Der Schiedsrichter Elvedin Beganovic.
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Covid-19 zeigt auch den Schiedsrichtern die Rote Karte

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Der Ball ruht, das Pfeiferl bleibt still. Anfang Mai 2021 wurde endgültig entschieden, dass die Fußballsaison in den steirischen Unterligen nicht fortgesetzt wird. Während diese Entscheidung viele fußballbegeisterte Frauen und Männer hart trifft, wird oft vergessen, dass auch Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen die Ausübung ihres Hobbys vermissen.

Elvedin Beganovic spricht ruhig und bestimmt. Immer wieder schweift sein Blick hinunter auf die Mur, an deren linkem Ufer er seit sieben Jahren wohnt. Damals kam er zum Studieren von Bosnien nach Graz, inzwischen fühlt er sich hier sehr wohl. Im Gespräch mit der Annenpost spricht er über die aktuelle Situation, sein ungewöhnliches Hobby und darüber, wie er sich durch das Pfeifen leichter integriert hat.

Annenpost: Die Liga wurde nun endgültig abgebrochen. Wie groß ist die Enttäuschung bei dir als Schiedsrichter?

Elvedin Beganovic: Die Enttäuschung ist natürlich sehr groß, wir hätten uns alle gefreut, endlich wieder auf dem Platz zu stehen.Vielleicht ist es aber auch besser so, denn das Risiko sich anzustecken besteht immer noch und so vermeiden wir unnötiges Chaos mit Quarantäne und so weiter. Ich bin jetzt einfach froh, endlich Bescheid zu wissen.

Elvedin, als Schiedsrichter kann man es, unabhängig von der Sportart, meistens niemandem Recht machen. Fast wie ein Boxsack, auf den jeder einprügelt, um von eigenen Fehlern abzulenken. Warum in aller Welt macht man das freiwillig?

Das ist eine gute Frage (lacht). Bei mir war es so: Nachdem ich 2014 von Bosnien nach Graz gezogen bin, um an der TU Informatik zu studieren, wollte ich in der Freizeit irgendetwas mit Fußball machen. Ich habe in Bosnien als Kind und Jugendlicher lange und gerne Fußball gespielt, habe aber gesehen, dass ich es hier in Graz als Fußballer wahrscheinlich nicht mehr weiter als in die Gebiets- oder Unterliga bringen würde. Als Schiedsrichter sah ich da mehr Aufstiegschancen.

Hat dich also der Ehrgeiz gepackt?

Ja! Wenn ich etwas mache, dann gebe ich immer hundert Prozent und will das Maximum erreichen. Diese Chance sah ich im Fußball nicht mehr und doch wollte ich mich nicht ganz vom Fußballplatz zurückziehen. Mit dem Pfeifen habe ich mit zwanzig begonnen, da hatte ich eigentlich noch gute Chancen, weiter aufzusteigen. Deswegen habe ich mir damals ein Ziel gesetzt: Ich will alles tun, um irgendwann in der Bundesliga oder mindestens Regionalliga zu pfeifen.

Wie sehr hat dich die Corona-Pandemie in deinem Vorhaben zurückgeworfen?

2020 habe ich in der Unterliga gepfiffen. Generell muss ein Schiedsrichter eine fast makellose Leistung über die gesamte Saison bringen, um eine Liga aufzusteigen. Wer sich für die Bewertungsgruppe anmeldet, bekommt pro Saison vier versteckte Spiel-Beobachtungen. Diese werden dann jeweils benotet und man bekommt Punkte. Wenn es um den Aufstieg geht, zählt der Punkteschnitt. Mit dem Abbruch der Saison werden die heurigen Bewertungen wahrscheinlich nicht zählen und ich werde auch nächstes Jahr in der Unterliga pfeifen.

Die Schiedsrichter-Karriere hat mir sehr beim Deutsch lernen geholfen, es war meine Praxismöglichkeit.

Wie schwierig war es für dich, auf dem Platz eine Fremdsprache zu sprechen?

Sehr schwierig, am Anfang war es manchmal der blanke Horror. Mein Deutsch war einfach schlecht. Als ich nach Graz kam, besuchte ich zwar ein Jahr lang einen Deutschkurs, da lernte ich die Grammatik und die Theorie, aber im täglichen Leben braucht man die Umgangssprache. Deshalb hat mir die Schiedsrichter-Karriere sehr viel geholfen, denn es war meine Praxismöglichkeit. Dort musste ich Deutsch sprechen, mich klar ausdrücken und mich anstrengen. Anfangs war es zwar schwer auf dem Feld, aber mit der Zeit habe ich mein Deutsch deutlich verbessert.

Kann man bei dir von Integration durch die Schiri-Karriere sprechen?

Ja, ich glaube schon. Ich habe besser Deutsch gelernt, habe viel Kontakt mit Menschen gehabt, viele neue Menschen kennengelernt und vor allem sehr viel Selbstvertrauen gewonnen.Vor vier Jahren hätte ich dieses Gespräch nie führen können und wollen. Inzwischen fühle ich mich in Österreich sehr wohl, weil ich viele Menschen kenne, die Sprache verstehe und spreche und hier arbeiten und studieren kann. In Zukunft möchte ich in Österreich bleiben und hoffe, dass ich im Mai die Staatsbürgerschaft erhalte.

Wer schon öfter auf einem Fußballplatz war, der weiß, wie emotional, ruppig und hektisch es manchmal zugeht. Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten braucht man als Schiedsrichter?

Als Schiedsrichter ist es extrem wichtig eine gewisse Ruhe zu haben, man sollte gut mit stressigen Situationen umgehen können. Das erleichtert einem, in hektischen und schwierigen Momenten unbeeinflusst eine Entscheidung zu treffen. Zudem sollte man mutig sein, keine Angst haben und gut kommunizieren können. Die richtige Kommunikation auf dem Feld ist sehr wichtig. Damit vermeidet man, dass einem Spiele aus der Hand gleiten. Ich sage immer, man muss als Schiedsrichter seine Entscheidungen gut „verkaufen“, auch wenn man mal etwas übersehen hat. Und natürlich braucht man eine dicke Haut, man darf im Spiel nicht immer alles ernst nehmen – Emotionen gehören dazu.

Was glaubst du, wie wird man zu einem guten Schiedsrichter oder einer guten Schiedsrichterin?

Da spielen meiner Meinung nach drei Faktoren eine Rolle: Training, Erfahrung und Mut. Fitness, Regelkenntnis und Auftreten kann man trainieren. Ich zum Beispiel habe oft vor dem Spiegel die Ansprache an einen Trainer oder einen Spieler trainiert. Aber um ein richtig guter Schiedsrichter oder eine gute Schiedsrichterin zu werden, braucht man vor allem viel Erfahrung. Mit der Zeit und der Routine wird man immer selbstbewusster und kann ein Spiel mit viel Ruhe und Selbstvertrauen leiten.

Elvedin als Linienrichter
Elvedin als Linienrichter

Es gibt im Fußball leider immer wieder rassistische Anfeindungen. Ist dir schon einmal so etwas in der Art passiert?

(überlegt) Eigentlich hatte ich bisher relativ wenige negative Erfahrungen. Das hängt natürlich auch immer vom Spiel ab, das man pfeift. Ich erinnere mich eigentlich nur an einmal, da habe ich ein wichtiges Derby gepfiffen und die Fans waren ziemlich unzufrieden mit einigen meiner Entscheidungen und haben begonnen „Scheiß Jugo, geh wieda ham“ zu schreien. Das tut dann schon weh und ist nicht gerade angenehm. Aber ich habe versucht, das Spiel mit meiner Linie durchzuziehen und mich nicht zu sehr davon beeinflussen zu lassen.

Ab wann muss man in solchen Situationen reagieren?

Man muss abwägen und darf es nicht zu sehr an sich heranlassen, denn es kommt aus der Emotion des Spiels heraus. Aber wenn es eine gewisse Grenze überschreitet, muss man natürlich auch handeln. Bei mir ist es noch nie so weit  gekommen. Ich habe eine ziemlich dicke Haut und versuche mich voll und ganz auf meine Leistung zu konzentrieren.

Wie bereitest du dich auf die nächste Saison vor?

Ich gehe sowieso immer laufen, intensiv vorbereiten werde ich mich dann ab Juli, August. Denn nächstes Jahr will ich endlich den Aufstieg schaffen.

 

Titelbild: Friedrich Hainz

 

Redseliger und geselliger Südtiroler Zeitgenosse, mit einer Leidenschaft für die Berge, Borussia Dortmund und schlechte Sprüche. Ich begegne den Turbulenzen des täglichen Lebens gerne mit einer Portion Humor und Gelassenheit. Wenn ich Latein gehabt hätte, wäre ich 5-sprachig und diese Biografie würde noch mit einem weisen Spruch enden.

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