Im Sommer eröffneten Anastasiia Smoliana und Serhii Terokhin am Grieskai das Café „Guten Morgen“. Wie es das aus der Ukraine geflüchtete Paar schaffte, sich ohne Unterstützung ein neues Leben in Graz aufzubauen.
Von: Anna Stocker, Anna Stoppacher und Leonie Strametz
Beim Betreten des von außen unscheinbaren Cafés fällt der Blick zuerst auf das frische Gebäck in der Vitrine. Es duftet nach Kaffee, den Köstlichkeiten aus Blätterteig, die Anastasiia Smoliana in der Küche backt, und generell nach einem “Guten Morgen”. Vielleicht auch ein wenig nach der Ukraine. Und hinter der Theke wartet Serhii Terokhin darauf, die Wünsche der Kundinnen und Kunden zu erfüllen.
Serhii Terokhin und seine Frau Anastasiia Smoliana kommen aus Odessa, einer Millionenstadt am Schwarzen Meer im Süden der Ukraine. Sie führte ein Café, er verdiente sein Geld als Jurist. Seit Russland im Frühjahr 2022 seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, wurde auch Odessa Ziel tödlicher Luftangriffe. Aufgrund der starken Bombardierung in ihrer Heimat beschlossen sie, ihren gesamten Besitz zu verkaufen, ihr altes Leben zurückzulassen und zu flüchten.
Ein neues Leben in Graz
Seither hat sich das Leben des Paares radikal verändert. Gemeinsam mit ihren Eltern und anderen Verwandten kamen sie nach Österreich, nur die Tochter blieb in der Ukraine, und bezogen eine kleine Wohnung in Brodersdorf im Osten von Graz. Um diese zu finanzieren, benötigten sie Geld. Doch mit der Flucht nach Österreich verlor Serhii nicht nur sein Zuhause, sondern auch seinen Status – das einst hart erarbeitete Diplom als Jurist wird in Österreich nicht anerkannt. Somit besteht für ihn keine Möglichkeit, seinem früheren Beruf nachzugehen.
So wie ihm gehe es den meisten Geflüchteten der Ukraine, die mit einer höheren Ausbildung nach Österreich gekommen sind, erzählt Serhii aufgebracht. Wer in der Heimat Medizin oder Rechtswissenschaften studiert hat, muss seinen Abschluss nostrifizieren lassen. Jemand der putzt, jemand der am Bau arbeitet oder in der Gastronomie tätig ist, habe es in dieser Hinsicht oft einfacher.
Ein eigenes Café als Lösung
Da es mit der Anerkennung des Studiums nicht klappte, fassten die beiden den Beschluss, ein Café zu eröffnen. Aufgrund der günstigen Miete entschieden sie sich für den Grieskai. Ohne jegliche öffentliche Unterstützung verwandeln sie eine „Ruine“, so beschreibt es Serhii, in ein kleines Café, welches das Paar „Guten Morgen“ nennt. „Der Name war meine Idee“, sagt Serhii Terokhin mit einem Lächeln. Nur den Cola-Kühlschrank bekamen sie geschenkt. „Wir wollen den Österreichern nicht im Nacken sitzen“, erzählt er und meint damit, niemandem zur Last fallen zu wollen. Obwohl das Geld knapp ist. “Wir hoffen auf bessere Zeiten.”
Die Arbeit ist hart – täglich verbringen die beiden bis zu 18 Stunden in ihrem Betrieb. Backen Zwetschkenkuchen und Marillentaschen sowie traditionelles Gebäck aus der Heimat. Zusätzlich bieten sie mittags ein warmes Drei-Gänge-Menü um unschlagbare 9,90 Euro an. Das freut ukrainische wie österreichische Gäste. Besonders die Spezialitäten, die Serhii der Einfachheit halber “Langos” nennt, und Baklava kommen sehr gut an.
Titelbild: Serhii Terokhin vor der reichlich gefüllten Vitrine – Foto: Anna Stoppacher