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Foodporn in der Andräkirche

in KULTUR von

Alois Kölbl übernahm 2017 die Pfarre St. Andrä von Kunstpfarrer Hermann Glettler. Zunächst schien unklar, wie es mit der Kunst in der Kirche weitergeht. Doch die Zukunft scheint gesichert.

Betritt man die Andräkirche, fällt einem das Wandbild zwischen den bekannten Bildern ins Auge. Die Installation mit dem Namen „Geschichtswäsche“ stammt von dem Künstler Franz Konrad und entstand vor drei Jahren, noch unter dem damaligen Pfarrer Hermann Glettler. Damals wurde die Arbeit nicht vollendet. Jetzt ist Konrad dabei, das Wandbild mit weiteren Motiven zu aktuellen Themen zu erweitern. Unter anderem will der Künstler den Brand von Notre Dame vom letzten Jahr in seine Bildwelt übersetzen. „Das Bild einer Katastrophe, das eine ganz eigenartige Schönheit hatte und zugleich ein Katastrophenbild war, das einen Nachdenkprozess in Gang gesetzt hat“, erklärt der Künstler. Er stellt sich die Frage, wie sehr man eine Katastrophe nutzen darf, um sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Konrad bezieht sich dabei auf die Spendenaktionen, die Augenblicke nach dem Brand gestartet wurden und einigen Menschen und Organisationen eine gewisse Medienpräsenz geliefert haben. 

Geschichtswäsche
Der Künstler Franz Konrad arbeitet an seinem Werk “Geschichtswäsche” – Foto: Andräkirche.

Auch nachdem Hermann Glettler, der Begründer der „Andrä Kunst„, im Herbst 2017 als Bischof nach Innsbruck wechselte und Kölbl die Pfarre übernahm, hat die zeitgenössische Kunst in der Kirche ihren Fixplatz. Auch für Kölbl gehören Kirche und Kunst seit Beginn zusammen. “Für mich persönlich ist Kunst ein kreatives Lebensmittel”, so der Pfarrer. Die Wege haben sich in den letzten Jahren aber getrennt und die kirchliche Kunst ist meist nicht mehr auf Augenhöhe mit der zeitgenössischen Kunst. Die AndräKunst soll nun einen Dialog zwischen den verschiedenen Kunstarten erstellen. “Kunst darf aber natürlich in einem Kirchenraum nicht alles”, erklärt Kölbl. Der Respekt vor dem Heiligen und die Funktion der einzelnen Objekte, wie dem Altar, dürfen nicht verloren gehen.  

„MariaMachina“ – Die experimentelle Kunst-Maiandacht

Nicht nur die Kirche selber dient als Leinwand, sondern auch die Ereignisse innerhalb des Gebäudes bekommen manchmal einen künstlerischen Touch. 2019 gestaltete die Künstlerin Kinga Tóth, gemeinsam mit dem Musiker Michael Eisl, eine künstlerische  Maiandacht mit dem Titel „MariaMachina“. Dabei kombinierten die beiden alte Marienlieder und deren Melodie mit von Tóth neu geschriebenen Gedichten. „Darin lasse ich moderne Frauen unserer Welt mit all ihrer neuen Technologie sprechen; sie sehen die Welt anders als früher“, sagt die Künstlerin. „Aber trotzdem wenden sie sich an diese alten heiligen Frauen und versuchen, etwas von ihnen zu lernen.“ Unter anderem beschäftigt sich Tóth mit der Bewegung, den Eigenschaften und der Charakteristik von Maria, wodurch der Begriff „Machina“ entstand.

„Foodporn“ am Aschermittwoch

2018 gestaltete der Künstler Igor Friedrich Petković den Gottesdienst am Aschermittwoch mit seinem Werkzyklus „Tot’n’Tanz“. 2019 verbrannte die Künstlerin Ivana Radovanovic mit Stroh gefüllte Skulpturen und wies mit Versen von T.S. Eliot auf die „Blasen menschlicher Existenz und Verfasstheit“, die auf die Kirchenwand von Graz-St. Andrä geschrieben wurden. 2020 dreht sich am Aschermittwoch alles ums Essen. 40 Ölgemälde mit dem Thema „Foodporn“ wurden in den Bankreihen aufgestellt, um die Besucher des Gottesdienstes direkt zu konfrontieren. Der Maler Erwin Lackner bezieht sich dabei auf das Phänomen der „Foodporn“-Bilder, bei dem Menschen Fotos von ihrem Essen im Internet hochladen. Lackner hat sich 40 zufällige Bilder ausgesucht und diese auf der Leinwand nachgemalt. Er übt damit Kritik an der Überschuss-Gesellschaft und dem Mitteilungswahn, der sich durch die Digitalisierung entwickelt hat. Ein weiteres Werk von Lackner wird die Fastenzeit über in der Andräkirche stehen: zwei Boote, die sich zu einem Kreuz verbinden. “Hier gibt es ebenfalls einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Mich haben die Bilder der Menschen auf den Flüchtlingsbooten im Mittelmeer zutiefst erschüttert”, erklärt Lackner seine Motivation zu dem Kunstwerk. Die Kanus sollen darstellen, dass es unmöglich ist anzukommen und man sich nur in Kreisen bewegt.

Foodporn
“Foodporn” und die gekreuzten Boote von Erwin Lackner – Foto: Johannes Rauchenberger.

Kunst und Kirche funktionieren nach wie vor

Kirche und Kunst sind von Anfang eng miteinander verbunden. Dass auch zeitgenössische Werke mit aktuellen Themen ihren Platz in der Kirche finden, zeigt St. Andrä jedes Jahr aufs Neue. Mehr zu den einzelnen Werken gibt es auf www.andrae-kunst.org und sind durch einen QR Code auch vor Ort abrufbar.

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