Oma schenkt mir nichts zu Weihnachten

Lesezeit: 3 Minuten
Ein Viertel aller Pensionistinnen im Annenviertel ist von Altersarmut betroffen. Mit den Spenden des Charity-Adventmarkts hilft die Evangelische Kreuzkirche auch in diesem Jahr Frauen in Not.

dsc08126_zugeschnitten_bearbeitet
Alles ist festlich geschmückt. Foto: Julia Putzger

Zwischen den festlich geschmückten Säulen stehen die kleinen Verkaufstische eng nebeneinander. Die kräftigen Tannenzweige, die jeden Stand schmücken, wirken wie ein Tor in eine andere Welt. Wer hindurchgeht, kann auf den weißen Tüchern Kostbarkeiten aller Art bestaunen. Kunstvoll verzierte Lebkuchen, Bienenwachskerzen oder hausgemachte Marmeladen, es gibt überall etwas Besonderes zu entdecken. Das gilt nicht nur für die Waren, sondern für den gesamten Raum. Ein Weihnachtsmarkt mitten in einer Kirche ist schließlich nicht etwas, das man alle Tage zu Gesicht bekommt.

Eine von Vier
Bis zum 11.12.2016 bietet sich die Gelegenheit, den Charity-Adventmarkt Tannenduft und Engelshaar in der Evangelischen Kreuzkirche zu besuchen. Mit den Spenden, die am Adventmarkt gesammelt werden, unterstützt die Kirche das von ihr ins Leben gerufene Projekt Eine von Vier. Dieses setzt sich für Frauen ein, die von Altersarmut betroffen sind. Im Annenviertel sind das laut Zahlen der Evangelischen Kreuzkirche und des Grazer Armutsberichts 24 Prozent der Pensionistinnen, betroffen sind meist alleinstehende Frauen.

„Diese Frauen haben ihr Leben lang nicht weniger gearbeitet als manche andere auch, aber schlittern dann aus einer unverdienten Situation in diese Armut“, erzählt Pfarrer Paul Nitsche. Er sieht den Hauptgrund für Altersarmut darin, dass viele Frauen im Bereich der Familienarbeit tätig waren und sich um Kinder und Angehörige kümmerten. „Die Frauen der letzten, vorletzten Generationen sind diejenigen, die unsere Gesellschaft und den Wohlstand mit aufgebaut haben, fallen aber damit sozusagen aus dem Sozialsystem heraus, weil sie nur eine ganz geringe Pension bekommen.“

„Diese Frauen haben ihr Leben lang nicht weniger gearbeitet als manche andere auch, aber schlittern dann aus einer unverdienten Situation in diese Armut.“

dsc07998_bearbeitet
Für Pfarrer Paul Nitsche ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. Foto: Julia Putzger

Hilfe vor Ort
Seit 2012 unterstützt die Evangelische Pfarrgemeinde deswegen mit dem Projekt Eine von Vier Betroffene in ihrer unmittelbaren Umgebung. Das sei aber gar nicht so einfach, meint Pfarrer Nitsche. „Die meisten dieser Menschen genieren sich für ihren Zustand. Sie kommen nicht her und sagen ‚Bitte, ich brauch ein Geld!‘ “ Häufig werde man erst durch Dritte auf jemanden aufmerksam und probiere dann, den Kontakt aufzunehmen. Hier engagiert sich vor allem Iris Kaps – sie besucht die Betroffenen zu Hause und versucht, im Gespräch herauszufinden, wie man am besten helfen kann.

„Die meisten dieser Menschen genieren sich für ihren Zustand. Sie kommen nicht her und sagen ‚Bitte, ich brauch ein Geld!'“

„Meistens sind das Frauen, die mit der Mindestsicherung leben müssen. Wenn eine unerwartete Rechnung zu bezahlen ist oder zum Beispiel neue Winterschuhe gekauft werden müssten, dann kann es vorkommen, dass sie dafür einfach kein Geld haben“, erzählt Kaps. Dennoch bedeutet Hilfe nicht nur finanzielle Unterstützung. Oft sei es schon genug, wenn man beispielsweise gemeinsam den Heizkostenantrag der Stadt Graz ausfülle. „Wir arbeiten sehr vernetzt, manche Anfragen können wir an größere Fonds wie zum Beispiel Steirer helfen Steirern weiterreichen. Damit geben wir kein Geld aus, aber den Leuten ist trotzdem geholfen“, erklärt Nitsche.

Mehr als nur ein Adventsmarkt
Ein großes Netzwerk hat sich mittlerweile auch rund um den Adventmarkt selbst gebildet. Die ehrenamtlichen HelferInnen sind schon Wochen im Voraus beschäftigt, für Besucher ist Tannenduft und Engelshaar bereits ein jährlicher Fixtermin, die VerkäuferInnen sind oft schon mehrere Jahre dabei. Von vornherein sagen die HändlerInnen einen kleinen Spendenbetrag zu, viele sind aber selbst so begeistert von der Idee des Projekts und der Atmosphäre des Markts, dass sie gerne mehr geben. Die BesucherInnen werden am Eingang um eine freiwillige Spende gebeten.

dsc08074_bearbeitet
Manche StandbetreiberInnen basteln das ganze Jahr über für den Adventmarkt. Foto: Julia Putzger

Zusätzlich zum Verkauf von Kunsthandwerk und dem gemütlichen Beisammensein gibt es jeden Abend ein besonderes Programm: Konzerte, Jugendgottesdienste, Kabarett und am 3. Adventwochenende ein Krippenspiel. Denn die evangelische Kreuzkirche hat in diesem Jahr die ehrenvolle Aufgabe bekommen, den Weihnachtsgottesdienst, den der ORF 2 am 24.12. um 19.00 Uhr ausstrahlt, zu gestalten. „Wir mussten uns entscheiden, ob wir nicht schon mit dem Adventmarkt genug zu tun haben. Wir haben uns aber auf Grund dessen, dass wir auf das Projekt aufmerksam machen wollen, dafür entschieden“, erzählt Pfarrer Nitsche über die Vorbereitungsarbeit.

Trotz all der guten Vorsätze und Werte hinter dem Projekt, bleibt der Adventmarkt eine Gratwanderung. Eine Kirche auszuräumen, um darin einen Markt zu veranstalten, davon konnten die Organisatoren auch in der Pfarrgemeinde selbst nicht alle überzeugen. Pfarrer Nitsche betont jedoch, dass die Nächstenliebe ganz klar im Vordergrund stehe und man keinesfalls auf Gewinn aus sei. Das Geld, jährlich etwa 3.000 bis 4.000 Euro, komme ausschließlich dem Projekt Eine von Vier zu Gute.

dsc08019_bearbeitet
Die Kulisse dieses Adventmarkts ist eine ganz besondere. Foto: Julia Putzger
[box]Der Charity-Adventmarkt Tannenduft und Engelshaar hat von Freitag 2.12.2016 bis Sonntag 4.12.2016 und von Donnerstag 8.12.2016 bis Sonntag 11.12.2016 geöffnet und findet in der Evangelischen Kreuzkirche am Volksgarten, Mühlgasse 43, statt.

Die Evangelische Kreuzkirche freut sich auch über zusätzliche Unterstützung für das Projekt Eine von Vier: Diakonie Austria, IBAN: AT49 2011 1287 1196 6399, Verwendungszweck: Eine von Vier[/box]

Egal ob beim Klettern, Skitouren oder Wandern, Julia findet man fast immer draußen. Die Vorarlberger Berge sind ihr die liebsten, aber als weltoffene Person geht sie auch gerne auf Entdeckungstour. Apropos Vorarlberg: Gewisse Verständnisprobleme bezüglich des Dialekts werden wohl immer bestehen bleiben...

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

fünfzehn + fünf =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Handballeuphorie in Graz

Nächste Geschichte

What’s up, Mr.Jones?

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN