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Kontaktladen: Die Drogenszene im Blick

in SOZIALES von

Vor bald 20 Jahren eröffnete in der Orpheumgasse der Kontaktladen der Caritas als Anlaufstelle für drogenabhängige Menschen. Der Einrichtungsleiter Stefan Pree erzählt über Herausforderungen, fehlende Maßnahmen und von einem Notfallset, das Todesfälle durch Überdosierungen verhindern soll.

Direkt neben der Spielstätte des Orpheums geht es über einen verglasten Stiegenaufgang in den ersten Stock, wo sich der Caritas Kontaktladen befindet. Es ist eine Anlaufstelle für Drogensüchtige, die auch als Rückzugsort von der Straßenszene dient. Etwa 650 Personen betreute die Einrichtung im letzten Jahr. Das Angebot ist dabei vielseitig und reicht von der Verpflegung über Beratungsgespräche bis hin zum Tausch von Drogenbesteck, wie Spritzen oder Löffeln.

Drogen-Notfallset: Angehörige als Lebensretter

Im November 2018 startete im Kontaktladen das österreichweit erste Naloxon-Pilotprojekt, das Todesfälle durch eine Überdosis verhindern soll. Naloxon hebt die Wirkung von Opioiden – wie Heroin oder Morphin –  auf, und kann so im Notfall lebensrettend sein. Interessierte Personen erhalten im Kontaktladen eine Schulung für den Drogennotfall und anschließend ein Notfallset für zu Hause. Kommt es zu einer Überdosis, können Angehörige so schnell Hilfe leisten und durch die nasale Verabreichung des Wirkstoffes eine Erstickung verhindern. „Dennoch ist es wichtig, zuerst die Rettung zu rufen und die Person bis die Rettung eintrifft nicht alleine zu lassen“, so der Einrichtungsleiter Stefan Pree.

Ähnliche Initiativen gibt es bereits in einigen europäischen Ländern – mit Erfolg. Im ersten Monat nach einer Haftentlassung sank durch das Naloxon-Programm etwa in Schottland deutlich die Todesrate durch Opioide, wie der Europäische Drogenbericht 2017 anmerkte. Laut Pree wird das Schulungsangebot in Graz bisher relativ gut angenommen: „Wir haben alles schon erlebt – es kamen zehn Personen zu einem Termin, aber auch schon nur eine Person.“ Die Schwankungen seien für die Zielgruppe erwartbar.

Gegen die Isolation von Drogensüchtigen

Von Montag bis Freitag können die BesucherInnen im Kontaktladen essen, duschen und ihre Wäsche waschen. Zu essen gibt es klassische Gerichte wie Krautstrudel, aber auch Asia-Gemüsepfanne mit Dinkelreis oder Lachs-Lasagne. Mit Salat oder Suppe kostet das Menü nur 1,20 €. Laut Pree nehmen täglich 40-50 Personen die günstige Mahlzeit wahr: „Das Essen ist wirklich ein Renner bei uns.“ Das psychosoziale Team bietet darüber hinaus Beratungen an, etwa bei Fragen zum Konsum, zu Beziehungsproblemen oder Gewalt. Mehrmals wöchentlich sind auch eine medizinische und eine rechtliche Beratung im Haus.

Die Angebote des Kontaktladens nutzen Pree zufolge überwiegend Männer – etwa 60-75%. Um mehr Frauen anzusprechen, wurde daher mittwochs von 15.00 bis 16.30 Uhr das Frauencafé eingeführt. „Wir versuchen die Tore für weibliche Besucher zu öffnen und in dieser Zeit spezifische Frauenthemen zu behandeln – von Frauen für Frauen“, so Pree.

Zivildiener übernehmen im Kontaktladen die Essensausgabe – Foto: Isabella Deckan

Safer Use durch Spritzentausch

Über 676.300 gebrauchte Spritzensets wurden 2018 im Kontaktladen gegen sterile Sets ausgetauscht. Dadurch verringere sich das gesundheitliche Risiko für die KonsumentInnen und benutztes Material lande nicht einfach im Hausmüll. Der Grund, dass der Spritzentausch jährlich zunimmt, sei aber nicht ein steigender Konsum, sondern die gute Etablierung innerhalb der Szene. „Dass die Leute die Angebote nutzen, braucht manchmal. Ich denke was wir über die Jahre sehr gut schaffen, ist, dass wir die Menschen in der Szene erreichen“, sagt Pree.

Bekanntheit erlange das Team des Kontaktladens dabei vor allem durch die Streetwork-Einsätze im Drogenbereich. An durchschnittlich fünf Tagen pro Woche sind die MitarbeiterInnen des Kontaktladens in Graz unterwegs, darunter auch Stefan Pree als Leiter. „Mir ist der operative Anteil meiner Arbeit sehr wichtig, weil man den Job nur dann gut erledigen kann, wenn man mit dabei ist.“, so Pree. Seit über 15 Jahren ist er als Streetworker in Graz aktiv, lange Zeit im Jugendbereich, seit 2011 als Teil des Kontaktladens.

Beratungsgespräche sind in der Einrichtung immer möglich – Foto: Isabella Deckan

Konsumräume für illegale Drogen

Überwachte Drogenkonsumräume stehen in Österreich immer wieder zur Diskussion, zuletzt Ende 2018 in Innsbruck. In sechs europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, gibt es bereits solche Einrichtungen. Die Konsumräume dienen als weitere Maßnahme, damit es gar nicht zu Überdosierungen kommt und falls doch, professionelle Hilfe vor Ort ist. Für Graz entwickelte Ulf Zeder, Suchtkoordinator der Stadt, bereits 2008 ein solches Konzept. Trotz Langzeitstudien, die zeigen, dass Todesfälle durch Konsumräume deutlich zurückgehen, fand das Konzept bisher bei der Stadtregierung keine Mehrheit. Stefan Pree spricht sich für diese Maßnahme aus: „Fakt ist aber, es braucht eine politische Entscheidung, um es umzusetzen zu können.“

Generell sei es wichtig, eine breite Palette an Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten anzubieten. „So individuell verschieden die suchterkrankten Menschen sind, so verschieden und passgenau müssen auch die Lösungsansätze sein“, so Pree.

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