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Konkurrenz bei aller Freundschaft

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2014 wurden in Österreich laut RTR Telekom Monitor 13,1 Millionen SIM-Karten genutzt – etwa eineinhalb Mal mehr als das Land EinwohnerInnen hat. Rechtfertigt das sechs Handyshops allein in der Annenstraße?
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In der Annenstraße dreht sich alles ums Handy.

Handys dienen der heutigen Generation nicht mehr nur als Handys. Sie sind Wecker, HD-Kameras, Organizer und Unterhaltungsgeräte. Auch andere Elektrogeräte wie Laptops und Computer sind nicht mehr wegzudenken. In der Annenstraße gibt es allerdings gleich sechs Elektroshops und das, obwohl der Kauf von technischen Geräten, mitunter auch wegen der zunehmenden Entwicklung der Smartphones, immer mehr ins Netz verlagert wird. Um so einen Shop führen zu können, braucht es außerdem ausreichend Startkapital und genügend Laufkundschaft. Auch nach dem Umbau ist die Annenstraße keine Fußgängerzone und „besser sind die Geschäfte trotzdem nicht geworden“, meint eine Taxifahrerin.

Die meisten Betreiber kennen ihre KundInnen.
Die meisten Betreiber kennen ihre KundInnen.

Mustafa Aydogdu von der Handyklinik in Hauptbahnhofnähe sagt, er hätte genügend Stammkunden, um über die Runden zu kommen und sich noch eine Mitarbeiterin leisten zu können. „Wenn es sich nicht mehr rentiert, sperre ich zu“, sagt er. Seit 2010 verkauft, kauft und repariert Mustafa Aydogdu Handys, Laptops und PCs in der Annenstraße. Zuvor betrieb er in Bruck an der Mur ebenfalls ein Handygeschäft. Im gläsernen Ladentisch stellt er Handys – alte wie neue – zur Schau. Die Wände sind mit Smartphone- und Laptopzubehör förmlich zugepflastert. Als eine Kundin die Handyklinik betritt, behebt Mustafa das Problem auf ihrem Handy sofort. Er kennt die Dame bereits, der Umgang ist freundschaftlich. Bei ihm stehen ganz klar der Verkauf und Reparaturen von Handys im Vordergrund. Andere Elektrogeräte zu verkaufen, sei eher „ein Bonus“.

Auch Erkan Altinbaş ist schon länger im Handygeschäft tätig. Bevor er 2010 den Handyshop Er-kann in der Annenstraße eröffnete, führte er sieben Jahre lang in Leoben einen ähnlichen Betrieb. Und auch er verkauft, kauft und repariert hauptsächlich Handys und Laptops. Die reparierten Elektrogeräte werden wieder verkauft. Bei Erkan gehören aber auch Computerspiele zum Sortiment und er wirbt sogar mit Goldankauf. „Ich kaufe nicht so viel Gold, vielleicht ein paar Gramm im Monat. Das Gold sammle und spare ich“, sagt er. MitarbeiterInnen hat Erkan keine, aber auch er lebt von seinen Stammkunden. „Ein Kunde kommt fast jeden Tag“, erzählt Erkan. Allerdings sieht er sich gegenüber anderen Handyshops etwas im Nachteil: „Andere Shops gibt es schon viel länger, deshalb ist es für mich noch schwierig. Aber wir sind alle Freunde und gute Kollegen.“

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Kleine Reparaturen werden sofort durchgeführt.

Wenn man den EU-Handy Shop von Hüseyin betritt, erkennt man kaum einen Unterschied zu den anderen Geschäften. Die Einrichtung der verschiedenen Shops mag zwar etwas variieren, dem Standard einer Filiale von großen Elektrokonzernen entspricht sie aber nicht. Auch im EU-Handy Shop sind zahlreiche Mobiltelefone, Laptops, PCs, jede Menge Kabel, Handycovers und anderes Zubehör scheinbar wahllos in Regale geschlichtet und in Schaukästen platziert. Im Gegensatz zu seinen beiden Kollegen war Hüseyin vorher als Lagerarbeiter in einer Spedition tätig. 2011 eröffnete er den Shop. „Wir bieten Ankauf, Verkauf und Reparaturen an. Vor dem Weiterverkaufen testen wir die Geräte“, sagt er. Auch der EU-Handy Shop hat seine Existenz den Stammkunden zu verdanken. Hüseyin und sein Mitarbeiter reparieren die Handys der Kunden sofort – „das zeichnet uns aus“.

Nur zwei Türen weiter das nächste Elektrogeschäft: Tornado. Sein Besitzer war lange Zeit in den USA und dort über 12 Jahre mit der Reparatur von Laptops und Handys beschäftigt. In seinem Herkunftsland Syrien brachte er Anderen bei, wie man Elektrogeräte repariert. Seit etwa drei Jahren betreibt er nun das Tornado aus Leidenschaft: „Mich interessieren alle Geräte und ihre einzelnen Teile – alte mindestens genau so wie neue.“ Der kleine Laden scheint für all die Geräte, die angeboten werden, gar nicht genug Platz zu haben. Alte und neue Handys, Video- und Fotokameras, PCs, Navis, Spiele, DVD-Player und viele Laptops stapeln sich im Geschäft. Der Betreiber hat sich auf die Reparatur von Laptops spezialisiert und unterscheidet sich dadurch von seinen Kollegen in der Annenstraße.

Das Tornado hat sich als einziger Elektroshop in der Annenstraße auf Laptops spezialisiert. Hier werden sie repariert.
Das Tornado hat sich als einziger Elektroshop in der Annenstraße auf Laptops spezialisiert. Hier werden sie repariert.

Wie zu erwarten war, ist auch er auf seine Stammkunden angewiesen,  obwohl vom Elektrofachmarkt Hartlauer immer wieder Kunden zu ihm geschickt werden. „Mir ist Ehrlichkeit sehr wichtig und das, was ich zu den Kunden sage. Viele kennen sich mit den Geräten nicht so gut aus und ich könnte für eine Reparatur viel mehr verlangen als üblich. Das mache ich aber nicht. Meine Kunden sollen mir vertrauen können“, sagt der Betreiber von Tornado. Außerdem kauft er keine vertragslosen Elektrogeräte. „Ohne Vertrag gibt es kein Geschäft“, sagt er, da er nichts Gestohlenes kaufen wolle. Eine weitere Besonderheit ist, dass er auf die Geräte und die Reparaturen eine Garantie gibt.

Die zwei weiteren Elektrogeschäfte Hey Handy und Handy Gold Shop sind wiederum mehr auf Handys spezialisiert. Mit einer Ausnahme dreht sich in der Annenstraße also alles um Mobiltelefone. Ein Geschäft, das nur durch Vernetzung und Gewinnung von Stammkunden funktioniert. Kunden sind gleichzeitig Freunde und empfehlen ihren Betreiber des Vertrauens weiter. Wenn man freundlich fragt, lässt sich auch in den meisten Shops der ein oder andere Euro runterhandeln – echtes Balkan-Feeling mitten in Graz also. Verkaufsstrategien, spezielles Marketing und ansprechende Einrichtungen zählen nicht. Viel mehr geht es um Ehrlichkeit und Handschlagqualität.

Sarah Seifzenecker (20): Die zielstrebige, aber ungeduldige Salzburgerin aus Strobl fährt Ski und Rad, klettert, läuft und praktiziert Judo. Genau so sportlich ist ihr Karriereziel: Sportjournalistin bei einem Magazin und/oder (Servus) TV.

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