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1. Donnerstagsdemo: Graz auf der Straße

in POLITIK & WIRTSCHAFT von

Nach Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt fand am 29.11. nun auch in Graz die erste Donnerstagsdemo statt.

Bereits um 16.30 Uhr fanden sich an die hundert Menschen am Lendplatz, dem Startpunkt der ersten Grazer Donnerstagsdemo, ein. Von Minute zu Minute wurden es mehr. Die im Vorfeld vom Grazer Bündnis Do! prognostizierte Besucherzahl von 500 war schnell übertroffen: Bis zu 4000 Teilnehmer demonstrierten laut den Veranstaltern an diesem Donnerstagabend. Die Polizei schätzte konservativer auf 1500. In Wien, wo die Demos am 4. Oktober ihren Anfang nahmen, sollen laut den Veranstaltern diesmal 6000 Menschen dabei gewesen sein, um gegen die Politik der türkis-blauen Regierung zu protestieren, konkret ging es um das Thema Arbeit.

Die Eröffnungskundgebung

Die Minusgrade taten der Stimmung am Lendplatz keinen Abbruch. Große Boxen beschallten die Demonstranten und eine Foodsharing-Bäckerei teilte belegte Brötchen aus, um alle bei Laune zu halten. Um 17 Uhr begann die Kundgebung, die das Masala Brass Kollektiv musikalisch begleitete. Die Schriftstellerin Olga Flor und der Autor Wilhelm Droste waren die ersten der fünf angekündigten SprecherInnen, die zu Wort kamen. Flor las eine von ihr gemeinsam mit Gerhard Ruiss zum bevorstehenden 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte initiierte Erklärung der IG Autorinnen Autoren (3.11.), die mittlerweile von mehr als 200 Kollegen unterzeichnet wurde. Gegen den Ausstieg der österreichischen Regierung aus dem UN-Migrationspakt sprechen sich die Unterzeichner ebenso aus wie für “ein demokratisches, humanes und weltoffenes Österreich und Europa”.

Der in Budapest lebende Droste übt schon lange Kritik an der Politik des ungarischen Premiers Viktor Orbans, las ein Gedicht der ungarischen Lyrikerin Virág Erdös und hatte auch warnende Worte für Österreich: „Nationalismus ist das Gegenteil von Souveränität!“

Demonstranten bei der Eröffnungskundgebung am Lendplatz. - Foto: Tina Stadler
Demonstranten bei der Eröffnungskundgebung am Lendplatz. – Foto: Tina Stadler

Wie die Mitinitiatorin Lisa schon im Vorfeld der Annenpost erklärt hatte, stand die erste Donnerstagsdemo in Graz unter keinem bestimmten Motto. Die vielen verschiedenen Themen spiegelten sich in der Vielfalt des Demonstranten-Feldes wider: Senioren, Jugendliche und sogar ganze Familien nehmen teil. Für Familien mit Kindern gab es eine Familienzone, auf die zu Beginn eigens hingewiesen wurde. Bevor sich alles in Bewegung setzte, plädierten die Veranstalter noch einmal für eine friedliche Demonstration.

Der Demo-Zug

Vorbei an Christkindlmärkten und Weihnachtsbeleuchtungen ging es die geplante Route entlang, die von Polizisten eingegrenzt wurde. An den Adventmärkten in der Innenstadt durfte man, wie erwartet, nicht vorbeimarschieren. Vielleicht ein Grund dafür, dass die Demo, in 8010 angekommen, um einiges lauter wurde.

Der Demo-Zug bestand überwiegend aus Menschen, bei denen es nicht offensichtlich war, dass sie einer politischen Gruppierung angehörten. Einige hielten Schilder in die Luft, meistens um ihren Unmut über  die schwarz-blaue Regierung kundzutun: „Genug zu Kurz gekommen!“ oder „Liebe stets so, dass es Herbert Kickl NICHT gefällt!“ Doch oft auch mit universellen Botschaften: „Menschenrechte statt rechte Menschen“, hieß es zum Beispiel auf vielen Plakaten. Mit großen Bannern, Fahnen oder einheitlicher Kleidung warteten etwa die Omas gegen Rechts oder politische Vereinigungen wie die Sozialistische Jugend oder die Kommunistische Jugend auf. Ebenso wie in Wien verstehen sich die Donnerstagsdemos jedoch als überparteiliche Initiativen, Parteien sind daher als solche nicht in den Organisationskomitees vertreten.

Viele Menschen zeigen ihren Unmut gegenüber der Regierung. - Foto: Tina Stadler
Viele Menschen zeigen ihren Unmut gegenüber der Regierung. – Foto: Tina Stadler

Den ganzen Weg begleitete die Grrls DJ Crew am voranfahrenden Lautsprecherwagen die Marschierenden mit Multikulti-Musik und satten Bässen, die einige zum Tanzen oder zumindest zum Mitwippen animierten. Viele Parolen oder dergleichen gab es während der Demo nicht zu hören und so war es hauptsächlich die Musik, die die Demo antrieb.

Die Schlusskundgebung

Am viel zu kleinen Griesplatz fand die Donnerstagsdemonstration schließlich ihr Ende. Der Großteil der Teilnehmer blieb auch noch für die Schlusskundgebung, trotz der Kälte. Drei SprecherInnen nahmen an der Schlusskundgebung um 18.30 Uhr teil: die Aktionista* des Frauenvolksbegehrens Katrin Graßl, Nacha Mina-Söttner von der Plattform Menschenrechte und Solidaridad, und Betriebsratsvorsitzender von Alphanova Gerhard Zücker. In den Reden wurden Themen wie Gewalt gegen Frauen, Asylpolitik, aber auch Arbeitsrecht angesprochen. „Wir sind nicht alleine und können alles ändern!“ Damit scheint Katrin Graßl die Stimmung der Grazer Demonstranten getroffen zu haben. Es hagelte Beifall. Für die Kürzung der Mindestsicherung und den 12-Stunden-Tag gab es lautstarke Buh-Rufe. “Menschrechte sind nicht teilbar!”, sagte Gerhard Zücker, während ein #unteilbar-Schild in die Höhe gestreckt wurde.

Demonstrierende bei der Schlusskundgebung am Griesplatz. - Foto: Tina Stadler
Demonstrierende bei der Schlusskundgebung am Griesplatz. – Foto: Tina Stadler

Zuletzt bedankten sich noch zwei der Initiatoren und gaben bekannt, dass die Donnerstagsdemos in Graz weitergeführt werden. Die nächste Demonstration soll am 13. Dezember am Freiheitsplatz beginnen und diesmal unter einem bestimmten Motto stehen. Wie sich das auf die Teilnehmer und die Dynamik der Demo auswirken wird, muss sich erst zeigen.

Hasst weniges, liebt vieles und glaubt, wenn es eine höhere Macht geben würde, hätte sie mit Sicherheit Joni Mitchells Stimme.

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