sondern leitet den WIKI-Kindergarten in der Babenbergerstraße auch, ebenso die dazugehörige Kinderkrippe. 

Ungleiche Bildungschancen

„Mittlerweile betrifft der Personalmangel steiermarkweit rund 300 Familien”, meint Alexandra Obendrauf. Sie ist die Obfrau des steirischen Berufsverbandes für Elementarpädagogik. 

Dabei bilden Kindergärten und -krippen das Fundament für den späteren Bildungsweg, betont sie. „Es werden den Kindern die Bildungschancen genommen!“ Was können Eltern tun, wenn sie ohne Betreuung dastehen? Der erste Ansprechstelle ist oft die Stadt Graz. Effektiver seien jedoch Organisationen wie die Kinderdrehscheibe am Karmeliterplatz, meint Obendrauf. Diese halten Kontakt mit verschiedenen Einrichtungen und können freie Plätze vermitteln. 

Laut Obendrauf tritt die Politik seit Jahrzehnten auf der Stelle, um dem Mangel grundsätzlich gegenzusteuern. Einerseits fehle es an finanzieller Unterstützung durch das Land, andererseits sei der Personalschlüssel nicht angemessen. Eine Statistik des Landes Steiermark zeigt, dass die Anzahl der Kinder in den Kindergärten steigt, während der Personalstand über die Jahre weitgehend gleich bleibt. Aktuell sind 1316 Pädagog:innen für 7465 Kinder in Graz zuständig. Die Pädaog:innen könnten auf die Bedürfnisse der Kinder nicht mehr ausreichend eingehen. Einige Pädagog:innen würden die Reißleine ziehen und einen anderen Arbeitsweg einschlagen.  

Neben dem bescheidenen Gehalt der Elementarpädagog:innen, spielt auch die geringe Wertschätzung vieler Eltern und der Politik eine große Rolle, sagt Franziska Lethmaier beim Interview in der Babenbergerstraße. „Ihr spielt ja nur“, heiße es oft. Der Kindergarten als Bildungseinrichtung werde nicht ernst genommen, sondern als „Spielgruppe” abgestempelt. „Das wird unserem Berufsbild nicht gerecht“, sagt Lethmaier.

Blick in die Zukunft

Obwohl steiermarkweit eine einmalige Prämie von 15.000 € für wiedereinsteigende Pädagog:innen eingeführt wurde, wird es noch einige Zeit dauern, bis diese Maßnahme wirkt, betonen beide Pädagoginnen. Mit dieser Förderung verpflichten sich die Anwärter:innen, mindestens drei Jahre in einer elementaren Einrichtung zu arbeiten. Bis 2028 soll die Gruppengröße schrittweise auf 20 Kinder pro Pädagog:in und Betreuer:in reduziert werden. 

Gleichzeitig brauche es einen Imagewandel und mehr Bewusstsein für die Bedeutung der Elementarpädagogik in der Bevölkerung, sagt Lethmaier. Ein wichtiges Zeichen nach außen seien zum Beispiel gemeinsame Demonstrationen mit Eltern. Außerdem wäre eine gesetzlich gewählte Vertretung der Elementarpädagog:innen nötig. Diese Workforce stünde mit der Politik und den Bildungseinrichtungen im stetigen und engen Kontakt. Es ist noch ein langer Weg zur nachhaltigen Verbesserung der Situation. Auf die Frage, ob sie positiv in die Zukunft blicken kann, antwortet Lethmaier: „Ja, definitiv. Was bleibt uns anderes übrig?“

Beitragsbild: Franziska Lethmaier im Interview, Foto: Julian Deutsch

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