FahrradbotInnen: Radelnd durch die Corona-Zeit

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Kein Homeoffice für Grazer EssenslieferantInnen und Kuriere: Während ein Großteil der Bevölkerung momentan zuhause bleibt, sind die FahrradbotInnen auch im Annenviertel weiterhin im Einsatz. Doch was hat sich für sie in der Corona-Zeit verändert?

Wenn Benjamin Kopf normalerweise durch das belebte Graz radelt, um mit der grünen Thermobox auf seinem Rücken Gerichte für Velofood auszuliefern, bekommt er immer wieder Ablehnung und Distanz zu spüren. Doch die Stimmung gegenüber FahrradbotInnen hat sich in der Corona-Zeit verändert. „Die Leute auf den Straßen kommen uns jetzt freundlicher entgegen. Sie machen ein bisschen mehr Platz, grüßen uns oder geben Kommentare ab wie ,Toll, dass ihr das macht!‘“, sagt Kopf.

Ein veränderter Arbeitsalltag

Auch bei den KundInnen selbst bemerkt der 34-Jährige weder Zurückhaltung noch Angst oder Unsicherheit, im Gegenteil: „Die Leute wissen es wirklich zu schätzen, dass wir derzeit ausliefern.“ Auch Horst Orthaber, Fahrradkurier bei Pink Pedals, spürt, dass die Belieferten in den vergangenen Wochen dankbarer geworden sind – vor allem Menschen, die einer der Risikogruppen angehören. Durch die Ausnahmesituation hat sich das KundInnenfeld der FahrradbotInnen nämlich stark verschoben. Während der Corona-Zeit beliefern die EssenszustellerInnen von Velofood vermehrt ältere Menschen. Die Pink Pedals übernehmen von ihrer Zentrale in der Griesgasse aus momentan vor allem Abholungen und Zustellungen von Medikamenten und medizinischen Produkten. Aufträge aus dem Wirtschaftssektor, wie die Lieferung von elektronischen Geräten, sind für die Fahrradkuriere hingegen fast komplett weggebrochen. „Wir haben bis Mitte März noch wie verrückt Laptops und Handys hin- und hergefahren und dann war es auf einmal komplett still“, sagt Orthaber.

Die KundInnen bedanken sich immer wieder mit Botschaften bei den Velofood-LieferantInnen. – Foto: Velofood

„Ein komisches Gefühl“

Um den Betrieb der radelnden Botendienste trotz der veränderten Bedingungen weiterhin aufrechtzuerhalten, wurden strenge Hygienemaßnahmen ergriffen. Außerdem erfolgte in den beiden Betrieben die Umstellung auf eine kontaktlose Lieferung: Die FahrradbotInnen läuten bei den KundInnen an, legen die Bestellung vor der Haustüre ab und treten danach zurück, um den direkten Kontakt mit den Belieferten zu vermeiden. Auch die Zahlungen sind nur online möglich. „Am Anfang war die Umstellung schon ein komisches Gefühl, eine gewisse Unsicherheit war da. Aber die hat sich inzwischen gelegt und durch die strengen Maßnahmen besteht für uns Fahrradboten eigentlich keine direkte Gefahr“, so Velofood-Mitarbeiter Kopf.

Auch Fahrradkurier Orthaber schätzt die durch das Coronavirus verursachten Risiken im Vergleich zur Zeit vor dem Ausnahmezustand als eher gering ein. Er stellt sich die Frage nach der Sicherheit in seinem Beruf auch abseits der momentanen Situation: „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich als Fahrradbote noch nie so sicher gefühlt habe. Auch sonst sind wir oft in Krankenhäusern unterwegs, wo es auch außerhalb der Pandemie-Zeiten Krankheiten gibt, die eine Gefahr darstellen.“

Die Fahrradkuriere bei Pink Pedals sind trotz Corona-Krise weiterhin im Einsatz. – Foto: Pink Pedals

Ungewohnte Stimmung im Annenviertel

Mit 16. März wurden österreichweit die Sicherheitsmaßnahmen verschärft und Ausgangsbeschränkungen traten in Kraft. Infolgedessen veränderte sich der Arbeitsalltag der FahrradbotInnen. Nicht nur Zielgruppen und Lieferungen wechselten, sondern auch das Arbeitsumfeld wandelte sich schlagartig. Vor allem die ruhigen Straßen waren für die LieferantInnen anfangs merkwürdig. „Jetzt bin ich es schon gewöhnt, aber am Anfang war die Situation ziemlich spooky, weil alles leer und verschlossen ist. Man muss aufpassen, dass man nicht paranoid wird, wenn man stundenlang unterwegs ist und niemanden trifft“, so Orthaber. Aber nicht nur im Freien, sondern auch in medizinischen Einrichtungen hat sich die Stimmung verändert. „In Krankenhäusern ist ja mittlerweile alles Sperrzone. Wir kommen zwar ins Gelände hinein, aber es gibt eine eigene Schleuse, um etwas im Labor abzugeben. Dort trifft man keine Menschenseele“, sagt er.

„Motivierter als vorher”

Durch das sonnige Wetter der letzten Wochen ist das Annenviertel nun wieder etwas belebter. Dennoch bleibt die Stimmung in den Straßen auch weiterhin ruhig. Dadurch entsteht laut Kopf sowohl für die FahrradbotInnen als auch für die KundInnen ein Vorteil in der Corona-Zeit: „Wir können die Lieferungen automatisch schneller ausliefern.“ Radelnde EssenszustellerInnen und Kuriere, die nicht zu einer der Risikogruppen gehören, werden also weiterhin im Annenviertel anzutreffen sein. Was aber bewegt sie eigentlich dazu, auch in der momentanen Ausnahmesituation im Einsatz zu sein? Benjamin Kopf resümiert: „Ich bin in dieser Zeit motivierter als vorher, weil ich gerade bei den älteren Leuten einfach merke, dass ich etwas Gutes tue. Ich kann einen Teil dazu beitragen, dass es den Leuten ein kleines bisschen besser geht.“

 

Über Pink Pedals und Velofood

Pink Pedals

Nach dem Motto „Schnell – Zuverlässig – Emissionsfrei“ übernehmen die Fahrradkuriere im Raum Graz Abholungen und Zustellungen, zum Beispiel von Dokumenten, Paketen oder medizinischen Proben. Bei größeren und schwereren Lieferungen kommt dabei das Lastenrad zum Einsatz.

Velofood

Der nachhaltige Lieferservice stellt Speisen von über 70 Grazer Restaurants in deren Umkreis von vier Kilometern zu. Darunter finden sich auch Lokale aus dem Annenviertel wie Parks Art oder Mangolds. Die Speisen sind biologisch abbaubar verpackt und werden per Fahrrad geliefert.

(Fast) immer fröhliche Optimistin, die Entscheidungen meidet, wo immer es geht. Mag ihre Kater, Kaffee und ihr geordnetes Chaos. Neigt zum Perfektionismus und hat gerne das letzte Wort.

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