Gruppenfoto bei Premiere
von links: Christian Winkler, Anna Anderluh, Fritz Fenne

„Alles sus“: Wenn Maschinen suspekt werden

Im Rahmen des Steirischen Herbst feierte „The Great Resignation“ von Franz von Strolchen am 1. Oktober Premiere. Im Interview erklärt Christian Winkler alias Franz von Strolchen wie sich KI auf die Gesellschaft, das Theater und das Menschsein auswirkt.

Autorinnen: Anna Grassmugg, Marie Komposch, Johanna Volk

In einer weiß verfliesten Garage putzt Fritz Fenne, ein ehemaliger Schauspieler, ein modernes, selbstfahrendes Auto. Das ist sein neuer Job. Nicht weil er in der Welt des Schauspiels gescheitert ist, sondern weil er die Schauspielerei aufgegeben hat. Und er ist glücklich darüber. Dann beginnt das Auto ein Eigenleben zu entwickeln, brummt und singt und spricht. Daraus entwickelt sich ein Dialog zwischen einem Mann und der KI des Autos, in dem es um die Themen Menschsein, Aufgeben und Identität geht.

Fotoaufnahme von Performance
Fritz Fenne in Aktion – Marie Komposch

Resignation, Kunst und KI

Am 1. Oktober 2025 feierte die Performance „The Great Resignation“ von Franz von Strolchen im Rahmen des Steirischen Herbst in der Prankergasse 16 Premiere. Christian Winkler verfasste den Inhalt als Autor und realisierte diesen als Regisseur unter seinem Pseudonym Franz von Strolchen. Der Text entstand in Zusammenarbeit mit dem Wiener KI-Experten Erich Prem. Anna Anderluh als Auto-KI begleitet die Performance auch musikalisch, in der Hauptrolle ist Fritz Fenne als er selbst zu sehen. Die Idee zur Performance entstand, als Winkler dem ehemaligen Schauspieler Fenne vor zwei Jahren in Zürich begegnete, wie der Regisseur am Tag nach der Premiere im Theater am Lend erzählt. Fenne habe keinen Sinn mehr in der Schauspielerei gesehen, daher gab er sie einfach auf und fing als Autowäscher neu an. Nur für diese Performance  kehrte er ausnahmsweise auf die Bühne zurück.

Winkler, der gemeinsam mit Anja Wohlfahrt seit einem Jahr auch das Theater am Lend leitet, ergänzt im Gespräch, dass technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz auch Film und Theater zusehends beeinflussen. Mit KI-Schauspielern:innen wie Tilly Norwood, die kürzlich am Filmfestival von Zürich präsentiert wurde und schon bald in Hollywood-Produktionen mitwirken sollte, würden wohl immer mehr Menschen in der Branche ersetzt werden, meint Winkler. Anstatt daran zu verzweifeln, habe sich Fenne damit abgefunden und wage den Tapetenwechsel. Genau das mache ihn menschlich, meint der Regisseur und Autor.

Digitaler Humanismus

Auch wenn die künstliche Intelligenz viele Möglichkeiten bietet, unser Leben zu erleichtern, so werden wir auch immer wieder mit ihren negativen Aspekten konfrontiert. Neben dem Verlust von Kreativität und Arbeitsplätzen betont Winkler vor allem die Bedeutung des richtigen Umgangs mit neuen Technologien. „Der Digitale Humanismus beschreibt, dass im Zeitalter von Technik, KI und technologischem Fortschritt der Mensch im Zentrum bleiben muss. Es geht darum, Gesetze oder Umgangsformen zu finden, damit der Mensch mit der KI richtig umgeht“, erläutert der Regisseur. Prinzipiell spricht sich Winkler nicht gegen die unterstützende Nutzung von KI-Chatbots aus, jedoch seien sie mit Vorsicht zu genießen. „Die KI versucht, uns das vorzuspielen, was wir hören wollen und das, was wir sein wollen.“ Zweifeln sei sozusagen vorprogrammiert – gerade auch für junge Menschen. “Alles sus” als Redewendung, die mit “suspekt” oder “verdächtig” übersetzt werden kann, führt der Autor dafür als Beleg an. Damit meint er, dass neue Generationen aufgrund der KI anfangen, Fakten, Eindrücke und vor allem die Realität immer mehr zu hinterfragen. Deutlich wird: Wer die Chancen der KI nutzen will, muss gleichzeitig entschlossen ihre Risiken hinterfragen und den Menschen kompromisslos ins Zentrum stellen.

 

Infobox
Interesse geweckt??? – Weitere Vorstellungen finden an folgenden Terminen um 20:00 Uhr statt:

10.10., 11.10., 12.10

Prankergasse 16, 8020 Graz

 

Titelbild: die drei Hauptpersonen auf einem Schnappschuss – Foto: Marie Komposch

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