CSD – Per Regenbogen durch Graz

Lesezeit: 5 Minuten

„Gleiche Liebe, gleiche Rechte!“ – Das fordern die Teilnehmer der fünften  Christopher Street Day-Parade in Graz. Ein Straßenumzug ohne Provokation und Abwertung, dafür mit umso mehr Stolz, der sogar von Bischof Krautwaschl gelobt wird.

Von: Katrin Jaritz, Isabella Zick

Sanfte Pop-Musik beschallt die Wiese vor der Grazer Oper – dem Treffpunkt der Teilnehmer der CSD-Parade. Es ist Samstagmittag und die Regenbogenflaggen sind schon von Weitem zu sehen. Während die einen noch schnell Botschaften auf Kartons kritzeln und sich mit Glitzer bemalen, reihen die anderen sich schon erwartungsvoll ein. Ein junger Mann teilt begeistert „Free Hugs“ aus und schenkt jedem der Umarmten auch gleich noch ein Lächeln. Eines fällt sofort auf: Die CSD-Parade in Graz ist jung. Nicht nur, weil sie erst zum fünften Mal in der Murmetropole stattfindet, sondern auch, weil viele der Gäste sicher noch im Schulalter sind. Egal ob jung oder alt, Begeisterung und Einsatz für die LGBTQ-Community zeigen heute aber alle.

Brutaler Kampf um die Christopher Street

Die Paraden zum Christopher Street Day erinnern an die Polizeigewalt gegenüber der homosexuellen und transgender Bevölkerung im New York von 1969. Ausschlaggebend für die Aufstände in der Christopher Street waren willkürliche Polizeirazzien in Kneipen mit schwul-lesbischem Zielpublikum. In der Nacht vom 27. auf 28. Juni 1969 eskalierte die Situation schließlich, als besonders Dragqueens und transsexuelle Latinos zum Widerstand aufriefen. Tagelang war die Christopher Street in New York Austragungsort brutaler Straßenschlachten zwischen Polizei und LGBTQ-Menschen. Der Kampf gegen die Diskriminierung von Andersliebenden und für deren Gleichberechtigung begann.

Proteste in Erinnerung an die Kämpfe in der Christopher Street – Foto: Isabella Zick

Als Erinnerung an die Nacht vom 27. auf 28. Juni 1969 und die darauffolgenden Kämpfe finden bis heute weltweit Protestmärsche statt. Die Ziele der Bewegung wurden aber weltweit nur teilweise erreicht und auch in Österreich herrscht nach wie vor Aufholbedarf. Obwohl mit 1. Jänner 2019 die Ehe geöffnet wird, kämpft die LGBTQ-Community nach wie vor um die völlige Gleichstellung vor dem Gesetz und in der Gesellschaft und das Recht auf freien Ausdruck der eigenen Geschlechtlichkeit ohne Diskriminierung. Dass 2018 in allen neun Landeshauptstädten bei CSD-Paraden rege protestiert wird, zeigt allerdings, wie sehr sich viele ÖsterreicherInnen Veränderungen wünschen.

Zwischen Verfolgung und Toleranz

Fest entschlossen, wie damals in der Christopher Street, beginnen nun auch die Grazer mit der Parade, die von den queer Referaten Graz der österreichischen Hochschülerschaft organisiert wird. Angeführt von einer riesigen Regenbogenflagge wandern an diesem Sommernachmittag rund 3000 Personen durch die Innenstadt, über die Mur und schließlich zum Volksgarten.

Tanzend auf dem Weg in den Volksgarten – GIF: Julian Bernögger

Dort begrüßt Joe Niedermayer, Vorsitzender der RosaLila PantherInnen, die bunte Parade zur Abschlusskundgebung. „Wir müssen froh sein, dass wir heute in Graz sind“, erklärt er, denn im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, müssen sich die Demonstranten in Österreich nicht vor Verfolgung und Strafen fürchten. Trotzdem gibt es auch bei uns noch genug Luft nach oben. „Wie können wir den Menschen zeigen, dass wir nicht pervers oder kriminell sind?“, fragt Niedermayer in die Runde. Und liefert auch gleich eine Antwort: „Wir müssen einander kennenlernen und aufeinander zugehen.“

Krautwaschl: “Lasst uns gemeinsam feiern”

Am 23. Juni wird in Graz allerdings nicht nur der Christopher Street Day gefeiert, auch das 800-jährige Jubiläum der Erzdiözese Graz-Seckau findet statt. Was diese beiden so unterschiedlichen Events verbindet? Bis vor kurzem gar nichts. Doch dann wurde Wilhelm Krautwaschl zum neuen Bischof ernannt und eine bisher einzigartige Kooperation zwischen der katholischen Kirche und den RosaLila PantherInnen begann. “Lasst uns gemeinsam feiern”, sind sich beide Parteien einig und so hieß das neue Oberhaupt der steirischen Diözese im Vorhinein Alfons Haider als Vertreter der LGBTQ-Community willkommen.

Alfons Haider und Anna Höllweger mit den Grüßen von Bischof Krautwaschl – Foto: Julia Kassin

Haider ist nicht nur einer der bekanntesten Moderatoren Österreichs, sondern auch seit Jahren Aushängeschild der LGBTQ-Community, für die er sich bei Events, wie dem Life Ball oder der Vienna Pride, engagiert und sich „gerne mal öffentlich an den Pranger stellt”. Nach seinem Besuch überbrachte Haider gemeinsam mit Anna Höllwöger, Generalsekretärin der Katholischen Aktion Steiermark, Krautwaschls Grußbotschaft. “Die Katholische Kirche tut sich nicht immer leicht mit Liebesformen, die nicht dem traditionellen Bild entsprechen”, so der Bischof. Dass er einer Veränderung aber offen gegenüber steht, bestätigt Haider. “Mit diesem Bischof wird sich etwas ändern”, ist er sich sicher.

Zivilcourage zeigen

An diesem CSD in Graz wurden also die Weichen für ein friedliches Zusammenleben gestellt. Einen weiteren wichtigen Schritt in diese Richtung setzt Hikmet Kayahan in ganz Österreich mit der Kampagne “Es wird besser” ein. Die österreichische Version der weltweiten Kampagne “It gets better”, die ihren Ursprung 2013 in den USA hat, wurde von Hikmet mitbegründet. Mit “Es wird besser” haben Menschen die Möglichkeit, in einer einminütigen Videobotschaft den Mitgliedern der LGBTQ-Community Mut zu machen und Zivilcourage zu zeigen.

Dass es für die LGBTQ-Community „besser wird“, wünscht sich Hikmet Kanayan – Foto: Katrin Jaritz

Immer noch leiden zu viele Menschen an Depressionen und haben Suizidgedanken bedingt durch Mobbing, ungleiche Behandlung und Gewalt. “Obwohl wir bereits große Fortschritte gemacht haben, gibt es vor allem in den ländlichen Regionen noch große Berührungsängste und Vorurteile”, findet Hikmet. Besonders jungen Menschen fehlt es oft an Personen oder Institutionen, die ihnen in ihrer Findungsphase sagen, dass sie ok sind, so wie sie sind. Deswegen möchte Hikmet nicht nur nach Graz und Wien reisen, sondern auch in andere Bundesländer. “Zum einen, weil es dort viele Jugendliche gibt, die Unterstützung brauchen, und zum anderen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben mitzumachen. Ich will vor Ort mit den Menschen in Kontakt kommen.”

Und Action!

Um ein Teil dieser Kampagne zu werden, müssen Interessierte sich nur eine Botschaft überlegen und filmen lassen. Das Nachbearbeiten übernehmen Hikmet und Jura Branellec, wichtig ist ihnen aber, dass nicht geschnitten wird und das Video ein Oneshot ist. Jura ist seit 2016 an Hikmets Seite und übernimmt Regie und Kamerassistenz. Nachdem der Name, das Logo und die Signation eingefügt werden, wird das Video auf den Sozialen Netzwerken geteilt, in der Hoffnung, dass möglichst viele Menschen daraus Mut und Inspiration ziehen. Egal ob Teil der LGBTQ-Community oder nicht, jeder ist willkommen seine Videobotschaft aufzunehmen. “Letztens war ein Hetero da, der vom Coming Out seines Cousins erzählt hat. Er hat gesagt, wie schwierig das war und was er getan hat, um seinem Cousin zu helfen.” Auch Prominente wie Youtuber Michael Buchinger und SPÖ-Politiker Christian Kern haben sich schon vor die Kamera gestellt und ein Statement aufgenommen.

Das Leben ist keine Regenbogenparade – Foto: Julia Kassin

Hikmet gehört selbst der LGBTQ-Community an, auch er habe bereits Diskriminierung erleben müssen. Neben den offensichtlichen Attacken, sind es auch die abschätzigen Bewertungen, mit denen Menschen zu kämpfen haben. Das reicht von Bemerkungen auf offener Straßen bis hin zu ungewollten Andeutungen wie “Das ist ja sowas von schwul“. “Die Leute meine damit oft nichts böses, aber wenn du als Schwuler, Lesbe oder Transgender daneben sitzt, kränkt dich das sehr.” Das motiviert ihn dazu, dieses Projekt umzusetzen. Abseits von seinem sozialen Engagement arbeitet er Trainer für interkulturelle Kompetenzen und Konfliktmanagement. Für ihn ist es unglaublich wichtig, sich für jene einzusetzen, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen, weil sonst niemand für sie da ist.

“Das Leben ist keine Regenbogenparade”

In Österreich lebt die LGBTQ-Community in einem geschützten Umfeld mit vielen für sie errichteten Institutionen. Doch so viel Hoffnung der CSD einem bringt, dürfe man sich nicht in die Irre führen lassen, es ist nicht alles Regenbogenparade. Für Hikmet ist es wichtig, dass sich die Menschen im Klaren darüber sind, dass Schwule, Lesben und Transgender nicht den ganzen Tag in Kostümen herumlaufen und Party machen. Außerdem betont er, wie wichtig es ist, auch im alltäglichen Leben Zivilcourage zu zeigen und sich für Minderheiten einzusetzen. “Es braucht noch viel Aufklärung, um die Vorurteile abzubauen und den Menschen zu zeigen, dass es egal ist, wen man liebt. Mensch ist Mensch und jedes Menschenleben ist wertvoll.”

Wahlgrazerin aus Oberösterreich, die für Game of Thrones und Pizza alles stehen und liegen lassen würde. Hat sich auch als Musikerin probiert, drückt sich mittlerweile aber lieber durch Texte als durch Musik aus.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

12 + zehn =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Gries: Mehr als nur Verkehr?

Nächste Geschichte

Die „smarte“ Baustelle im Westen von Graz

Letzter Post in SOZIALES