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Grazer Feinstaub: Es sieht düster aus

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In wenigen Wochen werden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die prüft, ob autofreie Tage oder eine City-Maut die Grazer Feinstaub-Misere beenden könnten. Welche Umsetzungschancen haben derartige Maßnahmen? Eine Orientierung.

Keine andere Stadt in Österreich überschreitet den Feinstaub-Grenzwert so oft wie Graz. Das zeigt auch die Überschreitungsstatistik des Umweltbundesamt für das Vorjahr. So wurde bei Don Bosco, einer der am stärksten belasteten Messstationen, an 54 Tagen die Grenze von 50 µg/m³ (Mikrogramm pro Kubikmeter, Anm.) übertreten, zulässig sind auf EU-Ebene bloß 35 Tage. Österreichweit hat man sich im Immissionsschutzgesetz-Luft (kurz IG-L, Anm.) auf gar nur 25 erlaubte Überschreitungen verständigt.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, wurden über die Jahre eine ganze Reihe von Maßnahmen umgesetzt, darunter der Fernwärmeausbau, Tempo 100 auf den heimischen Autobahnen in den “Luftsanierungsgebieten”, umgangssprachlich bekannt als “Luft-Hunderter”, oder attraktivere Öffis.

In der aktuell laufenden Studie wird außerdem die Sinnhaftigkeit eines Fahrverbotes für die steirische Landeshauptstadt geprüft, wie die Kleine Zeitung zuletzt im Dezember berichtete. Ergebnisse der von Landesrat Anton Lang (SPÖ) eingesetzten Arbeitsgruppe, in der sich Experten von Stadt, Land und der TU Graz beraten, liegen derzeit noch keine vor. Sie werden frühestens im März der Öffentlichkeit präsentiert, wie der zuständige Pressesprecher René Kronsteiner auf telefonische Anfrage mitteilt.

Lang selbst kann einem möglichen Fahrverbot jedoch nur wenig abgewinnen, es sei die “allerletzte zu treffende Maßnahme”, so Kronsteiner weiter. Genauso betont er aber auch, dass ihr im Falle einer Mehrheit im Gemeinderat nichts im Wege stehe. In politischer Hinsicht ist der Landesrat die entscheidende Instanz, ohne ihn ist ein Verbot nicht möglich.

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) plädiert schon lange für ein Fahrverbot von Diesel-PKW, wie es auch in anderen Ländern diskutiert wird. Erst heute wurde beispielsweise bekannt, dass deutsche Städte künftig Diesel-Fahrverbote verhängen dürfen, sie also rechtlich zulässig sind. “In sieben Jahren wünschen wir uns solche Autos nicht mehr”, sagte Nagl vergangenes Jahr laut ORF Steiermark. Dieses dürfe aber nicht nur auf die Stadtgrenzen beschränkt sein, schließlich betreffe die Problematik auch den Großraum Graz. Schon jetzt besteht ein Fahrverbot für LKW der Abgasklasse EURO 2 und schlechter im Land.

Die FPÖ spricht sich indes, wie auch Lang, gegen mögliche PKW-Verbote aus, sie seien eine “autofahrerfeindliche Maßnahme”, wie FPÖ-Klubobmann Stefan Hermann erst kürzlich erklärte. Neben Vize Mario Eustacchio hält auch Parteikollege Mario Kunasek, nunmehriger Verteidigungsminister, nichts von einer solchen Regelung. “Mit einer starken FPÖ wird es keine derartige Umweltzone geben”, betont er in der Kleinen Zeitung.

Ginge es nach Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), könnte dieses Bild schon bald der Vergangenheit angehören – Foto: Lukas Spenger

Seitens der Opposition

Die Opposition hingegen begrüßt die Idee von Fahrverboten. Die Grüne fordern sie schon lange, genauso wie das 365-Euro-Jahresticket für die Öffis, so die Grüne-Umweltsprecherin Sandra Krautwaschl. “Wenn die Landesregierung keine besseren Maßnahmen als bisher zu bieten hat und unsere Vorschläge ablehnt beziehungsweise als zu teuer empfindet, werden halt wieder viele Menschen mit ihrer Gesundheit dafür bezahlen.” So formuliert es Krautwaschl in einer Aussendung auf der Homepage der Grünen am 21. November 2017. Landesrat Lang tue so, als ob alles in Ordnung wäre, heißt es dort weiter. Tatsächlich meint dieser auch, die Luftqualität habe sich im Großraum Graz in den letzten Jahren wesentlich verbessert, es bestehe derzeit keinerlei “Alarmsituation”.

Dabei stoßen außerdem die Pläne der schwarz-blauen Stadtregierung – etwa die Tiefgarage am Eisernen Tor oder die Josef-Huber-Gassen-Unterführung (die Annenpost hat berichtet) – bei der Opposition auf Unverständnis. Neben den Grünen kann auch Elke Kahr (KPÖ), Verkehrsstadträtin und demnächst ein Jahr als solche im Amt, den Projekten wenig abgewinnen. “Wenn man den motorisierten Individualverkehr in der Innenstadt reduzieren will, kann man nicht eine Bienengarage ins Herz der Stadt verpflanzen, vor allem im Wissen, dass etliche verfügbare Tiefgaragen nicht ausgelastet sind“, so die Stadträtin im Interview mit der Annenpost. Zwar hält sie auch von der City-Maut wenig, wie die Grazer Grünen-Chefin Tina Wirnsberger begrüßt sie aber das Modell der autofreien Tage, als kurzfristige und eine der “machbarsten Maßnahmen”, wie sie meint. Dass das aber aufgrund der vielen Pendler dennoch keine einfache Forderung sei, wüsste sie ebenfalls. Daher brauche es neben neuer Gesetze im Individualverkehr gleichzeitig eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, denn “das eine kannst du nur erreichen, wenn du das andere verbesserst”. Die Bereitschaft, auf das Auto zu verzichten, müsse gegeben sein, vorrangig aber auch die politische Willensbildung.

Im Winter wären „Gratis Bim und Bus” eine rasche Sofortmaßnahme, so die Verkehrsstadträtin – Foto: Lukas Spenger

Geschlossen hinter den Oppositionsparteien

Auch der VCÖ setzt bei seinen Forderungen auf das Zusammenspiel zwischen dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs und wirksamen Maßnahmen zur Reduktion des Kfz-Verkehrs. „Die Grazer Bevölkerung war im Vorjahr der höchsten Feinstaubbelastung Österreichs ausgesetzt“, so VCÖ-Experte Markus Gansterer gegenüber der Annenpost. Es bestehe akuter Handlungsbedarf, verstärkte Maßnahmen gegen die gesundheitsschädliche Luftverschmutzung umzusetzen. Zusätzliche Garagen beispielsweise würden nur noch mehr Autoverkehr und damit zusätzlichen Stau und schlechtere Luft bedeuten.

Wie auch Kahr bewertet der VCÖ die Idee von autofreien Tagen positiv. „Stadtweite autofreie Sonntage können dazu beitragen, dass die Menschen in der Stadt auf andere Mobilitätsformen aufmerksam werden.“ Dies könne allerdings nur ein kleiner Teil der Lösung sein. So brauche es nicht nur innerstädtisch ein dichtes öffentliches Verkehrsnetz, sondern auch gute Verbindungen ins Umland.
Zudem fordert der Verkehrsclub, die Steuerbegünstigung von Diesel abzuschaffen. „Besonders schädlich sind die Abgase von Dieselfahrzeugen”, wie Gansterer betont.

Solange Diesel günstiger ist als Benzin, werden sich die Konsumenten auch solche Autos anschaffen

Diese Forderung teilt auch Bürgermeister Nagl, denn “solange Diesel günstiger ist als Benzin, werden sich die Konsumenten auch solche Autos anschaffen”, wie er dem ORF Steiermark sagte.

Spezifikum Annenviertel

Des Weiteren sieht Stadträtin Kahr auch im Annenviertel hohes Potential. So brauche es ihrer Meinung nach im Bereich des Lendplatz eine Verkehrsberuhigung. Diese könne beispielsweise durch das Erweitern von Zonen ausschließlich für Fußgänger und Radfahrer erreicht werden. Und am Griesplatz gelte es, „nicht gut situierte Infrastruktur wie Schaltkästen und Fahrradstellplätze zu ‚entrümpeln‘, um einen besseren Platzbereich zu schaffen”. Ebenso fordert sie eine Regionalbuslösung. “Erst, wenn man am Griesplatz das geschafft hat, kann man ernsthaft an eine große Platzgestaltung denken.” Auch den Andreas-Hofer-Platz hat sie im Visier, aktuell sei der Wartebereich dort „grauslich für Kunden und Gäste”. „Ich wünsche mir tolle Busbahnhöfen in der Stadt, wo man eine gute Anbindung an die Straßenbahnen hat”, erläutert Kahr im Interview.

Jeder, der behauptet, dass wir diese Feinstaub-Problematik von heute auf morgen in den Griff bekommen, liegt falsch.

Abschließend vermerkt

Der derzeitige Winter stellt aufgrund seiner günstigen Witterungsbedingungen – bisher wurden “erst” elf Überscheitungstage bei der Station Graz-Süd gemessen – eher eine Ausnahme dar, die Grazer Feinstaubsituation wird aber weiterhin für Diskussionen sorgen. Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Aber: „Jeder, der behauptet, dass wir diese Feinstaub-Problematik von heute auf morgen in den Griff bekommen, liegt falsch“, so Kahr. Nichts zu tun sei der falsche Weg.

Feinstaub auf den Punkt gebracht.
Feinstaub ist, im Gegensatz zum Großstaub, nicht sichtbar. PM10 (PM = Particulate Matter) werden dabei Partikel genannt, die kleiner als 10 µm (Mikrometer) sind, PM2,5 sind demnach alle unter 2,5 µm. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Feinstaub-Partikel, umso gesundheitsschädlicher, sie können bis in die Lunge gelangen. Der Großraum Graz ist aufgrund seiner geographischen Lage besonders von ihnen betroffen.

Gemessen wird Feinstaub an seinem Gehalt in der Luft, konkret in µg/m³ (Mikrogramm/Kubikmeter). Dieser wird dann in eine relative Zahl, den Luftqualitätsindex (auch AQI = Air quality index) umgewandelt. Zusätzlich gibt es noch weitere Indizes, in Europa z.B. den CAQI (= Common Air Quality Index).

Die aktuellen Messwerte und weitere Informationen zum Thema Luftgüte werden über mehrere Online-Plattformen bereitgestellt, so zum Beispiel vom Umweltamt Graz, vom Land Steiermark oder österreichweit auch vom Umweltbundesamt.

Wahl-Steirer mit HQ in NÖ, konkret Wiener Neustadt. Interessiert an allem, was mit Medien (vor allem Radio) und Englisch zu tun hat. Vermutlich werdender Workaholic. Passionierter Autofahrer mit leichter Tendenz zur Beschwerde über andere KFZ-Benützer. Auch bei den "Socials" vertreten. Motto: "Nur die Harten kommen in den Garten" (frei nach Elke Rock, Ö3).

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