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Mit Kunst Augen und Ohren öffnen

in KULTUR von

Derzeit gastiert unter dem Titel “Guerilla der Aufklärung” im <rotor> eine Ausstellung von österreichischen und internationalen Künstlern. Diese behandeln Themen wie den gegenwärtigen Antifaschismus und treten mit ihrer Arbeit für eine vielfältige Gesellschaft und gegen illiberale Tendenzen ein.

Ein lauer Abend im Juni. Auf der Treppe, die in die Ausstellungsräume der Kunstausstellung führt, sitzen drei Männer und unterhalten sich. Beim Eintreten durch die Türen der Ausstellung, fällt der Blick sofort auf drei Retrofernseher, die nebeneinander auf dem Boden stehen. Jeder zeigt ein anderes kurzes Bewegtbild, auf dem ein Mann zu sehen ist. Der erste reißt die Augen weit auf, der zweite hält die Hände hinter die Ohren, um besser hören zu können und der dritte bildet mit seinen Händen einen Trichter und schreit. Obwohl diese dreiteilige Videoeinstellung des tschechischen Künstlers Martin Zet genau das Gegenteil darstellt, erinnert sie sofort an das Bild der drei Affen – „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ –, deren Ursprung sich in einem japanischen Sprichwort findet. Diese stehen für den Umgang mit dem Schlechten. Martin Zet gibt dieser Installation den Titel „See Evil – Hear Evil – Scream Against Evil”. Neben den drei Fernsehern am Boden und drei großformatigen Bildern von der Münchner Künstlerin Petra Gerschner ist der Raum leer. Der Fokus dieser drei Bilder liegt auf widerständischen Bewegungen und Haltungen in unterschiedlichen Zeiten. Im Moment überprüft nur eine Mitarbeiterin des <rotors> nochmals, ob der Raum bereit für  die Eröffnungsrede der Grazer Stadtschreiberin Radka Denemarková ist. Bevor die Rede beginnt, ist noch Zeit, die Räume des <rotors> zu durchschlendern und die Werke der Künstler in Ruhe zu betrachten.

„Demonstrate!“ von Martin Krenn – Foto: Christina Kastner

Künstler als Guerilla

Im zweiten Raum streift der Blick eine Reihe schwarz-weiß Portraits unter dem Titel “Demonstrate!” Diese hat der aus Österreich stammende Künstler Martin Krenn bereits im Jahr 2000/2001 aufgenommen und nun für diese Ausstellung überarbeitet. Die Fotoserie zeigt Teilnehmer der Donnerstagsdemonstrationen gegen die schwarz-blaue Koalition in Wien in den Jahren 2000/2001. Auf den Fotos stehen politische Statements der Teilnehmer. Die Foto-Text-Serie soll verdeutlichen, dass viele der Themen, die vor 18 Jahren relevant waren, auch heute noch von großer Bedeutung sind.

Die Wand gegenüber zieht sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Von der Decke bis zum Boden ist sie mit Stoffen bedeckt, die mit Wörtern oder Schriftzügen beschrieben sind. Manche in einer deutlich lesbaren, serifenlosen Schriftart, andere wiederum mit Schnörkeln verziert. Der Künstler Babi Badalov analysiert in seiner Arbeit Begriffe, nimmt diese auseinander und ändert durch Wortkombinationen oder das Austauschen von Buchstaben deren Ursprungsbedeutung. So wird beispielsweise aus dem Wort „Racist“ „Race East“, der Wortlaut bleibt derselbe, doch die Bedeutung ändert sich in eine ganz andere Richtung.

„Race East“ – Foto: Christina Kastner

Wir gehen weiter in den dritten Raum, welcher einen Kontrast zu den bisherigen darstellt: Skulpturen aus bemalten Holzobjekten und Banner stehen im Raum. Rena Rädle und Vladan Jeremić gestalten hier den sogenannten “Aktionsraum” unter dem Titel “Fragile Presence”. Dieser soll Gruppen für Besprechungen und Diskussionen zur Verfügung gestellt werden. Auch nach der Eröffnungsrede lädt er die Besucher ein, dort zu verweilen und sich mit den anwesenden Künstlern auszutauschen.

In den übrigen Räumen finden sich neben Risografien vom Grazer Verein RISOGRAD zum Thema Waldheim-Affäre anknüpfend an die Rede der Schriftstellerin Elfriede Jelinek im Jahr 1986, unter anderem auch Linoldrucke von Csaba Nemes. Außerdem Videoarbeiten von Manaf Halbouni/Oscar HR und Kunstgegenstände von Gjorge Jovanovi. Fotografien von Lukas Beck sind im Café-Bereich zu finden. Mit dem Titel „Erfindungen für Euch, wunderbare Leute“ entwickelte Gjorge Jovanovi Gegenstände, die der Menschheit das Leben erleichtern sollen. Damit richtet er sich gegen die Zwänge der Wirtschaft, die Konsumgesellschaft und den Druck der Arbeitswelt. Einer dieser Gegenstände ist der Applausator. Er hilft Menschen, die niemanden haben, dem sie ihre Alltagserlebnisse erzählen könnten. Der Applausator beginnt von selbst zu klatschen und ermutigt sie so, weiterzureden.

Von Entmenschlichung und illiberaler Gesellschaft

Während wir uns in der Ausstellung umschauen, trudeln nach und nach die Besucher ein. Kleine Grüppchen bilden sich, es wird getrascht, bis Anton Lederer, der Programmverantwortliche, die Besucher bittet, sich im ersten Raum zu versammeln. Gemeinsam mit seiner Kollegin Margarethe Makovec erklärt er, dass die Ausstellungen in vier Serien unterteilt ist und bis Mitte nächsten Jahres geöffnet sein wird. Diese erste Serie steht unter dem Titel „Sie sollen nicht sagen können, sie hätten von nichts gewusst.“ Der Satz ist bewusst in der Zukunft formuliert, um schon im Vorhinein wegzunehmen, dass in einigen Jahren behauptet wird, niemand hätte von etwas gewusst. Es ist als eine Auseinandersetzung mit dem Österreich der NS-Zeit gedacht: Viel zu oft werde hierzulande behauptet, man hätte von den ganzen Ereignissen nichts gewusst. Danach spricht die aus Tschechien stammende Radka Denemarková. Gleich zu Beginn ihrer Rede betont sie, dass ihr die Worte “Entmenschlichung und illiberale Gesellschaft” besonders wichtig sind und richtet somit den Fokus auf diese beiden Worte. Entmenschlichung erklärt sie, habe sie selber schon oft am eigenen Leib erfahren müssen. “Oft stellen sich Menschen nur die Frage nach der Herkunft und nicht , was das für Menschen sind, wie sie denken oder handeln.” Die heutige Gesellschaft werde immer illiberaler, schließt sie, und Toleranz sei ein wichtiges Thema, das wir uns zu Herzen nehmen sollen.

Kommt ursprünglich aus Oberösterreich, spricht aber laut StudienkollegInnen als wäre sie von einem anderen Planeten. Liebt Natur und Berge. Kocht aus Leidenschaft und erkundet die Welt mit ihrem VW-Bus.

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