Handy am Lenker - Symbolbild
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„Es muss mehr Platz für Radfahrende geben“

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Elisabeth Felberbauer und ihre Bike Citizens wollen Radfahrenden auch in Graz das Leben leichter machen und Spaß am Radfahren vermitteln.

„Das Fahrrad ist ein super Verkehrsmittel, um schnell, frei und unabhängig von A nach B zu kommen. Und ganz nebenbei bewegt man sich auch noch.“ Elisabeth Felberbauer ist fasziniert vom Radfahren. In Graz ist die 37-Jährige am liebsten mit ihrem Lastenrad unterwegs: „Entweder ist das Kind oder es sind die Einkäufe vorne drinnen.“ Außerdem ist sie noch Besitzerin eines Straßenrads und eines Rads mit einem alten Rahmen, an dem noch einiges zu richten ist, bis sie wieder damit fahren kann. „Wenn man mit dem Rad fährt ist man an der frischen Luft und das Haar weht im Wind, wie beim Cabriofahren. Bei schönem Wetter ist das top und bei Regenwetter zieht man sich einfach eine Regenjacke an“, stellt die Grazerin fest. Die Wege in der Stadt und auch zum Büro des Unternehmens Bike Citizens, dessen Geschäfte sie gemeinsam mit Christian Wind führt, legt sie meist mit dem Rad zurück. Nur eines stört sie daran: „Die Wege sind mir gerade zu kurz, alles liegt im 10-Minuten-Radius.”

Mehr als eine Navigations-App

Kern des Geschäfts von Bike Citizens mit Sitz in der Kinkgasse ist die Cycling-App. Mit dieser können Radler*innen fahrradfreundliche Wege finden. Somit erleichtert es auch Einsteiger*innen, sich in der Stadt mit dem Rad zurechtzufinden. Heute steht das Unternehmen aber für viel mehr als nur die Navigations-App. Denn diese kann das Mobilitätsverhalten viel nachhaltiger beeinflussen als bloß den richtigen Weg zu weisen. „Wir erleichtern mit unseren digitalen Kampagnen den Einstieg und motivieren dabeizubleiben”, erklärt Felberbauer. Das Bike Benefit Programm zum Beispiel fand in den letzten Jahren in verschiedenen österreichischen und deutschen Städten und Regionen statt. Es belohnte Radfahrende, indem es für gefahrene Strecken Finneros, eine fiktive Währung, vergab. Die Punkte konnte die Teilnehmer*innen dann in einem der teilnehmenden Betriebe real einlösen oder für karitative Zwecke spenden.

Eine Handy ist am Fahrradlenker montiert.
Bei dem Bike Benefit Programm konnte man die verdienten Finneros bei Partnerbetrieben einlösen – Foto: Soulstyle

Auch über die App erhobene Daten sind wertvoll, denn sie geben Auskunft über das Radfahrverhalten in einer Stadt. So lässt sich erkennen und mittels Heatmap anonymisiert darstellen, wo gerade besonders viele Radfahrende unterwegs sind und welche Straßen eher gemieden werden. 

„Wir können Sachen darstellen, die man sonst nicht sieht”, sagt Felberbauer. Auf dem Online-Routenplaner zeigt das „5MinsbyBike” Feature, wie weit man mit dem Rad in einer bestimmten Zeit, etwa in „5 minutes”, von seinem Standort aus kommen würde. Voraussetzung für einige der Features ist das Herunterladen eines Stadtplanes, was einmalig Kosten von 4,99 € verursacht. 

Zusätzlich zur App und den Kampagnen bietet das Unternehmen, das vor zehn Jahren von den Fahrradkurieren Daniel Kofler und Andreas Stückl gegründet wurde, die Fahrradhalterung „Finn” als „Hardware”-Produkt an. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 20 Personen an zwei Standorten: Graz und Berlin. Die App ist aber auch in vielen anderen europäischen Städten im Einsatz. Das Ziel des Unternehmens: „Die Freude am Radfahren zu vermitteln und so Städte lebenswerter zu machen.”

Überfordert in Berlin

Nach dem Abschluss ihres Studiums war Felberbauer selbst für 5 Jahre in Berlin. Das Radfahren in einer Großstadt mit derart viel Verkehr wie in Berlin habe sie anfangs völlig überfordert. „Die Stadt war zu groß und mir hat einfach die Orientierung gefehlt.“ Die Entdeckung der Bike Citizens-App fühlte sich für die Grazerin dann „wie Weihnachten” an. 

Nach fünf Jahren Berlin kehrte sie nach Graz zurück. Die Stadt biete eine gute Kombination aus Kultur, Kulinarik und Jugendstil, wie sie meint. Auch habe Graz die richtige Größe zum Durchschlendern und man könne dabei immer neue Entdeckungen machen. „Als ich nach Graz zurückkam, habe ich mich direkt bei Bike Citizens beworben“, erzählt Felberbauer. Zunächst war sie im Marketing tätig, zuletzt auch in der Zusammenarbeit mit Städten und Kommunen. Das Unternehmen kooperiert mit zahlreichen deutschen Städten und Regionen – ebenfalls mit dem Ziel, den Radverkehr zu fördern.

Elisabeth Felberbauer im Porträt.
Elisabeth Felberbauer ist seit April des Vorjahres Geschäftsführerin von Bike Citizens – Foto: Martin Engelbogen

Größere Unabhängigkeit

Felberbauer fährt auch deswegen gerne Rad, weil sie das Gefühl von Unabhängigkeit, auch gegenüber den Öffis, schätzt. Viel bewusster sollte man auch in Graz Radfahren, meint sie. Aufgrund ihrer Größe und der nur mäßigen Steigungen sei die Stadt besonders gut geeignet. Allerdings müsse man das Radnetz schließen. „Und es muss mehr Platz für Radfahrende geben”, sagt die passionierte Radlerin. Viele Menschen fahren mit Lastenrädern, die ohnehin mehr Platz brauchen. Zusätzlich müsse man immer mit Gegenverkehr, Fußgängern und Rollerfahrern rechnen. Eine Verbreiterung der Radwege könnte diese Problematik lösen.

Der Weg zur Fahrradhauptstadt

Wenn sich Graz bis 2030 wirklich zur „Fahrradhauptstadt” entwickeln wolle, müsse das geändert werden. Im Rahmen der letztes Jahr angekündigten Radoffensive der Stadt Graz und des Landes Steiermark sollen bis in das Jahr 2030 100 Millionen Euro gemäß des Masterplans RADMOBIL Graz 2030 investiert werden. Ziel des Plans ist es, die Sicherheit im Verkehr und die Lebensqualität für alle zu erhöhen. Zu dem 120 Kilometer umfassenden Radwegnetz sollen weitere 200 hinzukommen. 

Die Radoffensive basiert auf einer Untersuchung, an der auch Bike Citizens mitgewirkt hat. Im Zuge einer Radnetzstudie wurden Daten aus der App analysiert. „Natürlich wollen wir, dass der Radanteil insgesamt steigt”, lacht Felberbauer.

 

Titelbild: Marion Luttenberger

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