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Lend: Ein Blick hinter die Kulissen des ehemaligen Rotlichtviertels

in Allgemein/SOZIALES von

Puffs, Bars und Nachtclubs: Der Lend war lange Zeit als das Grazer Rotlichtviertel bekannt. Ex-Bordellbesitzer Karl Rupp schloss seine letzte Institution 2017. Er und seine langjährige Kellnerin und “Puffmama” Roswitha Käfer berichten über ihre Zeit hinter den Kulissen des Rotlichtmilieus.

Von Melissa Kautsch, Tabea Jonke & Bianca Klein

„Mein Umfeld war davon am Anfang gar nicht begeistert“, erzählt Karl Rupp über die Pacht des Bordells „Baccara“ im Jahr 1982. Nach seinem ersten Kontakt mit der Rotlichtszene als Portier auf der Reeperbahn in Hamburg, zog er nach Österreich, die Heimat seiner Mutter. Dort stieß er nur zufällig auf den leerstehenden Nachtclub in der Mariahilfer Straße im Lend. Noch immer wird die Markise des Gebäudes von dem falsch geschriebenen “Nigth Club”-Schriftzug geziert, über dessen Herkunft Karl Rupp und seine früheren Mitarbeiter:innen sich bis heute uneinig sind.

Die bekannte Markise des damaligen Baccara „Nigth Club“. – Foto: Melissa Kautsch

Nachdem das Baccara schnell großen Zulauf fand, eröffnete Rupp weitere Nachtclubs, darunter das St.Pauli. Einen Türsteher brauchten seine Bordelle nie, denn durch Rupps Erfahrungen als Hobby-Boxer und seine treuen Hundebegleiter Kanto und Urs war er “sein eigener Rausschmeißer”. Dabei kam es mehrmals zu physischen Auseinandersetzungen, die einmal im Nasenbeinbruch eines Konkurrenten endeten. “Einen Pelzmantel hatte ich nicht nötig”, meint er, denn der Respekt von Zuhältern und Viertelbewohner:innen sei ihm auch ohne gesichert gewesen.

Die Frauen, die in seinem Bordell arbeiteten, wechselten stetig, waren zwischen 19 und 56 Jahren alt und stammten aus Ländern wie Ungarn, Bulgarien oder der Slowakei. Das Alter spielte bei der Nachfrage von den Kunden nur eine geringe Rolle, denn um möglichst viele Getränke an den Mann zu bringen und an “Jobs” zu kommen, war besonders die Kommunikation entscheidend. „Die Mädchen waren anfangs oft sehr schüchtern, als sie mich um eine Arbeit gebeten haben. Mit Liebe hatte das alles nichts zu tun. Sie waren einfach verzweifelt und brauchten Geld“, erzählt Rupp. Die Situation mancher junger Frauen machte ihn zwar betroffen, seine Institutionen betrieb er dennoch. Der Ex-Bordellbesitzer betont, er habe eigentlich “nur die Zimmer vermietet”. Rupps Aufgaben fokussierten sich vor allem auf die Verwaltung und Instandhaltung der Gebäude und darauf, in den Etablissements nach dem Rechten zu sehen. Rupp arbeitete nicht regelmäßig im Bordell, anders als seine treueste Mitarbeiterin Roswitha Käfer. Sie stand hinter der Bar und viele Gäste kamen nur vorbei, um mit ihr zu plaudern. Käfer begleitete ihn 35 Jahre lang und führt heute ihre eigene Bar „Roswitha’s Treff“ in der Josefigasse.

Die „Puffmama“

Roswitha Käfers Arbeit als Kellnerin im Rotlichtmilieu war anfangs hart. Um das  durchzustehen, müsse man “Augen und Ohren vor Allem“ verschließen. „Das Schlimmste war für mich der Zimmerservice. Die ganzen Nackten waren schwer zu verdauen”, erzählt Käfer. Sie selbst empfand das Klientel der Bordelle allerdings “angenehmer” als in regulären Lokalen, da die Gäste genaue Vorstellungen von ihrem Besuch gehabt hätten. Konnten ihre Wünsche nicht erfüllt werden, fielen sie selten negativ auf, sondern machten Platz für weitere Kundschaft. Mit dem Geschäft mit der “Liebe” sei schon immer eine gewisse Doppelmoral mitgeschwungen, denn obwohl jene Dienstleistungen ziemlich verrufen sind, gibt es sie nur, weil auch genügend Nachfrage besteht.

Am liebsten kellnerte Käfer im Baccara, wo sich die dort arbeitenden Mädchen jederzeit an sie wenden konnten. “Bei mir hatten sie immer eine Schulter zum Ausweinen und ich bin auf fast alle Arzt- und Krankenhausbesuche mitgegangen. Da war ich so etwas wie die Puffmama.” Besonders die Zuhälter der jungen Damen sorgten oft für Probleme. Sie misshandelten die Mädchen nicht nur physisch, sondern machten sie auch finanziell vollständig abhängig. “Es kam schon mal vor, dass ein Zuhälter anrief und zu seinem Mädchen sagte, er bräuchte in zwei Stunden 10.000 Schilling. Dann musste sie halt schlucken oder später die Schläge kassieren”, beschreibt Käfer. Täglich war sie mit Unterdrückung und Gewalt konfrontiert. „Das war schon hart”, sagt sie rückblickend. “Trotzdem würde ich es wieder machen“, denn das Arbeitsklima sei sehr offen gewesen und sie hätten bei der morgendlichen Abrechnung zusammen viel gelacht. “Wir hatten untereinander eine gute Zeit”, meint Käfer und lächelt.

Heutzutage werden die Räume der ehemaligen Bordelle von Bar-Betrieben genutzt. In den Lokalen lassen sich sogar noch ein paar der damaligen Einrichtungsstücke finden, wie die roten Sitzbänke des Baccaras im Noël und die Stripstange des St.Pauli, heute das Ginger, welches 2017 als letztes von Rupps Etablissements schloss.

Die Stripstange des ehemaligen St.Pauli im heutigen Ginger. – Foto: Tabea Jonke

Geboren 2004 Nähe Freising in Deutschland und seit 2010 in Österreich. Schreibt eigentlich schon immer gerne und durch das Journalismus & PR Studium an der FH Joanneum Graz auch ziemlich viel. Hat milde Informatik-Kenntnisse, die werden aber eher nicht so gerne eingesetzt.

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