Am 30. Mai ist Tag der Nachbarschaft. Mit der Aktion „Hallo Nachbar:in“ setzt das StadtLABOR ein Zeichen für gelebtes Miteinander. Im Stadtteilmanagement vor.ort berichten Projektverantwortliche Elisabeth Oswald und Teilnehmende, wie Nachbarschaft trotz unterschiedlicher Hintergründe gelingen kann.
Eine Küche, gemütliche Sitzmöbel und viele Pflanzen füllen den großen Raum in der Smart City. Dampfender Tee dringt aus einer bauchigen Kanne, am großen Tisch liegen Mah-Jongg-Steine für einen Spieleabend bereit. Es wirkt wie das Wohnzimmer einer Familie – wären da nicht die große Glasfront und Kärtchen an der Wand mit der Aufschrift „Teilen & Tauschen“. Tatsächlich gehört das „Wohnzimmer“ zum StadtLABOR und ist dessen Außenstelle Stadtteilmanagement vor.ort. Hier trifft sich regelmäßig die Nachbarschaft – zum gemeinsamen Kochen, Essen, Spielen und Miteinandersein. Der Raum ist aber auch Schauplatz für besondere Aktionen – etwa im Mai, wenn das StadtLABOR den Europäischen Tag der Nachbarschaft feiert.
Der Tag der Nachbarschaft wurde 1999 in Paris ins Leben gerufen und findet seither jährlich am letzten Freitag im Mai statt. In vielen Ländern ist daraus ein fester Termin für Siedlungsfeste, Büchertauschaktionen und andere gemeinschaftliche Aktivitäten geworden. Auch das Grazer StadtLABOR stellt den Mai ganz ins Zeichen des Miteinanders: In seinen Außenstellen wird den ganzen Monat über gelebte Nachbarschaft sichtbar. Der Schwerpunkt liegt zwischen dem 19. und 22. Mai – mit Ausstellungen, Picknicks oder Diskussionsübungen, etwa im Büro der Nachbarschaften oder im Stadtteilmanagement vor.ort in der Smart City.
Mehr als ein Tag: Wie Nachbarschaft gelingt
„Einmal im Jahr ein Fest zu machen, das ist es nicht“, sagt Elisabeth Oswald, Architektin und seit vielen Jahren im StadtLABOR beschäftigt. „Der Tag der Nachbarschaft kann nur abbilden, was sich bereits über Wochen und Monate aufgebaut hat.“ Für solch ein intensives Netzwerk braucht es vor allem Zeit und Vertrauen. Für Oswald bedeutet eine gute Nachbarschaft, Offenheit und Bereitschaft zum Austausch und für ein Miteinander. Ziel ist es, die eigenen Nachbar:innen kennenzulernen und im Bedarfsfall bei jemandem anläuten zu können. Über regelmäßigen Kontakt entstehen gemeinsame Interessen und Projekte. Das stärkt das Miteinander und hilft, Konflikte zu vermeiden. Denn diese entstehen oft, wenn Menschen einander nicht kennen. „Wenn sie öfter Kontakt haben, reden sie sich das einfach aus“, meint Oswald.

Eine lebendige Nachbarschaft kann auch der Mieter:innenfluktuation entgegenwirken. „Wenn man einander kennt und sich vertraut, steigt die Wohnzufriedenheit – und das ist dann kein Grund umzuziehen“, sagt Oswald.
Inklusiv, offen, vielfältig
Die Begegnungsangebote des StadtLABORs richten sich nicht nur an die unmittelbare Nachbarschaft oder das erweiterte Umfeld. Auch Menschen, die zufällig vorbeikommen, können mitmachen. „Es sind immer überall alle herzlich eingeladen. Unser Projekt soll nie eine Exklusivität bekommen, die andere ausgrenzt“, betont Oswald. So kommt auch Andrea Scheucher regelmäßig nach der Arbeit zu den Mah-Jongg-Abenden, obwohl sie eigentlich in einem kleinen Dorf wohnt. „Ich würde sogar extra nach Graz nur für das Mah-Jongg-Spielen fahren.”
Die Verbindung zwischen den Menschen entsteht über gemeinsame Interessen: beim Kochen, Nähen oder Yoga sowie bei Sprachkursen, Eltern-Kind-Treffen oder in der Gartenarbeit. Gerade Gärtnern verbinde, weil man dafür nicht dieselbe Sprache sprechen müsse. Politische oder soziale Unterschiede würden dabei oft in den Hintergrund treten, ist Elisabeth Oswald der Meinung.
Diese Einschätzung bestätigt auch Gerti Jarek, die seit vielen Jahren in der näheren Umgebung der Smart City lebt und regelmäßig an verschiedenen Treffen teilnimmt. „Ich komme total gern zu den Spaziergängen, die ein- oder zweimal im Monat veranstaltet werden“, erzählt sie. „Ich habe schon einige Leute hier kennengelernt. Bei vielen Dingen gibt es ein Stammpublikum.“

Niedrigschwellige Angebote für Zurückgezogene
Seit Covid-19 haben sich viele Menschen zurückgezogen, manche hätten noch immer Schwierigkeiten, wieder Anschluss zu finden. „Ich hoffe sehr, dass es mehr wird, das Zurückziehen tut uns nicht gut. Jeder Mensch lebt von Beziehungen“, erklärt Oswald. Deshalb setze das StadtLABOR auf Angebote, die unkompliziert seien: informelle Treffen, ohne Mehraufwand und bei denen man nichts leisten müsse, aber viel gewinnen könne. Ob gemeinsames Essen, ein Besuch in der HandWerkstatt oder ein kurzer Austausch auf dem Heimweg: Wer einmal bei einem Treffen vorbeischaut, findet oft einen Zugang zur Gemeinschaft. Daraus können auch kleine Aufträge entstehen, die Menschen Sinn und Teilhabe geben, wie etwa Blumengießen oder Tischlerarbeiten.
Besonders für alleinlebende oder im Homeoffice arbeitende Menschen seien solche Begegnungen wichtig. Sie bringen Abwechslung und helfen dabei, aus sozialer Isolation herauszukommen – ganz ohne Druck, aber mit der Chance, wieder in Verbindung zu treten.
Fokus aufs Klima
Im StadtLABOR wird auch großer Wert auf Umweltschutz gelegt – mit dem besonderen Format „Klimasalon”. Ziel ist es, Klimakommunikation positiv und alltagsnah zu gestalten. Statt Belehrung stehen gemeinschaftliche Erlebnisse wie Klimaspiele und Workshops im Vordergrund. Diese sollen praktische und leicht umsetzbare Ideen für einen nachhaltigen Alltag vermitteln, wie Upcycling oder das Selbermachen von Reinigungsmitteln. Gestartet wurde der Klimasalon in der Smart City, um das Viertel nachhaltig zu entwickeln. Für Elisabeth Oswald gehört dazu nicht nur soziale Nachhaltigkeit, sondern auch ein klimagerechtes Alltagsleben der Menschen. „Man kann noch so nachhaltige Gebäude oder Städte bauen – wenn die Menschen nicht mitmachen, bleiben Potentiale für eine klimafitte Zukunft ungenutzt.“
Was in der Smart City mit Tee, Spielen und Spaziergängen beginnt, zeigt: Nachbarschaft entsteht durch Offenheit, nicht durch Aufwand. Das StadtLABOR schafft Räume, in denen Begegnung ganz nebenbei passiert. Dazu meint Viertelbewohnerin Verena Lanzinger: „Solche Events, wo es nicht viel braucht und man einfach dabei sein kann – das ist schon ein richtiger Ansatz.“
Titelbild: Elisabeth Oswald vom StadtLABOR. – Foto: Lisa Strobl