© Yvonne Nickl

Ein Klassenzimmer hebt ab

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Vor dem Haus der Architektur hat sich diese Woche am Lendwirbel „das fliegende Klassenzimmer“ eingenistet. Hinter der Freiluftaktion steht eine ernste Forderung: Graz soll eine Universität für bildende Kunst bekommen.

Reges Treiben herrscht auf dem Südtirolerplatz. Kisten werden geschleppt, Tische in die richtige Position gerückt und eine schwere Walze muss in Stellung gebracht werden. Immer wieder bleiben Passanten stehen, begutachten das bereits Geschaffene und plaudern mit den Künstlern. Vier sind es an der Zahl. Harald Kraxner, Leo Rogler, Yvonne Nickl und Sylvie Leiner betreiben zusammen „das fliegende Klassenzimmer“, außerdem sind sie Schüler der Meisterklasse für Bildhauerei an der Ortweinschule. „Wir haben zwar ein Atelier an der Ortweinschule, aber das ist zu klein“, erklärt Yvonne Nickl. „Künstlerisches Arbeiten braucht einen gewissen Freiraum, der ist uns im Moment aber leider nicht gegeben.“

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Das fliegende Klassenzimmer am Südtirolerplatz. © Yvonne Nickl

Immer mehr Design, immer weniger Kunst

Der Grund, dass in Graz bildende Kunst immer weniger gefördert wird, ist für die Künstlerin Nickl schnell gefunden. „Die Kunst wird schon länger nicht mehr erkannt und anerkannt. Graz bewegt sich immer mehr in Richtung Design.“ Während auf Grazer Hochschulen ein enormes Angebot an verschiedenen Design-Studiengängen herrsche, gerieten die Bildenden Künste immer mehr ins Hintertreffen. „Die Kunstkultur geht in Graz immer mehr verloren. Wir wollen eine Universität für bildende Kunst in Graz“, betont Nickl und schlägt auf den Tisch.
Dieser Wunschgedanke stand 2012 knapp vor der Umsetzung. Die Obfrauen der StyrianARTfoundation Margret Roth und Edith Temmel setzten sich damals für eine Hochschule der bildenden Künste im Gries ein. Das perfekte Gebäude dafür war schnell gefunden, die „neue Dominikanerkaserne“ in der Grenadiergasse sollte zur Universität umfunktioniert werden. Das Gebäude wurde in der Nachkriegszeit noch als Schülerheim genutzt, steht seitdem aber leer. Auch Bürgermeister Siegfried Nagl zählte zu den Befürwortern dieses Projekts, trotzdem wurde die Idee nie umgesetzt. Wohl nicht zuletzt wegen der unbeantworteten Geldfrage, allein die Sanierung der Kaserne sollte zehn Millionen Euro kosten.
Damals wie heute befinden sich also österreichweit die einzigen Universitäten für bildende Kunst in Wien oder auch Linz. „Viele Künstler müssen Graz verlassen, weil es einfach keine passende Ausbildungsstätte für sie gibt“, meint Nickl. „Dabei ist es doch etwas Schönes, wenn man in der eigenen Stadt Kunst schafft, zur Zeit wird das aber nicht anerkannt.“

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Gemeinsam mit Passanten wird Kunst geschaffen. © Yvonne Nickl

Die Künstlergruppe nimmt in dieser Zusammensetzung zu ersten Mal am Lendwirbel Teil, nur Yvonne Nickl war schon an mehreren Projekten am Wirbel beteiligt. Dieser kam den Bildhauern ganz gelegen. Sie versuchen so oft wie möglich, von den Klassenräumen der Ortweinschule auszuweichen. „Wir wollten die Bildhauerarbeit nach außen tragen, um die Leute auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass die Bildenden Künste nicht ausreichend unterstützt werden“, so die Künstlerin. Auch wenn der Lend nicht am Wirbeln ist, versuchen die vier Bildhauer Menschen auf dieses Problem Aufmerksam zu machen. Das machen sie aber nicht als „fliegendes Klassenzimmer“, sondern als „fliegende Meisterklasse“. Die Vier Bildhauer sind Vorreiter auf ihrem Gebiet, und obwohl der Kampf für eine Hochschule der bildenden Künste manchmal ein Kampf gegen Windmühlen sein kann: ans Aufhören denkt keiner. Denn „irgendjemand muss schließlich starten.“

[box] Info:
Die Arbeit der „fliegenden Meisterklasse“ wird das nächste mal ab 17. Mai im Skulpturenpark zu sehen sein. Ihr Projekt wird dort im Rahmen des Joanneumspogramm ausgestellt.[/box]

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