Markus Boxler vor dem Fenster „Wolkenkuckucksheim“ in der Kernstockgasse 20. – Foto: J.J. Kucek
Lesezeit: 3 Minuten, 37 Sekunden

Märchenhafte Kunst statt Leerstand

in KULTUR von

Mitte Februar startete Markus Boxler mit seiner Ausstellung „fantastische fenster.“ Was hinter den Inszenierungen in drei Grazer Schaufenstern steckt und warum es im öffentlichen Raum ein Kunstprojekt für konsumbefreites Betrachten braucht. 

Wer am Büro der Nachbarschaften in der Kernstockgasse vorbeikommt und durch die Glasscheibe blickt, wird mit einem ungewöhnlichen Bild konfrontiert. Zwei weiße Beinpaare, darauf mehrere offene Schachteln, deren Wände teilweise mit einigen Schichten Buchseiten beklebt sind. In manchen sitzen Vögel. In anderen hängen weiße Federn. Wer länger hinschaut, entdeckt womöglich weitere Details.

Drei Schaufenster

Es handelt sich hierbei um das „Wolkenkuckucksheim“. Bühnenbildner Markus Boxler hat es eingerichtet, außerdem zwei weitere „fantastische fenster”: „Prunk und Pracht“ in der Karlauerstraße sowie „Wald“ in der Theodor Körner Straße. Alle drei sind märchenhaft aufgeladen. Boxler, der jahrelang als Kulturvermittler beim Festival steirischer herbst tätig war, will damit zum Innehalten und Fantasieren anregen. In turbulenten Zeiten wie den jetzigen sollen sie aber auch die Möglichkeit bieten, dem Alltag für einen kurzen Moment zu entfliehen.

Andererseits beschreibt Boxler sein Projekt als „optische Stolperkante”. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Schaufenstern, die immer einen kommerziellen Zweck verfolgen, sind seine Schaufenster komplett zweckfrei. Sie ermöglichen über die Laufzeit von fünf Wochen konsumbefreites Betrachten, fernab der Erwartung, dass alles zu etwas führen muss. „Ich habe die Hoffnung, dass man dieses Zweckorientierte mal weglässt, sondern überrascht ist, von dem, was man sieht und selber ein bisschen nachdenken und nachspüren kann.“ 

Zu jedem Thema schrieb Horst Putz, Autor und freischaffender Künstler sowie guter Freund Boxlers, ein kurzes Märchen. Diese können auf der Website oder in einem kleinen Heft im Pixi-Format nachgelesen werden, das an den drei Standorten aufliegt. Dabei handelt es sich aber nicht um klassische Märchen, sondern um kurze Gedichte, die Märchenelemente aus unterschiedlichen Kulturen aufgreifen und dabei viel Interpretationsspielraum lassen sollen. 

An jedem Schaufenster klebt ein QR-Code, der zur Audio-Version des Textes führt. – Foto: J.J. Kucek
An jedem Schaufenster klebt ein QR-Code, der zur Audio-Version des Textes führt – Foto: J.J. Kucek

Dass sich das Projekt auf genau drei Standorte verteilt, sei ursprünglich nicht geplant gewesen. Boxler hätte sich auch fünf vorstellen können, aus Zeit- und Kostengründen wurden es aber weniger. Alle drei Räume dürfe er bis März mietfrei zwischennutzen, zwei davon würden ohne das Ausstellungsprojekt gerade leer stehen. 

Von Idee bis Umsetzung

Neben persönlichen Prägungen – etwa durch Märchen von Wilhelm Hauff – flossen an die 60 Rückmeldungen zum Thema Märchen ins Projekt mit ein. Diese seien im Rahmen von E-Mail-Befragungen und Workshops beim Kreativnetzwerktreffen Schmiede Hallein eingeholt worden. Erste Konzepte entwickelte Boxler, der unter anderem Bühnen- und Kostümbilder für das Schauspielhaus Graz oder das Next Liberty Jugendtheater entworfen hat, bereits im April 2022. Auf die letzte Zusage musste er bis Anfang Jänner 2023 warten. So blieben ihm für die finale Umsetzung gute vier Wochen.

Der Zeitdruck war aber nicht die einzige Herausforderung. Auch die Kälte in den unbeheizten Leerständen machte ihm zu schaffen. In einer langen Daunenjacke habe er sich anfangs extrem eingeengt gefühlt, aber: „Man gewöhnt sich auch daran, dass man aufgeplustert wie ein Marshmallow feine Modellbauten umsetzt.“

Das weitaus Schwierigste sei die Suche nach geeigneten Schaufenstern gewesen. Nicht immer lasse sich Leerstand sofort als solcher erkennen. Darüber hinaus sei es an unterschiedlichen Dingen gescheitert: Eigentümer:innen, die fürs Projekt nichts übrig hatten oder sich zu wenig darunter vorstellen konnten; lange Genehmigungsprozesse, die den Zeitrahmen gesprengt hätten oder einfach fehlender Strom. Manche waren zu klein oder zu niedrig, andere wiederum am falschen Standort.

Bewusst außerhalb der Tourismuszonen

Zwei der drei Schaufenster befinden sich im Annenviertel, und das nicht ohne Grund. Einerseits sei es hier leichter, aufzufallen, da sie dort nicht in einer Masse an auffälligen Auslagen untergehen. Andererseits würde sich die Politik für Leerstände in 8020 oft weniger interessieren als für jene in 8010. „Es ist natürlich eine Riesenkatastrophe, wenn in der Herrengasse oder in der Murgasse ein Leerstand zu finden ist, aber sobald wir dann über den Fluss gehen, ist es nicht mehr ganz so tragisch.“ Mit seiner Kunst wolle Boxler daher bewusst Orte bespielen, in die generell weniger Geld und künstlerische „Brainpower“ fließen. Das Projekt richte sich außerdem in erster Linie an Passant:innen auf ihren alltäglichen Wegen, nicht an Tourist:innen.

Problem Leerstand?

Im Rahmen des Projekts sei Boxler zudem aufgefallen: „Wenn wir über Leerstand reden, schwingt sofort mit, dass das böse ist und beseitigt werden muss.“ Dabei sei Leerstand per se nichts Schlechtes. Dass es in der Innenstadt mittlerweile so viele leerstehende Geschäfte gibt, sei außerdem nicht verwunderlich, wenn man alles in autofreundliche Shoppingcenter auslagere.  

Handlungsbedarf sieht er bei den Eigentümer:innen. Einerseits liege es in ihrer Verantwortung, die leeren Räume und ihre Auslagen sauber zu halten. Andererseits verwundere ihn, dass sich Besitzer:innen mit ihren Mietpreisen oft nicht an den Markt anpassen. Wenn die Nachfrage zu gering ist, müsse man einfach mit dem Preis runtergehen.

 

Infobox

Die Ausstellung „fantastische fenster“ läuft bis 19. März und ist rund um die Uhr zugänglich. Die geplanten Rundgänge am 12. und 18. März wurden krankheitsbedingt abgesagt.

Standorte: 

 

Titelbild: Markus Boxler vor dem Fenster „Wolkenkuckucksheim“ in der Kernstockgasse 20 – Foto: J.J. Kucek 

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