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Diagonale’24: Rückblick auf das Festival des österreichischen Films

in KULTUR von

Von 4. bis 9. April war es wieder so weit. Das Festival des österreichischen Films ging in der steirischen Landeshauptstadt über die Bühne. Eine neue Intendanz sorgte für frischen Wind.

von Tobias Jaritz und Lena Matuschik

Unzählige Filmschaffende strömten in den großen Saal des Orpheums. Pressevertreter:innen und politische Würdenträger:innen ergänzten das Bild. Das Licht wurde gedimmt. Das Wiener Rap-Duo EsRap betrat die Bühne. Die Geschwister lockerten die Atmosphäre mit einer Mischung aus orientalischen Klängen und Deutschrap merkbar auf. Nicht wenige überraschte Gesichter waren zu erkennen.

Preisverleihung einmal anders

Schnell wurde klar: In diesem Jahr steht keine typische Preisverleihung bei der Diagonale am Programm. Die Kabarettistin Marina Lacković (auch bekannt als Malarina) führte das Publikum mit viel Humor durch den Abend. „Ich kann froh sein, dass Ibiza passiert ist, denn sonst müsste ich jetzt vielleicht Heinz-Christian Strache anmoderieren“, sagte sie, bevor sie Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler auf die Bühne bat. Der Annenpost verriet sie, dass es ihre erste Moderation überhaupt gewesen sei. In jedem Moment dieser Veranstaltung war die Handschrift der neuen Intendanz zu erkennen.

Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh hatten bereits im Vorfeld des Festivals im Interview mit der Annenpost erzählt, welche Themen ihnen besonders am Herzen liegen. Mit dem Forum im Volkskundemuseum schufen sie einen neuen Raum für Diskussion und Debatten. „Das Forum hat bereits im ersten Jahr alle unsere Erwartungen übertroffen. Es ist ein Raum für lebhafte, zukunftsorientierte Debatten und war immer gut besucht.“

Wichtige gesellschaftliche Themen wie Diversität begleiteten die Besucher:innen durch das gesamte Festival. So auch am Freitag im Forum, wo besonders der Umgang mit Stereotypen im österreichischen Film thematisiert wurde. Der neue Gender Report des österreichischen Films zeigt: Reiche und Akademiker kommen in Spielfilmen überdurchschnittlich oft vor. Dafür sind queere Personen unterrepräsentiert.

Verleihung der Diagonale-Preise im Orpheum – Foto: Diagonale/Clara Wildberger

Goldene Nuss für Sieger:innen

Die Diagonale will diesem Phänomen entgegenwirken und für mehr Diversität im österreichischen Film sorgen. Diese Intention blieb auch Marina Lacković nicht verborgen: „Die Diagonale tut so, als bestünde die Welt zu 50 Prozent aus Frauen, zu 30 Prozent aus Migrant:innen und zu 20 Prozent aus queeren Menschen.“ Diese humorvolle Art der Moderation sorgte immer wieder für heitere Stimmung, während die 19 Preise, in Form von goldenen Muskatnüssen, an die Filmschaffenden verliehen wurden.

Die Großen Diagonale-Preise des Landes Steiermark gingen an „Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin“ von Martha Mechow als bester Spielfilm und „Anqa“ von Helin Çelik als bester Dokumentarfilm. Ausgezeichnet wurden auch Birgit Minichmayr als beste Darstellerin für ihre Verkörperung der Malerin Maria Lassnig im Film „Mit einem Tiger schlafen“, sowie Voodoo Jürgens für die Rolle des Rickerl im Spielfilm „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“.

Birgit Minichmayr und Voodoo Jürgens mit der goldenen Diagonale-Nuss – Foto: Diagonale/Harald Wawrzyniak

Österreichpremiere bei Eröffnung

Besonderen Gefallen unter den Zuseher:innen fand auch die Dokumentation „Favoriten“ von Ruth Beckermann, die bei der Eröffnung der Diagonale’24 am 4. April Österreichpremiere feierte. Die Wiener Filmemacherin begleitete drei Jahre lang 25 Schüler:innen und ihre Lehrerin Ilkay Idiskut in einer Volksschule im 10. Wiener Gemeindebezirk. In der Dokumentation zeigt Beckermann Herausforderungen und Erfolge sowie emotionale und irritierende Momente im Schulalltag von Kindern, deren Muttersprache zum Großteil nicht Deutsch ist. Beckermann schuf einen berührenden, augenöffnenden und gleichzeitig zum Nachdenken anregenden Film über das Lernen und Lehren, das Schulsystem und die Migration in Österreich.

Die Schauspielerin Hilde Dalik moderierte die Eröffnung in der bis auf den letzten Platz mit Filmbegeisterten und Filmschaffenden gefüllten Helmut-List-Halle. Dabei forderte sie zu mehr Fairness in der Film- und Theaterbranche auf: „Freundlichkeit geht leicht und Respekt kostet nichts, oder?“

Die neuen Intendant:innen Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh verliehen dem Schauspieler Lukas Miko im Rahmen der Eröffnung den Großen Diagonale Schauspielpreis 2024. Dann hieß es „Film ab!“ für „Favoriten“.

Ausschnitt aus dem Eröffnungsfilm „Favoriten” – Foto: Ruth Beckermann Filmproduktion

Die Favoriten der Annenpost

Während des diesjährigen Filmfestivals wurden 195 Filmproduktionen in vier Grazer Kinos gezeigt. Die Annenpost hat sich zehn Filme angesehen. „Bosnischer Topf” von Pavo Marinković spielt in Graz und manche Szenen wurden an der FH JOANNEUM gedreht. „Falscher Bekenner” ist einer von acht gezeigten Filmen des deutschen Regisseurs Christoph Hochhäusler, dem – ebenso wie der österreichischen Filmemacherin Lisl Ponger – bei der Diagonale’24 eine Retrospektive gewidmet wurde. Zu den Favoriten der Annenpost-Reporter:innen zählen das preisgekrönte Biopic über die österreichische Künstlerin Maria Lassnig „Mit einem Tiger schlafen” und die Gesellschaftssatire „Veni Vidi Vici” von Daniel Hoesl.

 

Alle Preisträger:innen im Überblick

Bester Spielfilm: Martha Mechow für „Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin“
Bester Dokumentarfilm: Helin Çelik für „Anqa“.
Beste Darstellerin: Birgit Minichmayr für „Mit einem Tiger schlafen“.
Bester Darsteller: Voodoo Jürgens für „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“.
Bester innovativer Film: Simona Obholzer für „DIN 18035“.
Bester Kurzspielfilm: Sallar Othman für „Yarê“.
Bester Kurzdokumentarfilm: Bernhard Hetzenauer für „Those Next to us“.
Bester Nachwuchsfilm: Bernhard Wohlfahrter für „Glückstag“.
Bestes Szenenbild: Martin Reiter für „Mit einem Tiger schlafen“.
Bestes Kostümbild: Tanja Hausner für „Club Zero“
Bestes Sounddesign/Dokumentarfilm: Julia Gutweniger und Florian Kofler für „Vista Mare“
Bestes Sounddesign/Spielfilm: Matz Müller und Tobias Feig für „Des Teufels Bad“
Beste künstlerische Montage/Spielfilm: Leandro Koch und Javier Favot für „The Klezmer Project“
Beste künstlerische Montage/Dokumentarfilm: Sarah Fattahi für „Anqa“
Beste Filmmusik/Dokumentarfilm: Anna Ljungberg für „Night of the Coyotes“
Beste Filmmusik/Spielfilm: Markus Binder für „Club Zero“
Beste Bildgestaltung/Spielfilm: Nora Einwallner für „Asche“
Beste Bildgestaltung/Dokumentarfilm: Julia Gutweniger für „Vista Mare“

 

Titelbild: Claudia Slanar, Dominik Kamalzadeh und Ruth Beckermann bei der Eröffnung – Foto: Diagonale/Miriam Raneburger

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