Gehringer: Countdown für den Club mit Geschichte

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Der ehemalige Gasthof Gehringer im Lend hat die unterschiedlichsten Gäste kommen und gehen gesehen. Früher Adelige, dann Freiheitliche. Zuletzt machen Pop-up-Events der Biermarke Eule das Lokal zum coolsten Club der Stadt. Am 19. Oktober wird ein letztes Mal gefeiert.

Von: Karla Schwarz, Johanna Seebacher und Melanie Spieler

Zwischen tanzenden Menschenmengen, Flirts in den Gängen und Diskussionen an der Bartheke: Die Inhaber des Unternehmens „Eule“ – Bier veranstalten seit diesem Jahr Pop-up-Events im ehemaligen Gasthof Gehringer im Bezirk Lend, Start war beim heurigen Lendwirbel. Die Privatbrauerei aus der Oststeiermark ist ein bekannter Teil der Grazer Partyszene. Ihr Pop-up-Club GRNGR im alten Gehringer entstand durch Zufall. “Letzten Dezember haben wir ein Lager – direkt neben dem ehemaligen Gasthaus – bezogen. Kurz darauf wurde uns das Lokal angeboten”, so Klaus Meßner, Mitglied des Eule-Teams. Da das Gebäude unmittelbar vor dem Abriss steht, war die Anzahl der Veranstaltungen mit zehn Events für heuer begrenzt. Meßner organisiert alles, was sich hinter der Bar abspielt. “Es ist keine Veranstaltung, die dich auslaugt, auch wenn es mal anstrengend ist. Es ist ein geiles Publikum, immer neue Leute, die benehmen sich besser als irgendwo anders”, erzählt Meßner. Es sei ein tolerantes, eher linkes Publikum. Doch das ist nicht immer in diesem Gebäude ein- und ausgegangen.

Vom Herrenhaus zum FPÖ Stammtisch

​​Das Haus am Eck der Josefigasse und Keplerstraße im Bezirk Lend hat sich immer an den Wandel der Zeit angepasst. Die Geschichte beginnt laut Grundbuchauszügen im Jahre 1663. Heute eine Partylocation, damals, vor mehr als 300 Jahren, ein Herrenhaus mit Freigärten in den Händen von Adeligen und Klöstern. Dazwischen auch Wohnhaus oder Gaststätte. Zuletzt eben der Gasthof Gehringer, ein Familienbetrieb, der über 100 Jahre lang ein Teil der Gastro-Lend war.  Mehrere Generationen an Gastronomen bewirteten hier ihre Gäste. Zuletzt waren Ursula und Gerhard Gehringer an der Reihe. Damals kamen auch Freiheitliche und Identitäre gerne hierher. 

Das Gasthaus war ein bekanntes Stammlokal der FPÖ. Jutta Poglitsch, FPÖ-Bezirksparteiobfrau, veranstaltete hier fast fünf Jahre lang Treffen. Es wurden politische Reden gehalten, diskutiert und auch “gemütlich zusammengesessen”, erzählt Poglitsch im Gespräch mit der Annenpost. Den Vorwurf, dass Identitäre unter ihnen waren, streitet Poglitsch ab. Bekannt ist allerdings, dass Identitäre im Juni 2014 ihr Sommerfest im Gehringer feierten. 2018 veranstalteten sie ihre Weihnachtsfeier vor Ort, wie aus einer Einladung der “Identitären Bewegung Österreich” auf Telegram hervorgeht. Anja Gehringer, Tochter der Wirtsleute, soll zudem engen Kontakt sowohl zur FPÖ als auch zu den Identitären gepflegt haben, berichtete der Standard im Mai.

Im April 2023 fand der Stammtisch der FPÖ zum letzten Mal im Gehringer statt. Nachdem die Inhaber ihren Ruhestand angekündigt hatten, verabschiedeten FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek und Poglitsch die Gehringers und überreichten ihnen eine Ehrenurkunde und einen Gutschein für ein Fass Bier.

Die Gehringers und Kunasek feierten das Ende einer Ära. Foto: Jutta Poglitsch

Ende der Wohnzimmeratmosphäre

Parteipolitik spielt bei den GRNGR-Partys keine Rolle. “Wir haben keine politische Motivation mit dem, was wir tun”, sagt Meßner. “Gesellschaftspolitisch” seien die Veranstalter “liberal und linksorientiert”. Und man habe klare Regeln. “Wer die nicht einhält, ist bei uns auch nicht willkommen.” Somit haben Sexismus, Rassismus und Faschismus hier keinen Platz. Wichtig ist ihm: “Die Gäste fühlen sich wohl und wir haben eine richtige Wohnzimmeratmosphäre geschaffen.“

Feiernde hinterlassen im ehemaligen Gasthof politische Kommentare. Foto: Melanie Spieler

Nach dem für das heurige Jahr befristeten Pop-Up-Club soll es keine Nachmieter mehr geben. Stattdessen will die Eigentümerin, x1-project GmbH & Co OG, die Mauern niederreißen und ein Wohnhaus errichten. Ein weiteres “Urgestein” der Grazer Gastronomieszene steht kurz davor, gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden. Die „Initiative für ein Unverwechselbares Graz“ setzt sich für einen Abriss-Stopp ein. Gefordert wird der Erhalt historischer Häuser, wozu sie sich auf der Plattform “X” bekennen: “#AusverkaufderStadt: Das alte Gasthaus in der Keplerstraße/Josefigasse ist an einen Bauträger verkauft und soll abgerissen werden! – ehemals ein dreiachsiger „Gülthof“ aus dem 17. Jahrhundert, eines der letzten Häuser dieser Art in Graz! #AbbruchStopp von alten Häusern!“ Der Abriss ist für das erste Quartal im kommenden Jahr vorgesehen. Ein finales Pop-up-Event ist für den 19. Oktober geplant. Noch eine letzte Chance, um im GRNGR das Tanzbein zu schwingen.

Titelbild: Linke Partys nehmen bei Pop-up Events im ehemaligen Gasthof Gehringer nun rechten Raum ein. Foto: Johanna Seebacher

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