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Endstation Knast?

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Am Wochenende öffneten sich die Tore der Justizanstalt Graz-Karlau und boten einen Blick hinter den Stacheldrahtzaun. 4.800 Personen nutzten diese Möglichkeit, um sich ein Bild von der sonst verschlossenen Anstalt zu machen.

Von: Patricia Hammer, Katharina Russold

Hinter den dicken Mauern der Justizanstalt Graz-Karlau findet sich der Besucher im dreistöckigen Zellenhaus wieder. Wohin man auch schaut – überall Stahl, Beton und Gitter. Mitten unter 500 in Zellen sitzenden Insassen versucht man sich vorzustellen, wie es wäre an ihrer Stelle zu sein. Hinter verschlossener Stahltür, in winzigen Hafträumen, warten Insassen auf den Tag der Entlassung und auf den Start in ein neues Leben.

Was verbirgt sich hinter den Mauern?

Die Justizanstalt Graz-Karlau, die sich an der Grenze des Annenviertels befindet, ist die zweitgrößte Strafvollzugsanstalt in Österreich und für ihren hohen Sicherheitsstandard bekannt. Männliche Straftäter sitzen hier ihre Freiheitsstrafen von über 18 Monaten bis hin zu lebenslänglich ab. Aufgeteilt werden diese Insassen in den Normal- oder Maßnahmenvollzug – hierbei handelt es sich um geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß §21 Abs 2 StGB. Täter, die sich im Maßnahmenvollzug befinden, waren während der Tat zwar zurechnungsfähig, eignen sich jedoch wegen ihrer psychischen Besonderheiten nicht für den allgemeinen Strafvollzug.

Im Zellenhaus befinden sich rund 80 Insassen des Maßnahmenvollzuges – Foto: Katharina Russold 

Antritt und weiterer Verlauf der Haftstrafe

Nach der Verurteilung werden Straftäter der entsprechenden Strafvollzugsanstalt zugewiesen. Im Zuge der Inhaftierung erfolgt eine erste Einschätzung durch Psychologen, Strafvollzugsbeamten und Sozialarbeiter. Sie beleuchten, aus welchem Umfeld der Inhaftierte kommt, welche und ob er eine Ausbildung hat und ob Vorstrafen vorhanden sind. Dementsprechend wird eine Berufswahl innerhalb der Anstalt getroffen, Therapien werden gegebenenfalls verordnet und passende Freizeitaktivitäten gewählt. „Ab diesem Zeitpunkt wird auf eine Lockerung des Strafvollzugs hingearbeitet und Entlassungsvorbereitungen werden getroffen“, erklärt der stellvertretende Leiter der Justizanstalt Graz-Karlau, Gerhard Derler.

Grundsätzlich sind alle arbeitsfähigen Strafgefangenen dazu verpflichtet, in einem der 21 Betriebe Dienst zu leisten. Diese umfassen handwerkliche Betriebe wie die Schlosserei und Tischlerei bis hin zu Wäscherei, Gärtnerei oder dem Kunstbetrieb. Die Herstellung der Produkte dient hier in erster Linie dem Anstaltsbedarf. Junge sowie zuvor arbeitslose Straftäter können außerdem in neun verschiedenen Sparten Berufsausbildungen in Anspruch nehmen. Weiters gibt es die Möglichkeit, in Firmen und privatwirtschaftlichen Unternehmen außerhalb der Justizanstalt zu arbeiten. Im Gespräch mit einem Insassen der Anstalt (wird hier fiktiv Peter G. genannt), erzählt er von seinen Erfahrungen mit den dort herrschenden Arbeitsbedingungen: „Ich arbeite bei einer Firma außerhalb der Justizanstalt. Dort habe ich nie zu spüren bekommen, dass ich vom Gefängnis komme. Ich werde behandelt wie jeder andere und kann mich über gar nichts beschweren.” Neben der sinnvollen Beschäftigung während der Haftstrafe werden die Insassen somit auf den Arbeitsmarkt nach der Entlassung vorbereitet und erneut in die Gesellschaft eingegliedert.

Auch die Freizeitgestaltung trägt einen großen Teil zur Entlassungsvorbereitung bei und gewährleistet Ruhe und Sicherheit innerhalb der Anstalt. Die Justizanstalt Graz-Karlau bietet ein großes Angebot an Freizeit- und Sportaktivitäten, wie Fußball, Laufgruppen oder Boccia-Spiele. Im Keller der Anstalt befindet sich eine eigene Freizeitabteilung, verziert mit Malereien, die den Insassen das Gefühl geben, durch die Gassen von Paris zu schlendern. Der Eiffelturm, der einem vom Ende des Ganges entgegenleuchtet, lässt einen kurz vergessen, sich gerade in einer Justizanstalt zu befinden. Links und rechts laden verschiedene Räume zur Freizeitbeschäftigung ein: es gibt unter anderem einen Musik- und Bastelraum, eine Kraftkammer sowie Tischtennis- und Tischfußballtische. Peter G. meint dazu jedoch: „Ich nehme an keinen Freizeitaktivitäten teil. Ich will meinen eigenen Weg gehen und mich keinen Gruppen anschließen, um bei keinen Schwachsinnigkeiten mitzumachen. So fährt man am besten.“

Die Malereien der Freizeitabteilung stammen von einem Insassen – Foto: Katharina Russold

Soziale und psychische Betreuung

Im Zuge des Strafvollzugs und der Entlassungsvorbereitungen können Insassen eine psychologische Betreuung in Anspruch nehmen. Hier führen PsychologInnen Krisenintervention und Suizidprävention durch. Außerdem vermeidet man mit Hilfe von Gesprächen sich anbahnende Eskalationen im Haftalltag und spricht über belastende Ereignisse. Einige Psychotherapien setzen sich mit Drogen- und Alkoholsüchtigen und Sexualstraftätern auseinander und auch Antigewalt- und Deliktbearbeitungsgruppen werden geboten. Eine ganz andere Ansicht, zur sonst von vielen Seiten positiv gesehenen, psychologischen Betreuung, hat der Insasse Peter G.: „Ich finde, es wird zu viel Wert auf das psychologische Zeug gelegt – eine Änderung kann nur von einem selbst kommen und nicht von einer Psychologin, die irgendetwas aus einem Buch vorliest.“

Ein weiterer Bestandteil des Resozialisierungsprozesses ist die Zusammenarbeit mit dem Sozialen Dienst, der auch in der Anstalt angesiedelt ist. Hierbei helfen die MitarbeiterInnen bei der Arbeitseinteilung und bei sozialen und persönlichen Angelegenheiten, erstellen Vollzugspläne und kontaktieren Angehörige. Zudem konzentrieren sich die MitarbeiterInnen des Sozialen Dienstes auf die Vorbereitung von Vollzugslockerungen, die Entlassungsvorbereitungen und die Kontaktherstellung zu Sozial- und Nachsorgeeinrichtungen.

Die Lockerung der Haftstrafe

Bei guter Führung können Insassen frühzeitig entlassen werden, meist nach zwei Drittel ihrer Strafzeit, in besonderen Fällen bereits nach der Hälfte der Strafe. „Nach einer gewissen Zeit beginnt für diese Insassen eine Lockerung des Vollzugs, um sie Schritt für Schritt wieder in die normale Gesellschaft einzugliedern. Sie können in die Außenstelle Maria Lankowitz oder ins Freigängerhaus neben der Justizanstalt Graz-Karlau umsiedeln. Dabei handelt es sich um eine klassische Entlassungsvorbereitung“, sagt Derler. In eigenen Wohngemeinschaften und Arbeitsplätzen außerhalb des Normalvollzuges sollen die Strafgefangenen wieder an den Alltag gewöhnt und immer mehr in die Normalität zurückgeführt werden. Außerdem haben Insassen hier auch mehr Eigenverantwortung.

Im 16. Jahrhundert diente der Gebäudekomplex Erzherzog Karl II. als Jagdschloss – Foto: Katharina Russold

Die neugewonnene Freiheit

Nach Vollendung der Haftstrafe ist ein Übergang in ein geregeltes Leben notwendig. Trotz der Vorbereitungen während der Haftstrafe fällt es ehemaligen Insassen schwer, sich in die immer wandelnde Gesellschaft und Umwelt zu reintegrieren. Deshalb bedarf es an Unterstützung durch Sozial- und Nachsorgeeinrichtungen. Die in Graz angesiedelte Organisation Neustart nimmt sich beispielsweise entlassener Insassen an. Die MitarbeiterInnen der Organisation unterstützen unter anderem bei Bewährungs- und Haftentlassenenhilfe sowie Wohnungs- und Arbeitssuche.

Der Strafgefangene Peter G. wird wegen guter Führung voraussichtlich bald entlassen und freut sich, die Dinge nachzuholen, die er verpasst hat. Er erzählt, dass es oft Kleinigkeiten sind, die man während des Strafvollzugs vermisst, wie ein Vollbad oder eine Motorradfahrt. Es trifft ihn außerdem besonders, dass er seine Kinder nicht aufwachsen sehen konnte. Am wichtigsten ist ihm jedoch: „Nach der Haft will ich ein neues Leben beginnen und mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben – für mich ist es wie ein weißes Blatt Papier, ich fange komplett neu an.“

Trotz allen Versuchen die Insassen während der Haftstrafe so gut wie möglich zu resozialisieren und ihnen einen geregelten, der Realität entsprechenden Tagesablauf zu schaffen, gibt es auch Fälle, die tragisch enden. Am gestrigen Mittwochmorgen, wurde ein 28-jähriger Strafgefangener tot in seinem Haftraum aufgefunden. Grund für den plötzlichen Tod dürfte eine Drogenüberdosis sein, berichtete die Kleine Zeitung. Die Ermittlungen des Landeskriminalamts Steiermark laufen bereits.

 

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