Wer an der Griesgasse 25 vorbeikommt, muss genau hinsehen, um es nicht zu übersehen: das Café „Amahoro“. Von außen unscheinbar, innen ein Mikrokosmos aus Musik, Tanz und Begegnungen – und mittendrin Thierry Kanyamurera, der Besitzer.
In einem Bezirk, der oft mit Klischees über Migration, Armut und Kriminalität behaftet ist, erzählt das „Amahoro“ eine andere Geschichte. Eine von Mut, Unternehmergeist und dem Wunsch nach echter Begegnung. Für den Besitzer ist klar: „Gute Integration, gute Musik und guter Alkohol – das ist das Amahoro.“
„Amahoro“ – das bedeutet auf Kinyarwanda „Frieden“. Ein großes Wort, das für Thierry Kanyamurera kein leeres Versprechen ist. Er kommt aus Ruanda, einem Land, das von einem der grausamsten Völkermorde des 20. Jahrhunderts gezeichnet wurde. Sein Lebensweg führte ihn durch Länder, in denen der Krieg nicht endete – er nahm nur neue Gestalten an: bewaffnete Konflikte, Rebellionen, politische Spannungen. Gewalt war allgegenwärtig – in seiner späteren Heimat Kongo ebenso wie in Kenia und Sambia.„Ich habe gesehen, dass es nichts Wichtigeres gibt als das: Frieden.“ Denn Thierry Kanyamurera weiß aus eigener Erfahrung, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, sondern etwas, das Menschen täglich füreinander schaffen müssen.
Vielleicht ist genau diese tiefe Sehnsucht nach einem friedlichen Miteinander der Herzschlag des „Amahoro“. Ein Café, das nicht nur Getränke serviert, sondern eine Botschaft: „Hier bist du sicher! Hier bist du willkommen!“
Vom mutigen Schritt zum pulsierenden Treffpunkt
2008 kam Thierry Kanyamurera nach Graz – mit dem Wunsch zu reisen. Doch die Stadt ließ ihn nicht mehr los. Nach Stationen in der Bauakademie und in der Pflege wagte er schließlich einen mutigen Schritt: Ein eigenes Café. Kanyamurera: „Ich war in vielen Lokalen unterwegs, habe viele Freunde kennengelernt. Und irgendwann habe ich zu meinem Schatzi (seiner Partnerin) gesagt: Sowas will ich auch machen. Probieren wir’s einfach.“
Nachdem er durch die verschiedensten Lokale in Graz gezogen war, endete er schließlich vor der Griesgasse 25 – und wollte nicht mehr weg. Dort eröffnete er das „Amahoro“ – und nur einen Monat später kam Corona. Lockdown. Schließung. Kein Einkommen. „Aber ich habe trotzdem überlebt“, sagt der Besitzer. Und das „Amahoro“ mit ihm. „Zu Beginn sagte man mir: Das Café hält keine drei Monate“, erzählt er. Doch es kam anders. Inzwischen existiert das Lokal seit Jahren – es ist voller Musik, Tanz und Leben.
Ein Raum mit Regeln und Rhythmus
Was das „Amahoro“ von anderen Lokalen unterscheidet, ist mehr als nur die Musik – auch wenn sie eine zentrale Rolle spielt. Manchmal kommt sie aus der Box, manchmal steht ein DJ auf der kleinen Bühne. Reggae, Afrobeat, traditionelle afrikanische Rhythmen oder auch Piano und Roots – je nachdem, wer gerade da ist. Und es wird getanzt – immer. „Ohne Musik geht das schlecht“, lacht der Besitzer. Doch noch wichtiger als der Sound ist die Atmosphäre: herzlich, respektvoll und voller positiver Stimmung. Wer sich daneben benimmt, fliegt raus. Wer pöbelt, Frauen belästigt oder sich nicht benehmen kann, hat hier nichts verloren. Drogen? Keine Chance.
Icyubahiro, Aiscipline und Imyitwarire. Das ist ruandisch und bedeutet Respekt oder Ehre, Disziplin und Charakter bzw. Verhalten: Für Thierry Kanyamurera die wichtigsten Eigenschaften seines Cafés.
Ein typischer Abend im „Amahoro“? „Viel tanzen. Viel trinken. Viel lachen!“, schmunzelt Kanyamurera. Ihm geht es um gute Stimmung. Um Zusammenkommen. Und um Wiederkommen: „Ich will, dass die Leute hier rausgehen und sagen: ,Da gehe ich wieder hin’. Nicht, weil es auf Instagram steht, sondern weil es sich die Menschen gegenseitig erzählen.“

Integration, nicht als Projekt – sondern als Praxis
Im „Amahoro“ findet Integration nicht als Konzept statt, sondern ganz selbstverständlich. Die Besucher:innen sind gemischt – so wie das Viertel. Thierry Kanyamurera über Gries: „Früher hatten die Leute Angst vor diesem Viertel. Aber jetzt ist Gries ein bisschen moderner geworden und ich merke, wie es sich durch gute Zusammenarbeit immer weiterentwickelt.“
In sein Café sei jede:r willkommen, betont Kanyamurera. Er selbst spricht sechs Sprachen. Im „Amahoro“ wird das oft zu einer Brücke zwischen den Kulturen und Ländern – so entstand ein Ort der Begegnungen.
Eine kleine Bar mit großem Herzen
Thierry Kanyamureras größter Wunsch: das Café kaufen, denn noch ist er Mieter. Damit es auch langfristig ein fixer Teil von Gries bleibt. Denn hier, in dieser kleinen Bar mit großem Herzen, zeigt sich, was in einem sogenannten „Problembezirk“ entstehen kann: ein Ort der Begegnungen, des Respekts, der Vielfalt. Ein Ort, an dem Musik spielt, Menschen tanzen und Friede nicht nur als dekoratives Motto auf der Wand steht, sondern gelebt wird.
Titelbild: Thierry Kanyamurera – Besitzer des Cafés „Amahoro“. – Foto: Karla Schwarz