Der Eingang des Pflegeheims adcura
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Pflegeheim im Annenviertel: Hoffnung trifft auf Frust

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Ein Jahr Pandemie in der Pflegeresidenz adcura in Lend. Wenn Hoffnungen und Perspektiven auf Frust und Umdenken treffen.

Seit dem Impfstart in den Pflegeheimen im Annenviertel Ende Dezember sind einige Monate vergangen. Rund 78% der über 80-Jährigen und rund 41% der impfbaren Bevölkerung haben laut dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bereits zumindest eine Erstimpfung erhalten (Stand: 20.5.2021). Durch die immer größer werdende Immunität sind die Hoffnungen auf weitere Schritte zurück zur Normalität auch in den Pflegeheimen größer denn je. Ein Jahr Pandemie hinterlässt jedoch Spuren. Einsamkeit, Frust, aber auch neue Perspektiven konnten durch eine Zeit geprägt von Isolation und Verlusten erlangt werden.

Impfen oder nicht impfen – das ist keine Frage!

In der adcura Stadtresidenz in Lend sind rund 90% der Bewohner*innen und Pflegekräfte geimpft. Rund 120 Bewohner*innen und 75 Pflegekräfte haben bereits beide Corona-Schutzimpfung erhalten (Stand Mai 2021). Seit unserem Artikel über das Pflegeheim diesen Jänner haben sich noch nachträglich einige Weitere für eine Covid-19-Impfung entschieden. Oft war es eine Coronainfektion, die zu einem Umdenken führte, sagt die Heimleiterin Nadja Soliman. Andere hatten, da sie gerade infiziert waren oder aufgrund anderer gesundheitlicher Gründe, zu diesem Zeitpunkt ein zu schwaches Immunsystem für eine Impfung. Nachträgliche Nebenwirkungen blieben in der Residenz in Lend glücklicherweise aus, meint Soliman. Dennoch macht man in der adcura Stadtresidenz die Erfahrung, dass eine Impfung nicht immer ausreicht, um vor dem Virus geschützt zu sein. Eine Pflegekraft erkrankte trotz beider Impfdosen. Durch dreimal wöchentliches Testen konnte dies sofort erkannt werden. Der Verlauf blieb weitgehend beschwerdefrei.

Ein Stück Normalität

Derzeit warte man sehnsüchtig auf weitere Entscheidungen der Regierung, wie die Heimleitung Nadja Soliman verrät. Das Personal versuche mit allen Möglichkeiten, den Bewohner*innen ein so angenehmes Leben wie möglich zu gestalten. Seit einiger Zeit sind glücklicherweise wieder Besuche möglich, was die Stimmung durchaus aufhelle. Diese ermöglichen es den Bewohner*innen, ein großes Stück Normalität und Geborgenheit zurückzugeben. Neben der derzeitigen Hoffnung gebe es aber innerhalb der Bewohnerschaft auch immer weniger Bereitschaft, die Maßnahmen einzuhalten, so Soliman. „Nach so langer Zeit sind immer weniger dazu bereit, stets die Maske zu tragen oder Abstand zu halten“, meint die Heimleiterin. Zwingen könne man sie dazu auch nicht. 

Nach so langer Zeit sind immer weniger dazu bereit stets die Maske zu tragen oder Abstand zu halten

Gemeinsam statt einsam

Mit den neuen Regelungen seit 19. Mai sind täglich bis zu drei Besucher*innen möglich. Zuvor waren vier Besuche pro Woche von jeweils maximal zwei Personen für jeden Bewohner und jede Bewohnerin gestattet. Bei Einzelzimmern finden diese in den Zimmern statt, bei Mehrbettzimmern muss man auf die Begegnungszonen ausweichen. Zu Zeiten, in denen es aktive Infektionen in der Pflegeresidenz gab, wurden die Möglichkeiten von Verwandten, Bekannten und Freund*innen besucht zu werden, drastisch eingeschränkt, sagt die Heimleiterin. Es gab viele einsame Stunden, die die Bewohner*innen gänzlich abgeschirmt von außen verbracht haben. 

Das Pflegeheim versucht, der Einsamkeit entgegenzuwirken. Schon seit Längerem sind Aktivitäten in Kleingruppen zu je fünf Personen möglich. Neben Aromapflege, Bewegungstraining und Gedächtnistraining werden auch saisonale Tätigkeiten wie das Färben von Ostereiern angeboten. Auch das abgeschirmte Essen im eigenen Zimmer hat seit Kurzem ein Ende. Der Speisesaal ist wieder für alle geöffnet und es darf zu zweit an einem Tisch gegessen werden. Dabei werden natürlich die Abstandsregeln eingehalten. „Das gemeinsame Essen war ein großer und wichtiger Schritt für die Bewohner*innen. Er ermöglicht es, sich wieder mit anderen auszutauschen“, meint Soliman. Zu den Feiertagen gab es ein weiteres Aufatmen: Bei Bedarf durften die Bewohner*innen diese zuhause in den Kreisen der Familie verbringen.

Pflegekräfte als psychische Rettungsanker

Eine weltweite Epidemie verändert vieles. Die größte Art des Umdenkens findet laut Soliman dabei in den Köpfen der Menschen statt. Auch sie hat dies in den Kreisen der Bewohner*innen bemerkt. Die Beziehung zu den Pflegekräften war stets eine sehr enge. Durch Corona wurden Pfleger*innen oftmals zum psychischen Rettungsanker. „Den größten Wandel gab es gegenüber den außenstehenden Kontaktpersonen“, meint die Heimleiterin. Wo Verwandte früher oftmals nur als „Boten“ eingesetzt wurden, um Dinge zu erledigen, seien sie jetzt wichtige Bezugspersonen. Gemeinsame Zeit mit den Liebsten werde mehr geschätzt, denn je zuvor, resümiert die Heimleitung.

 

Titelbild: Seit dem 19. Mai sind auch in der adcura Pflegeresidenz in Lend wieder tägliche Besuche möglich. – Foto: Chiara Wenig

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