Petra Trabi
Petra Trabi aus dem Jugend- und Lehrausbildungsresort der AK Steiermark Foto: Selina Graf

In Zeiten der Krisen: Mental fit durch die Lehre

Lesezeit: 3 Minuten

Die Corona-Pandemie hat vor allem Jugendliche psychisch stark gefordert. Josef Zollneritsch, Gründer der österreichischen Akademie für Schulpsychologie, erklärt, mit welchen Herausforderungen Jugendliche und speziell Lehrlinge zu kämpfen haben und wie ihnen mit der Initiative “AKtiv statt depressiv” geholfen werden soll.

Von: Florentina Leitenbauer, Laura Lukas

Die Corona-Pandemie hat die mentale Gesundheit vieler Jugendlicher stark verschlechtert. Laut einer Studie des Österreichischen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahr 2021 leiden rund 50% der befragten Lehrlinge unter psychischen Krankheiten wie zum Beispiel Depressionen. Josef Zollneritsch, Leiter der Abteilung Schulpsychologie in der Bildungsdirektion Steiermark, meint, die Pandemie sei ausschlaggebend für die  Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen gewesen. Laut der ÖGB-Studie, bei der 1442 Lehrlinge zwischen Ende März und Mitte Mai 2021 befragt wurden, leiden jeweils rund die Hälfte der Teilnehmenden an Depressionen oder Essstörungen.    

Hürden für Betroffene

Der Weg in eine psychologische Behandlung ist in Österreich kein einfacher, sagt Zollneritsch, der auch den Unterstützungsverein Schulpsychologie Steiermark gründete. „Bei uns ist der Zugang zu psychologischer Unterstützung schwieriger als in anderen Ländern, weil es keinen automatischen Kostenersatz dafür gibt. Der wesentliche Teil der Behandlungskosten ist von den Klient:innen selbst zu tragen.“ Eine weitere Barriere sei die Angst vor der Stigmatisierung. Genau deswegen braucht es gezielte Unterstützung, „damit ein junger Mensch eine Ahnung bekommt, an wen er sich wenden kann“, so Zollneritsch.

Zu früher Einstieg ins Berufsleben

Lehrlinge haben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. In Österreich beginnt die Lehre mit 15 Jahren. Zu früh, kritisiert Zollneritsch. Viele junge Menschen könnten die auf sie zukommenden Belastungen nicht bewältigen. Das Einfinden in den Arbeitsrhythmus und die Balance zwischen Arbeit und Berufsschule stellen erhebliche Strapazen für Lehrlinge dar. Unregelmäßige Arbeitszeiten und große körperliche Beanspruchung in den Lehrberufen können Belastungen für Jugendliche darstellen, erklärt Petra Trabi von der Arbeiterkammer in Graz, die das Projekt “AKtiv statt depressiv” betreut . Daraus folgten in einigen Fällen lange Krankenstände oder gar die Auflösung des Lehrverhältnisses, sagt Trabi, die im Jugend- und Lehrausbildungsresort der AK Steiermark arbeitet. Alle 50 Therapieplätze, die im Rahmen des Projektstarts zur Verfügung standen, wurden – zunächst bis Februar 2023 – vergeben. Für Zollneritsch sind keine Unterschiede zwischen den Berufsfeldern in der Annahme des Angebots erkennbar. In Branchen, die körperlich besonders fordernd sind, wie im Bau und der Stahlindustrie, würden jedoch höhere Belastungen entstehen. „Deswegen ist es wichtig, dass junge Menschen ermutigt werden, Hilfe zu suchen“, meint Zollneritsch. 

Arbeiterkammer Büro
Das Büro der AK Steiermark in Graz in der Hans-Resel-Gasse. Foto: Florentina Leitenbauer

Steirische Arbeiterkammer kooperiert mit der Schulpsychologenakademie

Das steirische Projekt ist österreichweit einzigartig. Bei der Registrierung muss lediglich ein Anmeldeformular ausgefüllt werden. Dabei entstehen weder Kosten, noch sind Anträge zu stellen, nur das Lehrverhältnis wird verifiziert. Die zehn Einheiten sind grundsätzlich als Einzelgespräche geplant, es ist auch ein Gespräch mit Angehörigen möglich. Gemeinsam mit den Klient:innen entscheiden die Psycholog:innen, ob es sinnvoll wäre, den Arbeitgeber mit einzubeziehen. Josef Zollneritsch resümiert: „Bei der Behandlung von psychischen Krankheiten wie Depressionen muss man mit viel Sensibilität arbeiten. „Den Patienten soll die Angst genommen werden, ein Außenseiter der Gesellschaft zu sein.“ 

Eine „Peergroup“ sorgt für Stabilität

Obwohl viele Lehrlinge trotz Corona-Pandemie weiterarbeiten mussten, hatte der Lockdown doch für alle Jugendlichen negative Auswirkungen. Junge Menschen brauchen dringend eine „Peergroup“, also eine soziale Bezugsgruppe außerhalb ihrer Familie“, so Zollneritsch. Gerade diese Beziehungen haben unter der Corona Pandemie gelitten. Viele Jugendliche haben jetzt das Gefühl, Versäumtes nachzuholen, und seien dadurch gegebenenfalls in ihrer Freizeit überfordert.

Hilfe holen darf keine Schande sein!

Verbesserungsvorschläge hat Zollneritsch viele: Von Firmen wünscht er sich klare Ansprechpartner für Lehrlinge mit psychischen Problemen, von der Regierung gratis psychologische Behandlung für alle. Auch an die Gesellschaft hat er einen Appell: In Sachen psychischer Behandlung braucht es Toleranz statt Stigma: „Du kannst drei Herzinfarkte haben, das ist kein Problem. „Aber wenn du sagst, du bist psychisch angeschlagen, davor haben viele Menschen Angst.“

Weitere Anlaufstellen
Weitere Unterstützung bei psychischen Problemen können sich Jugendliche über das neu eingerichtete Krisentelefon des Steirischen Landesverbandes für Psychotherapie holen. Das Krisentelefon, welches ab 20. Dezember 2022 in Betrieb ist, bietet donnerstags unter der Nummer +43 316 37 25 00 Beratung und Informationen zum Thema Psychotherapie an. Mehr Infos unter https://www.stlp.at/psychiatrisches-krisentelefon-steiermark-0800-44-99-33/land-steiermark-krisentelefon/

 

Titelbild: Petra Trabi aus dem Jugend- und Lehrausbildungsresort der AK Steiermark Foto: Selina Graf

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