Gries – Mehr als nur “Radau in Karlau”

Lesezeit: 4 Minuten

Michael Rothe (KPÖ) wird aller Voraussicht nach der neue Bezirksvorsteher von Gries. Auf einem Spaziergang mit der Annenpost spricht er über Pläne, Potentiale und Persönliches.

von Lorenz Brunner und Christina Pschorr

Dreier-Serie zur Gemeinderatswahl
Nach der Wahl ist vor der Arbeit in den Bezirksräten. Ein Gespräch mit den zukünftigen Bezirksvorsteher*innen von Lend, Gries und Eggenberg. Über die Orte unseres Interviews entscheiden die Bezirksvorsteher*innen – einzig in ihrem Bezirk sollten sie sein.

Es ist ein kühler Mittag im Spätherbst, vor uns die große Wiese am Ende der Dornschneidergasse. Manche Kinder düsen mit ihren Schlitten den Hügel hinunter, andere lassen sich vom Neuschnee nicht beirren und spielen Fußball. Rund um die Wiese: Straße, Umzäunung, Wohnblöcke, grau. Ein Sinnbild für den Bezirk Gries. Oder davon, was viele Leute glauben mögen, was den Gries ausmacht. Den spielenden Kindern scheint das alles nichts auszumachen. „Und trotzdem hat dieser Platz so viel mehr Potential”, ist sich Michael Rothe sicher. Deswegen habe er sich hier mit uns treffen wollen und deutet auf die Dornschneiderwiese hinter sich. 

Systematisch benachteiligt

Im September erreichte er bei der Gemeinderatswahl mit der KPÖ in Gries 38% der Wählerstimmen. Im Jänner wird er voraussichtlich zum neuen Bezirksvorsteher gewählt. In einem Bezirk, der in den letzten Jahren systematisch benachteiligt worden sei. „Schauen wir auf die andere Seite der Mur zu den Eustacchio-Gründen. Dort gibt es nicht nur einen Fußballplatz und Tischtennistische, sondern auch einen Basketball- und Volleyballplatz. Das möchte ich auch in Gries haben.” Konkret an der Dornschneiderwiese. Hier startet unser einstündiger Spaziergang durch den 5. Grazer Stadtbezirk.

Zu Beginn kommen wir an einer Apotheke vorbei. Selbst arbeitet Rothe, ein studierter Pharmazeut, beinahe Vollzeit in einer Apotheke in St. Peter. Zwischen seinem politischen Wirken und dem Pharmazeuten-Dasein zieht er Parallelen: „Mir geht es da wie dort darum, allen Menschen zu helfen. Sie kommen aus verschiedenen Schichten auf mich zu, denn Krankheit macht vor niemandem Halt.“ In Zukunft werde er seine Arbeitszeit reduzieren. „Ich möchte mich ein bis zwei Tage pro Woche voll und ganz auf die Bezirksarbeit konzentrieren können.“ Vor allem die persönlichen Gespräche sollen intensiviert werden, Rothe möchte eine wöchentliche Sprechstunde anbieten.

Michael Rothe zeigt uns als nächstes das Stadtteilzentrum Triester und führt uns durch die Triestersiedlung. Er erklärt uns, dass die Stadt hier Gemeindewohnungen vergebe und die Siedlung deswegen einen schlechten Ruf habe. „Ich bin aus der Triestersiedlung, aus mir wird nichts“, habe ein Kind erst kürzlich zu Rothes Freundin gesagt. Generell sei der Bezirk zu klischeebehaftet, vorangetrieben würde diese Stigmatisierung zusätzlich durch Fernsehsendungen wie „Radau in Karlau” auf ATV, in der Polizeieinsätze mit Kamerateams begleitet werden.

Wahlerfolg durch Unzufriedenheit

Unser Spaziergang führt uns an einem Haus vorbei, das aufgrund seiner gelben Fassade sofort auffällt. Gasthaus Fasching steht auf der Eingangstür geschrieben. „Dort“, sagt Michael Rothe und zeigt mit dem Finger auf das Gasthaus, „finden unsere Bezirksratssitzungen statt.“ Im September diente es auch als Wahllokal im Bezirk. „Viel los war da aber leider nicht.” Und tatsächlich war die Wahlbeteiligung bei der Grazer Gemeinderatswahl in Gries mit knapp 28% so niedrig, wie in keinem anderen Bezirk. „Es zeigt eigentlich nur, wie unzufrieden die Leute waren“, antwortet Rothe auf die Frage, warum es in Gries so vielen Menschen anscheinend egal ist, wer sie politisch vertritt. Ansetzen möchte Rothe bei den Wähler*innen von morgen. „Wenn die Jugendlichen merken, dass “da etwas auf politischen Druck hin passiert, dann fangen sie auch an, sich zu interessieren.”

Der Unmut der Bevölkerung äußerte sich nicht nur an der Wahlbeteiligung – Foto: Christina Pschorr

Der abgewählten Stadtregierung aus ÖVP und FPÖ stellt der künftige Bezirksvorsteher kein gutes Zeugnis aus. „Die waren ja hier im Bezirk nicht sichtbar. Nur die Elke (KPÖ-Chefin und Bürgermeisterin Elke Kahr, Anm.) schaute auch bei uns regelmäßig vorbei“, erklärt er einen möglichen Grund für das gute Wahlergebnis der KPÖ. Aber auch die hohe Bebauungsdichte sei den Menschen zu viel geworden. Deswegen gehöre jetzt der Bebauungsplan evaluiert. Ob er versprechen könne, dass im Bezirk Gries in Zukunft – so wie von der KPÖ im Wahlkampf gefordert – keine Neubauten mehr genehmigt werden, wollte er uns aber trotz mehrfachen Nachfragens nicht bestätigen.

Wirtschaft braucht sich nicht zu fürchten

Entlang der Mauern der Justizanstalt Karlau, vorbei an Kebabläden und leerstehenden Geschäftslokalen führt unser Weg Richtung Griesplatz, dem Zentrum des Bezirks. Ob die wenigen Wirtschaftstreibenden im Bezirk Angst vor den Kommunisten haben sollen? Rothe lacht: „Ihnen kann ich sagen: Fürchtet euch nicht.“ Ein Kommunist, der aus der Bibel zitiert, das ist ungewöhnlich. „Es wird niemand enteignet. Die Leute brauchen Anstellungen und der Motor ist die Wirtschaft. Die Arbeiter*innen sollten aber mehr Rechte zur Mitbestimmung bekommen.“

Der Griesplatz: Ein ewiges Provisorium?

Das Ende unseres Spaziergangs führt uns an den Griesplatz: Ein Ort der Begegnung, des Verkehrs, ein ewiges Provisorium. „Der Griesplatz, der hätte so viel Potential. Es gibt ein Interesse im gesamten Bezirksrat, dass da etwas passiert“, meint Michael Rothe. Die Neugestaltung des Griesplatz werde aber von der Straßenbahnführung abhängig gemacht, deren Baubeginn 2025 erfolgen solle. Bis dorthin dienen Bäume und Bänke der temporären Platzgestaltung – ein Projekt, das noch von der letzten Stadtregierung vorangetrieben wurde.

Durch die Verlegung der Busse Richtung Andreas-Hofer-Platz entstünde viel Freifläche, auf der er gerne einen Markt installiert hätte. Ein Markt nach dem Vorbild des Wiener Naschmarkts, wie es von der ÖVP – etwa 2012 oder 2015 – lanciert wurde, fand aber bei den umliegenden Händlern keinen Anklang.

Michael Rothe wird den Bezirk bis zur nächsten planmäßigen Wahl 2026 führen. An welchen konkreten Faktoren man in fünf Jahren den Erfolg seiner Amtszeit messen wird? Objektiv könne man das am nächsten Wahlergebnis feststellen, ansonsten wäre es für ihn die Errichtung eines Jugendzentrums oder einer Sozialarbeit an der Dornschneiderwiese und die Neugestaltung des Griesplatz mit Einbeziehung der Bevölkerung.

Titelbild: Der neue Bezirksvorsteher Michael Rothe – Foto: Christina Pschorr

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