Demoprojekt in der Krausgasse
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Stadtbäume: Wie Graz auf einen grünen Zweig kommt

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Im Zuge des Klimaschutzprojektes „Maßnahmenprogramm Grazer Stadtbaum 2020-2022” sollen in Graz innerhalb von drei Jahren rund 2.400 Bäume gepflanzt werden. Demnächst ist die Begrünung der Keplerstraße an der Reihe. Wie das sogenannte Schwammstadtprinzip, das dabei zum Einsatz kommt, funktioniert und wie die Stadt zukünftig noch grüner werden kann.

Von Sophie Weinhandl und Jakob Stoisser

Der fortschreitende Klimawandel stellt Städte vor besondere Herausforderungen. Es wird immer heißer und trockener, Starkregenereignisse häufen sich. Das fordert dringende Lösungsstrategien zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel. Als solche versteht sich auch das Maßnahmenprogramm „Grazer Stadtbaum”, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die technischen Grundlagen für möglichst klimafitte Baumarten, wie Zürgelbäume oder Ulmen, zu optimieren. Pro Jahr sollen so rund 800 neue Stadtbäume gepflanzt werden. Mittlerweile befindet sich das Projekt in der Halbzeit. Man hätte bisher schon wichtige Demoprojekte umgesetzt und umfangreiche Forschungsprojekte auf Schiene gebracht, so Tomas Stoisser von der Abteilung Grünraum und Gewässer, die das Programm ausgearbeitet hat. Insgesamt ist dafür ein Budget von 1.6 Millionen Euro vorgesehen. Davon fließen 750.000 Euro in die Erforschung und Weiterentwicklung der Bepflanzungsstrategien. Die restlichen 850.000 Euro werden in die Umsetzung der drei Demoprojekte mit den Standorten Kraussgasse, Leonhardgürtel/Leonhardstraße und Köflachergasse investiert.

In der Krausgasse wurden Gleditschien gepflanzt
Das Ergebnis des Projektes in der Krausgasse: zwei frisch gepflanzte Gleditschien – Foto: Moritz Wehr

Die Bepflanzung einer Stadt stellt eine Herausforderung dar, weil nur wenig Platz für Bäume vorhanden und der Untergrund versiegelt und verdichtet ist. Auch versalzte Niederschlagswässer und die extremen klimatischen Verhältnisse im urbanen Raum machen Stadtbäumen das Überleben schwer. Das Maßnahmenpaket Grazer Stadtbaum setzt unter anderem auf ein vielversprechendes Pflanzsystem aus Schweden, das dort bereits seit 20 Jahren erprobt wird. Graz arbeitet seit 2017 nach dieser Methode und nimmt damit eine Vorreiterrolle in Europa ein.

Geheimzutat Pflanzenkohle

Beim sogenannten ‚‚Schwammstadtprinzip”, auch bekannt als „Stockholm-System”, werden Bäume in einen Untergrund aus Steinen und Pflanzenkohlesubstrat gepflanzt. Kohle kann Wasser, Luft und Nährstoffe binden und sorgt damit für eine langfristige Versorgung der Bäume. Außerdem werden erhebliche Mengen Kohlenstoff aus der Luft effektiv im Boden gebunden. Die errechnete CO2 Einsparung bei der Umsetzung des Maßnahmenprogramms liegt bei ca. 1.000 Tonnen CO2 pro Jahr, die langfristig gebunden werden, sofern die geplanten Pflanzungen von 800 Bäumen im Jahr eingehalten werden können. Als Vergleich: Diese Einsparung entspricht 5,1 Millionen Autokilometern, bei einem angenommenen Verbrauch eines Diesel PKWs mit 7,5 Litern auf 100 km.

Den Baumuntergrund kann man sich vorstellen wie einen Schwamm, der Regenwasser speichert. Hierher stammt auch der Name „Schwammstadtprinzip”. Durch Einlaufschächte gelangt Wasser direkt in den Boden und wird von diesem aufgenommen. Außerdem sind einzelne Baumgruppen unterirdisch miteinander vernetzt und stehen somit in ständigem Austausch von Nährstoffen und Mineralien. Graz hat das Schwammstadtprinzip bereits bei mehreren Projekten umgesetzt, zum Beispiel in der Waagner-Biro-Straße, am Kaiser-Josef-Platz oder beim Lend Hotel.

Schaubild Stockholm-Prinzip
So funktioniert das Stockholm-System – Schaubild: Stadt Graz

Nun soll es sich als Standardbautyp manifestieren. Auch Stadtplaner*innen aus Wien, Linz und Innsbruck versuchen sich mittlerweile an der Bepflanzungsmethode. Tipps holt man sich vom Vorbild Graz, das bereits auf vier Jahre Erfahrung zurückblicken kann.

Bäume pflanzen will gelernt sein

Soweit zum theoretischen Programm. In der Praxis ergeben sich auch Schwierigkeiten bei der Begrünung der Stadt. Kritik kommt von der Architektin Elisabeth Kabelis-Lechner in ihrer Kommentarreihe PLUS/MINUS. Die Grundidee des Maßnahmenprogramms „Grazer Stadtbaum” befürwortet sie, jedoch solle man sich zuerst um die Pflege der bestehenden Stadtbäume kümmern. „Ein innovatives Baumpflanzsystem ersetzt die regelmäßige Pflege nicht“, schreibt die Architektin in ihrem Kommentar. Die Jungbäume in der Eggenberger Allee seien alles andere als gesund, sie hätten wenig oder braunes Laub. Besonders die Anzuchtpflege sei unzureichend.

Tomas Stoisser sieht das Problem hier nicht bei der Pflege, sondern hauptsächlich bei der falschen Baumauswahl. „Wir haben gesehen, dass in Graz der Spitzahorn nicht so gut funktioniert wie andere Baumarten.“ Die Spitzahorn-Bäume, die in der Eggenberger Allee gepflanzt wurden, hätten mit der Hitze im Sommer besonders zu kämpfen. Mittlerweile kommt für Projekte eine Baumliste zum Einsatz, die aus  unterschiedlichen Baumarten besteht. Diese sollen besonders klimafit sein und kommen hauptsächlich aus dem Süden Europas oder aus Asien. „Ein heimischer Baum fühlt sich vielleicht in unserem Wald wohl, aber in der Stadt, einem intensiv versiegelten Umfeld, definitiv nicht“, begründet Stoisser die Auswahl.

Dennoch ist die Baumpflege ein wesentlicher Faktor in der Umsetzung des Maßnahmenprogramms. In den ersten drei Lebensjahren eines Stadtbaums kümmern sich die beauftragten Gartenbauunternehmen um das Gießen und Schneiden. Erst dann übernimmt die Holding Graz GmbH die weitere Pflege. Im fünften bis sechsten Jahr reicht dann die jährliche Kontrolle und ein gelegentlicher Schnitt durch die Holding, so Stoisser.

Je nach Bauweise kostet das Pflanzen eines Baumes insgesamt bis zu 8000 Euro. Der Preis des Baumes macht dabei nur einen geringen Anteil aus, ausschlaggebend ist welches Substrat verwendet wird und unter welchen Umständen der Baum gepflanzt werden soll.

Zukunftspläne für ein noch grüneres Graz

Mit dem Wechsel in der Stadtregierung rund um die dunkelrot-grün-rote Koalition, findet das Grazer Stadtbaumprogramm weiterhin großen Zuspruch. Vizebürgermeisterin Judith Schwentner von den Grünen spricht in ihrem Wahlprogramm sogar von 1.800 Bäumen, die zukünftig pro Jahr in Graz gepflanzt werden sollen. Der Projektleiter Tomas Stoisser begrüßt diesen Vorschlag, verweist aber auch darauf, dass das beim derzeitigen Baumbestand von rund 20.000 Stadtbäumen ein jährlicher Zuwachs von zehn Prozent wäre: „Das ist keine leichte Aufgabe.“ Außerdem freue sich nicht jede*r Anrainer*in, wenn an einen Ort, an dem zuvor ein Parkplatz war, plötzlich ein Baum gepflanzt wird. Hier stimme man sich mit den Bezirksvorsteher*innen als Sprachrohr der Anrainer*innen ab.

Für das Annenviertel steht als nächstes die Begrünung der Keplerstraße an. Im Kreuzungsbereich am Hauptbahnhof sollen neun Ulmen im Zuge eines Radwegprojekts gesetzt werden. Auch eine Begrünung der Annenstraße wird immer wieder diskutiert, ist aber aufgrund der beengten Verhältnisse – sowohl ober- als auch unterirdisch – eine Herausforderung, meint Stoisser. Die bereits bestehenden Bäume am Lendplatz sollen in den nächsten Jahren saniert werden.

In Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels sei jedenfalls schnelles Handeln gefragt. Stoisser ist überzeugt: „Um die Städte, unser Zusammenleben und unsere Zukunft klimafit zu gestalten müssen wir alle mithelfen.“

Titelbild: Das Demoprojekt in der Krausgasse – Foto: Moritz Wehr

 

Baumauswahl in Graz
Auf der Liste der klimafitten Bäume stehen zum Beispiel der japanische Schnurbaum, die Gleditschie sowie neu gezüchtete Ulmensorten, die gegen das Ulmensterben resistent sind. Heimische Bäume wie die Linde oder die Buche sind zukünftig wohl nur noch in den Wäldern zu finden.

 

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