Auf den Reininghausgründen hat Karl ein Nachbarschaftscafé gegründet, das dazu beitragen soll, die Anonymität des entstehenden Stadtteils aufzubrechen und einen Ort der Begegnung zu schaffen.
Von: Mirjam Hangler, Leonie Kleinlercher
Als Karl sich einen Hund zulegte, führte ihn seine Spazierroute regelmäßig zu den Reininghausgründen. Damals, vor vier Jahren, wurde hier noch nicht gebaut und der Pensionist nutzte das Gelände als Hundewiese. Die Wiese war Treffpunkt vieler Hundebesitzer*innen und so entstand die Idee, die Begegnungen gemütlicher zu gestalten und Getränke in den Räumen des Stadtteilmanagements auszuschenken. „Das habe ich eine Zeit lang gemacht und es hat mir Spaß gemacht. Ein bisschen mit den Leuten kommunizieren, ein bisschen schauen, wie sich die Gegend entwickelt – das ist dann schleichend immer mehr geworden“, erzählt Karl. Er fing an, Feiern zu organisieren, Spieleabende, Tischtennisturniere. Nach und nach wurde die Idee des Nachbarschaftscafés geboren.
Offenes Reininghaus
Karls Vision ist es, die Anonymität der Stadt zu vertreiben und einen Raum zu schaffen, in dem Menschen sich kennenlernen und austauschen können. Die Tür des Cafés steht für alle offen. Im Prinzip funktioniert es wie ein gewöhnliches Café. “Der einzige Unterschied ist, dass es keine Preise gibt, und man nicht verpflichtet ist, etwas zu spenden. Wir machen das, weil wir selbst eine Freude an der Gschicht‘ haben, und das wollen wir auch vermitteln”, erklärt Karl. Im Café herrscht kein Konsumzwang und jede*r kann zahlen, was es ihm*ihr wert ist.
Es herrsche große Vielfalt unter den Besucher*innen, sagt Karl. Nicht nur, dass sie aus verschiedenen Grazer Bezirken anreisen, auch die Lebenssituationen seien ganz unterschiedlich. Die Altersspanne reicht von Anfang zwanzig bis achtzig, vom Schüler bis zur Akademikerin. Karl schätzt die Vielfalt im Café, “Ich bin in der Pension und so habe ich die Chance, mich mit jungen Leuten auszutauschen, am Leben teilzunehmen.” Sonst erzählt Karl wenig über sich selbst. Da ihm seine Privatsphäre wichtig ist, nennt er auch seinen vollen Namen nicht. Der Pensionist will nicht sich als Person, sondern das Projekt in den Mittelpunkt stellen.
Schatten- und Sonnenseiten
Durch die reine Spendenfinanzierung ist die wirtschaftliche Lage des Cafés nicht vorhersehbar. Sind Karl und seine Helfer*innen zu großzügig, kann es auch passieren, dass kein Geld für Getränkenachschub mehr in der Kassa ist. Davon lässt sich Karl aber nicht abschrecken, denn die positiven Erfahrungen überwiegen für ihn. “Eine Hundebesitzerin ist verstorben und wir haben es über das Café geschafft, dass zumindest ein paar Leute zum Begräbnis kamen”, so Karl über das Gemeinschaftsgefühl. Es ist ihm auch wichtig, dass nicht er alleine das Nachbarschaftscafé betreibt. Seiner Meinung nach braucht es den Anstoß von anderen, damit es lebendig bleibt. Es sei die wechselnde Besetzung, die immer wieder neue Impulse bringt.
Zukunftspläne
Diesen Herbst ist das Café in neue Räume übersiedelt. Das Nachbarschaftscafé geht nun vom Stadtteilmanagement aus und nutzt auch dessen Infrastruktur. Der neue Standort ist in der Reininghausstraße 10 im Quartier 4. Das Stadtteilmanagement ist eine Initiative der Stadt Graz und fungiert als Anlaufstelle für alles, das den Stadtteil betrifft.
“Das Stadtteilcafé ist ein wichtiges Vernetzungsinstrument”, sagt Julia Wohlfahrt, die Soziologie und Social Design studiert hat und als Stadtteilmanagerin vor Ort arbeitet. “Seitdem die ersten Menschen hier in Reininghaus wohnen, können sich auch die Bewohner*innen untereinander treffen, um sich kennenzulernen und auszutauschen. In einem informellen Rahmen – dem neuen Stadtteilbüro – geht das natürlich leichter.” In die Zukunft planen, ist in der derzeitigen Situation schwierig, aber weitergehen wird das Nachbarschaftscafé nach dem Ende des Lockdowns auf jeden Fall, voraussichtlich einmal die Woche. Denn wie Karl es formuliert: “Wir sind im Aufbruch.”
[TITELBILD: Mirjam Hangler]