Was Grünraum angeht sind die Bezirke Lend und Gries traditionell benachteiligt. Das soll sich ändern.
Von: Alexander Gaal, Erik Derk, Nadja Eder
Graz muss grüner werden
Graz muss grüner werden – darüber besteht im Rathaus im Prinzip Einigkeit. Im September forderte etwa die KPÖ in einer Aussendung das Ende des Verbauens urbaner Flächen in Graz. 27 Prozent der Flächen seien bereits “versiegelt”, das führe im Sommer dazu, dass manche Plätze sich stark erhitzen und gar nicht mehr begehbar seien, auch die Hochwassergefahr steige.
Dem schließt sich auch die grüne Gemeinderätin Tamara Ussner an, deren Kritik an den Regierungsparteien streng ausfällt: „Es fällt schwer, grüne, progressive Politik zu machen”, sagt Ussner, die unter anderem Sprecherin der Stadtgrünen für die Themen Verkehr und Grünraum ist. “Es gibt im Grunde viele gute Konzepte. Die ÖVP hat andere Interessen, der Wille fehlt.”
Dass dem nicht ganz so ist, lässt ÖVP-Gemeinderat Peter Piffl-Percevic durchblicken. Er bezeichnet den Ausbau von Grünflächen als “Kampf” und plant mit seiner Partei “mehr Begrünung von Flachdächern”, wie er auf Anfrage sagt. Zudem möchte die ÖVP Gebäude höher wachsen lassen, “also die Stadt stärker verdichten”, um keine weiteren Grundflächen zu verbauen. Auf die Bedeutung von Grünflächen weist auch Alexandra Marak-Fischer hin. „Unser Graz braucht mehr Grünflächen, mehr Bäume und mehr Wasser. Nur so können wir im fortschreitenden Klimawandel die Stadt kühl halten und Lebensqualität für die Menschen sichern”, erklärt die SPÖ-Gesundheitssprecherin.
Nachholbedarf in 8020
Statistisch gesehen steht es um den Grazer Grünraum auf den ersten Blick gar nicht so schlecht: 25% der Stadtfläche besteht aus Wald. Das Problem: Dieser befindet sich nahezu gänzlich in den Randbezirken und verbessert somit die Lebensqualität der Bevölkerung im Stadtinneren wenig bis gar nicht. Experte Conrad Amber konstatierte vor wenigen Monaten im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, dass Graz keine grüne Stadt mehr sei.
Auch wenn man einen Vergleich mit den deutschen Städten Augsburg, Mainz und Wuppertal anstellt, welche Graz bezüglich Fläche und Bevölkerungsdichte ähneln, wird diese These bestätigt. Graz belegt in diesem schnellen Ranking den letzten Platz und bietet seinen BewohnerInnen das kleinste Angebot an Naherholungsflächen. Manche Bezirke sind dabei stärker betroffen als andere. Wie eine anlässlich der Bekanntgabe der städtischen Grünraum-Offensive veröffentlichte Karte zeigt, besteht neben Jakomini insbesondere in den Bezirken Gries und Lend erhöhter Handlungsbedarf.
Quelle: Stadt Graz, Stadtplanungsamt
Dort, wo es besonders wenig Grün gibt, versuchen die ViertelbewohnerInnen in manchen Grätzeln selbst anzupacken und im Zuge verschiedener Projekte mehr Grünflächen zu schaffen. Eines dieser Projekte ist die Initiative Annengrün, die Workshops, Rundgänge, Wissensveranstaltungen und vieles mehr bietet. Bei diesen Events haben Mitwirkende die Möglichkeit, sich auszutauschen und ihr Wissen zum Thema Pflanzen und Grün zu verbreiten. Ein weiteres Beispiel dafür, dass die BürgerInnen versuchen, das Heft selbst in die Hand zu nehmen, ist das von Tatjana Petrovic gestartete Projekt “Gries grünt”, im Zuge dessen auch die Grünfläche neben der Pestsäule am Griesplatz entstanden ist. Ganz anderer Art ist die Initiative der Uniqa-Versicherung, die unlängst mit der Umsetzung der ersten großen Fassadenbegrünung der Stadt begonnen hat.
Hoffnungsträger Reininghausgründe
Um dem allgemeinen Negativtrend entgegenzuwirken, hat die Stadt Graz in den letzten dreieinhalb Jahren bereits 200.000 Quadratmeter Grünfläche angekauft. Als ein Herzstück der “Grünraum-Offensive” gelten die für die Reininghausgründe geplanten Maßnahmen. Der Startschuss für die ersten städtischen Interventionen – die Neugestaltung der Alten Poststraße – fiel Mitte September. Auch die weiteren Pläne klingen vielversprechend: Eine Grünachse soll vom 3.000 m² großen Reininghaus-Park Richtung Süden bis zur Peter Rosegger-Straße führen. Zudem sind ein Sportpark und drei weitere kleine Parkanlagen fest eingeplant. Einige Gebäude sollen begrünte Balkone, Dächer und Fassaden erhalten.
Andreas Goritschnig, dessen open lab auf eben diesem Gelände beheimatet ist und der gerade für die nächsten zwei Jahre zum Quartiersmanager des Viertels bestellt wurde, meint: “Wenn man das innerstädtische Grün belässt oder leistungsfähiger macht, kann man auch kleine Bereiche zu Oasen machen. Genauso wie man die Stadt verdichtet, muss man auch das Grün verdichten.”