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Das ist gut

in VIERTEL(ER)LEBEN von

Er steht hier fast jeden Tag und bei jedem Wetter, das Leben unter freiem Himmel hat ihn gezeichnet. Seine Habseligkeiten hat er auf einem Rollstuhl zusammengeschnürt. In der Hand hält der obdachlose Mann – sein Name tue nichts zur Sache, meint er – einen Pappbecher, mit ein paar Münzen darin. Die Annenpost bat ihn zu einem kurzen Gespräch – über eine verwehrte Pension, eine verlorene Arbeit in einem ungarischen Spezialitätenrestaurant und Kinder, die eigentlich in die Schule gehören.

Hallo, warum stehen Sie denn hier?

Ich habe in Ungarn meine Pension nicht bekommen. Hier in Österreich war ich zuerst bei einem Bauern, um bei ihm zu arbeiten. Aber drei Euro in der Stunde waren nicht gut.

Wo schlafen Sie eigentlich?

In einer Garage da drüben.

Was erleben Sie so, wenn Sie hier den Tag verbringen?

Ich sehe, dass sehr viele Rumänen hier betteln. Aber sehr aggressiv. Nicht gut. Ich stehe still hier, frage nicht um Geld. Das ist gut. Hier betteln sonst sogar Kinder statt dass sie in die Schule gehen. Das ist nicht gut. In München gab es das nicht.

Sie waren in München?

Ich war in München. Vor acht Jahren. Habe dort in einem ungarischen Spezialitätenrestaurant gearbeitet, das war gut. Mit Gulasch, Fladenbrot, Pfannkuchen. Dann war dort Schluss und ich ging zurück nach Ungarn. Fand keine Arbeit und bekam keine Pension.

Wie alt sind Sie?

Ich wurde im Februar 64 Jahre alt.

Was machen Sie, während Sie hier stehen?

Ich denke nach. Über mein Leben. In Deutschland war es nicht gut. In Ungarn auch nicht. Bevor ich nach München ging war ich in Ungarn  dreißig Jahre lang als Koch und Metzger tätig.

Und jetzt?

Jetzt stehe ich entweder hier oder unten in der Annenstraße. Ich habe Gicht in meinem Bein und in meiner Hand. Aber den Becher kann ich noch halten. Das ist gut.

Dürfen wir von ihnen noch ein Foto machen?

Nein. Lieber kein Foto. Das ist nicht gut.

Danke für das Gespräch!

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