Diana Köhle, Erfinderin und Moderatorin des Tagebuch Slams, sitzt in einem großen Ohrensessel und hält ein Tagebuch in der Hand
Lesezeit: 3 Minuten, 10 Sekunden

Tagebuch Slam: Vorhang auf für Jugendsünden

in Allgemein/KULTUR von

Diana Köhles erfolgreiches Slam-Format feierte Ende November sein Grazer Debüt im Theater am Lend.  Vor Publikum lesen vier Freiwillige aus ihren alten originalen Tagebüchern vor – nur selten ist Fremdschämen unterhaltsamer.

Mittig auf der Bühne steht ein Ohrensessel. Darin sitzt Diana Köhle, Erfinderin und Moderatorin des Tagebuch Slams. In ihren Händen hält sie eines ihrer Bücher, in denen sie die besten Zitate alter Tagebuch Slams sammelt. Nach kurzem Räuspern liest sie seufzend vor: „Er hat es wieder mal nicht geschafft, meinen BH zu öffnen.“ Das Publikum beginnt zu lachen. „Ich hab ihm dann einfach einen zum Üben mitgegeben.“ 

Für fremde Tagebücher schämen

Der insgesamt 217. Tagebuch Slam ist gleichzeitig der allererste in Graz. Ehrlich und schonungslos lesen dabei vier mutige Laien im Theater am Lend alte Einträge aus ihren eigenen Jugendtagebüchern vor. Das Motto dabei ist: mit seinen Jugendsünden abrechnen und sich gemeinsam mit den Zuschauern fremdschämen. „Die meisten im Publikum haben oder hätten gerne mal das Tagebuch von anderen gelesen – und jetzt bekommen sie es sogar selbst vorgelesen“, meint Diana Köhle im Gespräch vor dem Slam.

Am Abend beginnt dann der Wettbewerb um den Titel des besten Slammers. Jeweils zwei der Teilnehmer:innen stehen im direkten Duell. Über Applaus des Publikums wird entschieden, wer ins Finale einzieht. Jede:r Vorlesende hat fünf Minuten Zeit, die Zuseher:innen zu überzeugen. Diana Köhle moderiert und wirft immer wieder lustige Anekdoten und Zitate vergangener Slams ein. Die von den Slammern ausgewählten Texte kennt Köhle vor den Auftritten nicht – die einzige Bedingung ist, dass die Einträge älter als fünf Jahre sind. „Das ist wichtig, um Distanz zwischen dem jetzigen und dem früheren Ich zu schaffen. Man sollte auch nur Einträge vortragen, wo man das Gefühl hat, dass man sein damaliges Ich nicht verrät oder vorführt“, betont sie.

Die Geburtsstunde des Tagebuch Slams

Seit 2004 ist Diana ein bekanntes Gesicht in der Slam-Szene, sie war sogar eine der Mitbegründer:innen der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Der Tagebuch Slam hat seinen Ursprung im Projekt „Slam P.anoptikum“, wo 2013 jeden Monat eine neue Form des Dichterwettstreits erprobt wurde. „Immer wieder hat man mich gefragt, warum ich selbst nicht auftrete“, meint Köhle, „dabei habe ich nie selbst geschrieben – außer Tagebuch.“

So war die Idee geboren – und gewann in Wien schnell an Beliebtheit. Nach dem Angebot des Theaters an der Gumpendorferstraße (TAG) in Wien regelmäßige “TAGebuch”-Slams zu veranstalten, wurde auch der ORF auf das Format aufmerksam und strahlte 2014 fünf Folgen unter dem Titel „Liebes Tagebuch…“ aus.

„Es ist zuerst einfach nur aus Spaß und Witz entstanden – ich hätte nicht gedacht, dass das so wichtig in meinem Leben wird.“ Mittlerweile ist Diana nicht nur das Gesicht und der Name hinter dem Tagebuch Slam, sondern hat auch zwei Bücher mit den besten Einträgen aus fast zehn Jahren Slam-Erfahrung herausgegeben und voriges Jahr einen eigenen Podcast unter dem Titel „Mein Tagebuch, ich + …“ produziert.

Wiedersehen macht Freude

Viele der Teilnehmenden betreten Dianas Bühne nicht nur einmal. So auch David aus Wien, der den ersten Grazer Tagebuch Slam gewonnen hat. Als er aus dem Tagebuch seines 14-Jährigen Ichs vorlas – „Die Dani hab ich g‘fragt ob sie mit mir gehen will – die Jasi hab ich ‚kriegt“ oder „Wir alle haben unseren Pimmeln Namen gegeben“ – war das Publikum vor Lachen kaum zu halten.

Das erste Mal hatte David spontan mitgemacht, wie er im Gespräch nach seinem Sieg im Interview erzählt. „Diana war nervös, weil ihr jemand abgesprungen war – da bin ich eingesprungen.“ Seitdem war er mit seinem Tagebuch, dessen Cover Donald Duck ziert, über 20-mal ein Vorlesender. „Es ist die perfekte Gelegenheit, sich auf einer Bühne auszuprobieren. Wann kann man sonst einfach aus Spaß im Rampenlicht stehen?“, meint er und will auch andere ermutigen, ihre „5 Minutes of Fame“ zu erleben.

Der Gewinner des Tagebuch Slams David sitzt im Sessel und liest aus seinem Tagebuch
Gewinner David liest aus seinem Tagebuch – Foto: Sarah Romauch

Den Zuseher:innen gefällt’s auch. „Es tut einfach gut zu sehen, dass viele die gleichen Sorgen und Gedanken in der Pubertät teilten“, sagt Diana. Das Publikum trage einen durch den Abend und belohne die Mutigen. Immer wieder sucht Diana auch neue Teilnehmer:innen, gerne auch im  Publikum. „Oder bei Klowarteschlangen – das funktioniert auch ganz gut.“

Die nächste Möglichkeit, den Tagebuch Slam im Theater am Lend zu sehen und auch selbst mitzumachen, gibt es am 28.01.2023. Am Ende des ersten Slams richtet sich Diana nochmal an ihre Zuhörer:innen und animiert sie dazu, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen: „Es ist niemals zu spät zum Tagebuchschreiben!“.

 

Titelbild: Diana Köhle, Erfinderin und Moderatorin des erfolgreichen Tagebuch Slams – Foto: David Samhaber

 

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