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„Was stark macht, kann Gewalt bremsen“

in SOZIALES von

Am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen wird weltweit auf Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen hingewiesen. Das Gewaltschutzzentrum im Annenviertel-Bezirk Gries hilft Opfern in der Steiermark.

Kurz vor der Einvernahme am Gericht: Nach dem zweiten Betretungsverbot innerhalb weniger Monate verhängt der Richter  eine einstweilige Verfügung gegen den Ehemann – zum Schutz der Frau und vor allem auch zum Schutz der drei gemeinsamen Kinder. Der Ehemann stürmt vor dem Gerichtssaal auf seine Frau zu. Er will noch einmal mit ihr reden. Die im Rahmen der Prozessbegleitung anwesende Sozialarbeiterin weist ihn zurecht. Sie arbeitet für das Gewaltschutzzentrum. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, etwas auszudiskutieren. Für die Ehefrau ein Schlüsselmoment: Es gibt jemanden, der ihren gewalttätigen Mann in die Schranken weisen kann.

Was tun bei Gewalt?

Das Gewaltschutzzentrum Steiermark ist seit 1995 tätig. Es agiert als Schnittstelle und bietet den KlientInnen sowohl rechtliche Beratung als auch psychosoziale Betreuung. Wenn die Polizei in der Steiermark ein Betretungsverbot ausspricht, werden die Daten automatisch an das Zentrum geschickt. Die SozialarbeiterInnen und JuristInnen nehmen daraufhin Kontakt mit den betroffenen Personen auf. Opfer von Gewalt kommen auch persönlich oder erfahren von Bekannten oder Behörden vom Gewaltschutzzentrum.

Vor allem Bedrohungsmanagement fällt in den Aufgabenbereich des Gewaltschutzzentrums: Gefahren erkennen, analysieren und auf verschiedenen Ebenen gegensteuern. Das reicht vom Erstellen individueller Sicherheitspläne für KlientInnen bis hin zu juristischer Betreuung. Die Beantragung einstweiliger Verfügungen zum Beispiel, mit der das Gericht dem Täter auftragen kann, die Wohnung und deren Umfeld zu verlassen. Die Teamleiterin und Sozialarbeiterin Annemarie Siegl sagt: „Wir arbeiten unter der Prämisse, möglichst mehr Sicherheit herzustellen. Es geht nicht darum, eine Beziehung zu beenden, es geht darum, die Gewalt zu beenden.“

Annemarie Siegl (Sozialarbeiterin) im Schutzzentrum gegen Gewalt an Frauen
Seit 1998 ist Annemarie Siegl als Sozialarbeiterin im Gewaltschutzzentrum Steiermark tätig. – Foto: Anna Papst

Vor allem Frauen und Mädchen betroffen

Die große Gefahr lauert nicht auf der Straße, sondern im eigenen Umfeld. Schätzungen zufolge erlebt jede fünfte Frau in Österreich Gewalt durch einen ihr nahestehenden männlichen Angehörigen.  Die Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreuten im vorigen Jahr österreichweit über 18.000 Opfer familiärer Gewalt. 84 Prozent der Opfer waren Frauen und Mädchen. Im Gewaltschutzzentrum Steiermark haben die SozialarbeiterInnen 2018 mehr als 2.700 Personen persönlich, telefonisch oder schriftlich betreut.

Mit rund 1.200 Personen führten sie persönliche Beratungsgespräche. Wichtig sei es, die Frauen in allen Phasen zu begleiten, sagt Siegl. So sei etwa das Aussteigen aus Gewaltbeziehungen häufig sehr schwierig. Trennungen passieren oft nicht klar, sondern ambivalent. Die Frauen sind sich nicht sicher, ob sie ihren Partner wirklich verlassen sollen. Auch in diesen Fällen unterstützen die SozialarbeiterInnen und helfen, wenn etwas passiert.

Prävention von Beginn an

„Gewalt beginnt dort, wo eine Grenze überschritten wird. Wenn ich jemand anderen schädige und die andere Person nicht damit einverstanden ist“, erklärt Annemarie Siegl. Vor allem patriarchale System begünstigen Partnergewalt, von der in den allermeisten Fällen Frauen betroffen sind. „Projekte wie Heldinnen und Heroes leisten einen tollen Beitrag, um präventiv gegen Gewalt vorzugehen”, erklärt Siegl. Dabei werden mit Jugendlichen Rollenbilder  reflektiert und sensible Themen wie Gewalt angesprochen. Um Gewalt entgegenzuwirken, sollten Mädchen von Anfang an zu handlungsfähigen und selbstbewussten Persönlichkeiten erzogen werden. Finanzielle und strukturelle Unabhängigkeit spielen auch eine große Rolle. „Was schwächt, kann Gewalt fördern. Alles, was stark macht, kann Gewalt bremsen.”

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen – Aktionen im Annenviertel

Die Vereinten Nationen erklärten den 25. November im Jahr 1999 zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Der Tag bildet den Auftakt der Aktion 16 Tage gegen Gewalt. Bis zum 10. Dezember gibt es zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen. Im Annenviertel erstrahlen in dieser Zeit die Helmut-List-Halle, das Orpheum und die FH Joanneum in orangenem Licht. Im Rahmen dieser Kampagne sollen weltweit Gebäude orange beleuchtet werden, um ein Zeichen gegen die Gewalt an Frauen zu setzen.

Der Verein Frauenservice Graz veranstaltet am 27. November ab 10 Uhr im Infocafé Palaver am Lendplatz einen Thementag. Weitere Veranstaltungen finden sich im Veranstaltungskalender der autonomen österreichischen Frauenhäuser.

 

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