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Radfahren in der Annenstraße: beliebt, aber riskant

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Der Weg vom Grazer Hauptbahnhof in die Innenstadt stellt für Radfahrer:innen eine Gefahr dar, da die Annenstraße stadteinwärts trotz Straßenbahnen und Autoverkehr keinen Radweg hat. Wie schätzen Radfahr-Expert:innen die Situation ein, wie sehen konkrete Lösungsansätze aus und verbessert die StVO-Reform etwas?

Dienstag, 17:00 Uhr: Die Annenstraße ist voller Leben. Autos sowie Bims fahren und Menschen warten an Haltestellen oder gehen daran vorbei. Für Radfahrer:innen, die stadteinwärts unterwegs sind, ist das ein totaler Slalom-Parcours. Für sie gibt es nämlich keinen Radweg und sie müssen somit entweder in der Straßenbahntrasse auf der Straße fahren oder sich durch die Menschenmenge direkt bei der Haltestelle schlängeln. Beide Optionen sind weder sicher noch wirklich attraktiv für sie.

Nicht alle Radler:innen sind gleich

Jürgen Reinsperger kennt diese Probleme als Betreiber der Fahrradwerkstatt Banana Bikes, die mitten in der Annenstraße angesiedelt ist. Er findet, dass Radfahrer:innen nicht als homogene Gruppe betrachten werden dürfen. Deshalb unterscheidet er zwei Gruppen. Eine sieht das Rad als Freizeit- oder Alltagsgerät und fürchtet sich vermutlich, auf Straßen ohne Radwege zu fahren. Die anderen sind in den Medien als „Kampfradler:innen“ bekannt. Sie haben kein Problem damit, sich im Verkehr den ihnen zustehenden Platz zu nehmen.

Vor allem die erste Gruppe würde sich laut Reinsperger in der Annenstraße nicht wohl fühlen, was größtenteils an der Platzverteilung auf der Straße liege. Seit der Umgestaltung 2013 bietet sie für Autos und Öffis in der Breite rund neun Meter Platz. Die beiden Gehsteige sind laut Reinspergers Messungen insgesamt acht Meter breit. Für Radfahrer:innen bleiben da weniger als zwei Meter übrig, bekanntermaßen zu wenig für zwei Streifen, sodass nur der eine stadtauswärts existiert. Reinsperger nennt den baulich nicht von der Straße getrennten Abschnitt „Todesstreifen“. „Es gibt einfach zu wenig Platz für die individuellen Gruppen und für die Autofahrer:innen halt überdurchschnittlich viel Platz“, meint der Fahrradtechniker.

Jürgen Reinsperger vor seiner Werkstatt Banana Bikes. – Foto: Nicole Ivanova

Radweg statt Autospur

Eine Lösung der Radlobby ARGUS Steiermark wäre es, nun auch die verbliebene Autospur wegzunehmen, sodass die Autos in derselben Spur wie die Straßenbahnen fahren würden. Mit einem Mal würden sich über drei Meter zusätzlicher Platz ergeben und ein Radweg stadteinwärts und -auswärts wäre möglich. Das sei in der Form vor dem Umbau 2013 auch angedacht gewesen, wurde dann aber nichts.

Dabei wäre eine Ost-West-Durchfahrt für Radfahrer:innen nötig, so Stephan Landgraf von der Radlobby: „Das wäre sozusagen das, was die Radfahrenden im Viertel bräuchten, um sich sicher und schnell bewegen zu können.“ Die Annenstraße oder Keplerstraße würden sich dafür gut eignen, aber auch Richtung Don Bosco oder Reininghaus könne ein Weg geschaffen werden.

StVO-Reform bringt neue Privilegien

Am 15. Juni wurde eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) fixiert, die das Radfahren und Zufußgehen attraktiver machen soll. So soll für Radler:innen das Rechtsabbiegen bei Rot oder das Nebeneinanderfahren möglich werden.

Die Radlobby hat dabei mitgewirkt. Stephan Landgraf sieht den nun innerorts geltenden Mindestüberholabstand von 1,5 Metern als eine der wichtigsten Änderungen. In der engen Annenstraße gebe es immer wieder Beschwerden, dass Autos zu knapp überholen würden. Die Neuerungen sollen die Sicherheit verbessern und zu wenigeren Unfällen führen, müssten aber von Autofahrer:innen ernst genommen und auch wirklich kontrolliert werden. Radfahrer:innen können den Überholabstand durch die Montierung von Sensoren auf ihrem Drahtesel auch selbst überprüfen.

Stephan Landgraf ist seit Jahren der Meinung, dass Radfahrer:innen grundsätzlich vernachlässigt werden. Bereits durch ihre schiere Anwesenheit würden Autofahrer:innen alle anderen Verkehrsteilnehmer:innen von der Straße verdrängen. Reinsperger meint auch, dass das Rad als vollwertiges Verkehrsmittel ernst genommen werden müsse. Er erhofft sich in Zukunft ein ordentliches Radnetz in Graz: „Umsetzbar ist alles, die Frage ist immer der politische Wille.”

 

Titelbild: Chaos in der Annenstraße. – Foto: Nicole Ivanova

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