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Ein Abend im Volksgarten

in VIERTEL(ER)LEBEN von
Wenn es dunkel wird, scheint er außer Kontrolle zu geraten – der Volksgarten. Wo vor ein paar Stunden noch Kinder gespielt haben, werden nun kleine Pakete getauscht, hört man. Aber wen trifft man wirklich , wenn man nach Einbruch der Dämmerung noch einen kleinen Spaziergang im Park macht?

Volksgarten

Zwei Männer kommen mir entgegen, als ich an diesem Abend den Park betrete. Einer mit ledernem Ball unterm Arm, der andere mit einem kleinen Jungen an der Hand. Auch die Skater von der Rampe packen zusammen – es dämmert im Volksgarten. Familien und Spaziergänger räumen den Park. Schon nach ein paar Schritten das klassische „Hey Blondi, brauchst du was?“

„Can I sit with you?“

Ich setze mich auf eine der Bänke neben dem Kinderspielplatz. Mittlerweile sind fast nur noch junge Männer in kleinen Gruppen im Park. Sie mustern mich und ich fange an, mich etwas unwohl zu fühlen. „Can I sit with you?“ Ein junger Mann, dunkle Haut und noch viel dunklere Augen, steht vor mir. Das pinke Hemd eine Spur zu weit aufgeknöpft, um den Hals baumelt eine silbern glänzende Kette. Umständlich steigt er von seinem Fahrrad. Er hat gesehen, wie ich auf der Bank sitze und schreibe, das habe ihm gefallen.

Denn auch er lese gerne. Romane, am liebsten Fantasy. Aber auch in der Zeitung lese er viel, vor allem über den Krieg. Das interessiere ihn besonders, denn in seiner Heimat, Nigeria, herrscht Krieg. Aber nicht der herkömmliche Krieg, vor allem Krieg gegen den Terrorismus im eigenen Land. Die Terrorgruppe Boko Haram sei besonders gefährlich, erklärt er. Seine Familie ist noch in Afrika. Seit mittlerweile 7 Monaten lebt er in Graz. Alleine. Oft fühle er sich hier einsam.

An Gott hat er noch nie gezweifelt

Auf die Frage, wie der junge Afrikaner in Graz gelandet sei, lächelt er und sagt: „Komisch, bis jetzt hat mich das noch niemand gefragt.“ Aber die Antwort sei einfach, Gott hätte es so gewollt und an Gott hat er noch nie gezweifelt. Auch nicht, wenn er um sein Leben laufen musste. In Graz wohnt er mit ein paar anderen Männern zusammen in einer Wohnung um die Ecke. Abends komme er oft in den Park um nachzudenken oder Freunde zu treffen.

„Very jealous“ ist er auf seinen Mitbewohner. Der hat ein Mädchen aus Italien gefunden, das er in zwei Wochen heiraten würde. Aber bei ihm, immer hätten alle schon einen Freund. Doch er ist sich sicher, Gott hat noch große Pläne für ihn. Er erzählt, er sei noch auf der Suche nach einer passenden Kirche in der Stadt. Ich erzähle ihm von der St Andrä Kirche, gleich um die Ecke. Mit ernstem Blick sagt er: „Das werde ich mir merken, das klingt gut.“ Dann verabschieden wir uns mit einem Handschlag. Er fragt, ob ich mal wieder komme. Klar, sage ich.

 

Wenn Eva nicht gerade im Annenviertel recherchiert, steckt sie ihre Nasen am liebsten in Bücher, geht ins Theater oder verreist. In ein paar Jahren wahrscheinlich in Berlin anzutreffen.

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