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Zeitenwende für den Kunstverein Roter Keil

in KULTUR von

Vor Kurzem hat der Kunstverein Roter Keil in einer ehemaligen Fabrik in der Vinzenzgasse in Eggenberg eine neue Werkstatt bezogen. 2023 will sich der Verein mit der „Zeitenwende” mit den Folgen von Pandemie, Krieg und Umweltzerstörung befassen.  Sie soll das Überthema für sein künstlerisches Schaffen in diesem Jahr sein.

Eine weitläufige Halle mit großen Fenstern, die viel Licht in den Raum lassen. Auf den ersten Blick ist zu sehen, dass man eine alte Fabrikhalle betreten hat, auch die alten Metallspinde an der Wand zeigen noch, wofür sie ursprünglich gebraucht wurden. Schaut man jedoch näher hin, zeigen sich bereits Spuren der neuen Verwendung. An allen Ecken und Enden der Werkstatt finden sich Kunstwerke im Entstehen: Leinwände, die bemalt werden; Skulpturen, die aus Ton und anderen Materialien modelliert werden; Kleidung, die geschneidert wird. Sogar eine Fahrradwerkstatt und ein Fotolabor befinden sich hier. In der Luft liegt ein angenehmer Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee, der auf einem braunen Holztisch gemeinsam genossen wird, während die Künstler:innen des Kollektivs Roter Keil hier in der frisch bezogenen Werkstatt ihre nächsten Aktionen besprechen.

 

Blick in die Werkstatt des roten Keil: Helles Licht durchflutet die alte Fabrikhalle – Foto: Daniel Ghanimi

 

Die Geschichte des Keils

Belinda Winkler, die als Künstlerin vor allem mit Textilien arbeitet und für den Verein im Bereich Social Media zuständig ist, erzählt, dass sich der Rote Keil im Jahr 2012 formiert hat. Fünf Absolvent:innen der Bildhauerklasse der Ortweinschule schlossen sich zusammen, um einen gemeinsamen Raum für ihr kreatives Schaffen zu gründen. Diese ursprüngliche Gruppe wollte von Anfang an wachsen, einen Anknüpfungspunkt für die Förderung junger Kunst in Graz liefern und hat deshalb auf die Vernetzung in der Grazer und der Internationalen Kunstszene gesetzt. Das erste Atelier war in der Idlhofgasse 87, eine Galerie betreibt der Verein immer noch im Gries. Dieses Atelier, das jahrelang eine Konstante in der Geschichte des Vereins war, war jedoch mit einem Problem verbunden. Es war eine Werkstatt und kein Ausstellungsraum, sodass größere Ausstellungen in der DesignHalle oder der früheren BAN, einem ReUse-Betrieb in der Ungergasse, stattfanden. Anschließend war der Verein für kurze Zeit in einer Ausstellungshalle in Reininghaus. Der letzte Umzug fand schließlich in die neue Werkstatt in Eggenberg statt.

Do it yourself“ als Konzept

Der Rote Keil legt großen Wert darauf, dass sich die Mitglieder ehrenamtlich engagieren. Man möchte auf eigenen Beinen stehen und nicht komplett von Fördergeldern durch Stadt und Land abhängig sein. Für den Umzug in die neue Werkstatt bedeutete das vor allem eines: noch mehr Arbeit. Ursprünglich war das Gebäude eine Fabrik, in der Sägeblätter hergestellt wurden. „Als wir hierher gezogen sind, war alles von einer dicken, schwarzen Ölschicht überzogen. Alleine das Saubermachen hat zwei komplette Wochen gedauert, danach haben wir noch selbst Stromleitungen verlegt“, erzählt Winkler. Das Erschließen von neuen Räumen zieht sich durch die Geschichte des Vereins. Mittlerweile hat man Erfahrung mit Arbeiten dieser Art.

Die Werkstatt bietet auch eine Schneiderei. Hier kommen alle Formen der Kunst zusammen – Foto: Daniel Ghanimi

International vernetzt

Dass man über Graz hinaus in der Kunstszene vernetzt ist, zeigt sich auch an den Ausstellungen, die der Keil in den letzten Jahren veranstaltet hat. Unter dem Titel „Camps, (In)justice, and Solidarity in the Americas” fand letzten Mai eine Ausstellung statt, auf der anlässlich des 20. Jahrestages der Gründung des Gefangenenlagers in Guantanamo Bay Kunstwerke von Insassen gezeigt wurden. In den USA war mehrmals versucht worden, eine solche Veranstaltung durchzuführen, doch da das Thema zu kontrovers war, war das nicht möglich.  2021 durfte Illya Pavlov ausstellen, ein ukrainischer Grafiker und Künstler, der in Graz lebt, an der FH unterrichtet und  unter anderem für seine Plakatdesigns bekannt ist. Im gleichen Jahr stellte auch der syrische Künstler Ramadan Hussein unter dem Titel „Der Tanz mit Schmerzen“ Werke aus, die seine Flucht nach Österreich zum Thema hatten.

 

Kunst zwischen Politik und Umwelt

Auf die Frage, ob hinter dem Verein ein bestimmter politischer Ansatz steckt, antwortet Winkler: „Offiziell sind wir kein politischer Verein, auch der Name Roter Keil ist unpolitisch entstanden.“ Der Bildhauer Paul Lässer, einer der Gründer, ergänzt: „In der gelebten Praxis zeigen sich immer Schnittstellen, wo die Kunst politisch wird. Die Kunst soll ein Spiegel der Gesellschaft sein.“ Dazu Winkler: „Wichtig zu betonen ist, dass wir 20 Individuen im Verein sind.“ Jede und jeder kann seine eigenen Ideen und Vorstellungen einbringen, dem Verein eine allgemeine politische Ausrichtung überzustülpen, würde das verhindern.  Nächstes Jahr soll der Aspekt der Zeitenwende das zentrale Thema sein. „In den letzten Jahren haben wir recht spontan auf Austellungsanfragen reagiert, dieses Jahr haben wir uns ein Überthema vorgenommen, welches sowohl den Klimawandel, die politische Instabilität und die Coronakrise abdeckt.

Am Freitag, dem 27.01 2023 um 18 Uhr, findet in der Galerie (Idlhofgasse 62) unter dem Titel „Gespräche/Діалоги“ die Eröffnung der ersten Ausstellung, die unter dieses Überthema fällt, statt. Neben den Keil-Mitgliedern Belinda Winkler, Leon Podesser und Ero Teuschl werden die ukrainischen Künstler:innen Anton Tkachenko, Olha Babak und Anton Malynovskyi dort ihre Kunstwerke ausstellen.

Zum Thema Klimawandel sagt Lässer: „Mitunter werden im Kunstbetrieb sehr viele Ressourcen aufgewandt für Ausstellungen, die Klimaproblematiken thematisieren. Wir im Verein können dadurch, dass räumlich alles in der Werkstatt zusammenläuft, und so viele Gewerke beisammen sind, recht nachhaltig agieren.“ Das Vermeiden langer Lieferwege für Materialien gehört genauso zum Konzept wie Recycling und Reuse: „Was einer nicht mehr brauchen kann, kann vielleicht einer von den neunzehn anderen nutzen.“

 

Titelbild: Studio des Roten Keil – Foto: Kunstverein Roter Keil

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