Lesezeit: 3 Minuten, 25 Sekunden

Gemeinsam Kochen gegen zunehmenden Antisemitismus

in POLITIK & WIRTSCHAFT von

Seit dem Anschlag der Hamas auf Israel hat sich das Leben in Graz für Jüdinnen und Juden verändert. Auch für Avi Elias. Er will den Menschen mithilfe von israelischen Kochkursen seine Kultur näherbringen.

von: Leah Hatzl und Tobias Jaritz

Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in Israel sind mittlerweile zwei Monate vergangen. Seitdem werden Jüdinnen und Juden in der Diaspora immer häufiger Opfer von antisemitischen Angriffen – auch in Österreich. Die IKG Wien verzeichnete allein in den zwei Wochen nach der Eskalation des Nahostkonflikts eine Verdreifachung der Meldungen.

 

Steigende Judenfeindlichkeit

Im Interview mit dem STANDARD schildert eine Jüdin, wie sich ihr Leben in Graz seit dem 7. Oktober verändert hat. „Es wird nun auch vermehrt und klarer davor gewarnt, einen Davidstern in der Öffentlichkeit zu tragen“, heißt es darin. Auch der gebürtige Israeli Avi Elias, der in Graz zuhause ist, erzählt im Gespräch mit der Annenpost: „Die Art und Weise, wie die Hamas dieses Massaker angerichtet hat, ist einfach nur schrecklich.” In Graz hat ihn zuletzt eine Pro-Palästina-Demo, bei der er zufällig vorbeigegangen ist, besonders betroffen gemacht: „Da herrscht schon eine sehr Israel-feindliche Stimmung auf den Demonstrationen.” Seit diesem Erlebnis ist Avi sehr vorsichtig in der Öffentlichkeit. Er will nicht, dass im Artikel sein echter Name verwendet wird oder dass sein Gesicht auf Fotos zu sehen ist. „Ich möchte nicht, dass Teilnehmer solcher Demos wissen, wer ich bin, und vielleicht herausfinden, wo ich wohne.“

Aus seinem Heimatland Israel zog es ihn Anfang der 80er-Jahre weg. „Ich war in der Zeit viel unterwegs. In Graz war es die Mentalität der Menschen, die mich angezogen hat. Besonders im Vergleich zu anderen deutschsprachigen Städten habe ich mich hier von Anfang an zuhause gefühlt.“ Über die mehr als 40 Jahre, die Avi seitdem in Graz lebt, hat er nie die Liebe zu seiner alten Heimat verloren. Diese Liebe lebt er besonders über das Kochen aus. „Die israelische Küche ist sehr vielseitig. In den letzten 150 Jahren sind immer mehr Jüdinnen und Juden aus der ganzen Welt nach Israel gekommen und alle haben ihre eigene Esskultur mitgebracht.“

 

Kochkurse als Kulturvermittlung

Seine Liebe zum Kochen möchte Avi gerne teilen – und das macht er auch. Seit zwölf Jahren veranstaltet er israelische Kochkurse. „Auch wenn ich in letzter Zeit vorsichtiger bin, will ich mir das von den Antisemiten nicht nehmen lassen.“ Unter diesem Vorzeichen fand kürzlich im Schloss Algersdorf in Eggenberg Avis erster Kochkurs seit dem Blutbad in Israel vor knapp zwei Monaten statt. „Das ist sehr wichtig für mich, weil übers Kochen kann ich den Menschen die israelische Kultur näherbringen.“ Teilnehmende aus mehreren Teilen Österreichs hatten sich an diesem Tag auf den Weg nach Eggenberg gemacht, um Avis Kochkurs beizuwohnen.

Als sie die Räumlichkeiten des tausend Jahre alten Schlosses betreten, blicken sie zuallererst erstaunt auf den Berg aus frischem Gemüse. Die Nase taucht in ein orientalisches Geruchserlebnis ein, das ganz klar von den vielen Gewürzen dominiert wird. „Gewürze, wie Kurkuma, sind ganz wichtig, denn ich bin ein großer Fan der sephardischen Küche. Damit sind die Juden aus dem orientalischen Raum gemeint.“

Sechs Stunden lang werden über zehn typisch israelische Gerichte zusammen zubereitet und gegessen. Unter den Gerichten sind neben einer Vielzahl von Salaten und Beilagen auch bekannte Speisen, wie Shakshuka und Hummus. Karin und Gitti, die für den Kochkurs extra aus Niederösterreich angereist sind, zeigen sich begeistert. „Bei Avi merkt man wirklich, dass er aus Liebe und Leidenschaft kocht.“ Während des Kochens gibt Avi den Teilnehmenden immer wieder Einblicke in die kulturellen und geschichtlichen Hintergründe der vielfältigen zubereiteten Gerichte.

Auch das vegane Gericht Chazilim wurde zusammen zubereitet – Foto: Avi Elias

 

Identitätsschutz aus Angst vor Angriffen

Bei Tisch redet man über alles, vor allem über den Krieg im Nahen Osten. Auslöser für das Gespräch ist die Nachricht von einer Pro-Palästina-Demonstration am Grazer Hauptbahnhof. Denn während Avi den Anwesenden im Schloss Algersdorf die israelische Kultur näher bringt, tauchen erste Videos auf, wie eine große Zahl an Menschen mit Palästinensischen Fahnen lautstark „Free Palestine“ skandiert.

Avi, der, wie bereits berichtet, selbst Zeuge einer solchen Demonstration wurde, zeigt sich empört über die Demonstrationen, die zurzeit fast an der Tagesordnung stehen. „Ich verstehe das einfach nicht. Wer eigentlich demonstrieren und schreien sollte wegen dem Massaker, das am 7. Oktober passiert ist, sind wir, die Israelis.“ Für ihn ist seit dem Angriff der Hamas ein deutlicher Wandel im öffentlichen Leben spürbar geworden. „Seitdem ich vor 43 Jahren nach Graz gezogen bin, habe ich nie etwas Negatives in Bezug auf Antisemitismus erleben müssen. Deshalb hätte ich mir vor kurzer Zeit nicht vorstellen können, dass es einmal so weit kommt.“

 

Zur Person

Avi Elias (Künstlername); geboren 1957 in Tel Aviv, Israel; Studium an der Universität Tel Aviv;

(ehemalige) Tätigkeiten für die Jüdische Gemeinde Graz: Chasan (Vorbeter), Religionslehrer, Hebräischlehrer, Konvertierungshelfer

 

Titelbild: Gekocht wurde mit viel Leidenschaft und mit vielen frischen Zutaten – Foto: Avi Elias

Loading Facebook Comments ...

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

*

sieben + 8 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.