Slam Poetry mit ganz viel Sex

Lesezeit: 3 Minuten

Sie ist Hebamme und schreibt Texte über das, was sie täglich vor der Nase hat. Damit hat Agnes Maier es ganz an die Spitze der österreichischen Poetry-Slam-Szene geschafft.

Agnes Maier sieht eher aus, als wäre sie noch Studentin. Vielleicht etwas Geisteswissenschaftliches. Dass die junge Frau, die eben zu ihrem Auftritt beim Ö-Slam-Finale 2017 im WUK antritt, schon eine neunjährige Tochter hat, würden wohl die wenigsten vermuten. Sie krempelt die Ärmel ihrer Weste hoch, rückt ihre runde Brille zurecht und holt tief Luft:  „Guten Abend! Ich bin Hebamme und man schreibt ja nur über das, was einen so beschäftigt, was man so täglich vor der Nase hat. In meinem Fall sind das offensichtlich Geschlechtsteile. Es geht auch um Feminismus und alle Leute, die jetzt die Augen verdrehen – innerlich wie äußerlich. Mir liegen Frauen am Herzen, mir liegen auch Männer am Herzen. Ich liebe Männer. Ich liebe Frauen. Und bevor das jetzt in eine komische Richtung abdriftet – der Text geht so.”

Agnes Maier Bei ihrem Vortrag beim Poetry Slam
Während der Landesmeisterschaft Steiermark/Kärnten hätte Agnes noch nicht damit gerechnet Ö-Slam Meisterin 2017 zu werden – Foto: Samira Frauwallner

Erwartungen

Wenn Agnes Maier auf die Bühne geht warten alle gespannt auf das, was kommt. Die meisten rechnen vermutlich mit einem blumigen Text, oder etwas Traurigem. Genau gegen diese Erwartungen kämpft Agnes Maier an. Dass eine junge Frau wirklich tiefgründig gesellschaftskritische und gleichzeitig humorvolle Texte hervorbringt, erwarten die wenigsten. „Bitte unterschätzt mich, das wird lustig”, sagt Agnes. „Oft hab ich das Gefühl, wenn ein Mann auf die Bühne geht, fängt das Publikum einfach an zu lachen, ohne dass er groß was dafür tun muss.” Das sei jedoch weder als Kritik am Poeten, noch an den Zuhörern zu verstehen. „Das Problem hierbei liegt viel tiefer, in unserem Gesellschaftsbild verankert”, sagt sie.

„Bitte unterschätzt mich, das wird lustig.” 

Mit ihren feministischen Texten, in denen es auch öfter um Geschlechtsorgane geht, leistet Agnes Maier bei Poetry Slams meist ordentlich Aufklärungsarbeit. Durch ihren besonderen Umgang mit dem Tabuthema Sex rückt sie Feminismus und die weibliche Sexualität in ein neues Licht und regt damit die Zuschauer zum Denken an. Wer bei der Erwähnung der Worte Klitoris und Schamlippe zusammenzuckt, wird bei ihren Texten an seine Grenzen kommen. Das Ganze breitet sie immer in Reimform und mit Rhythmus auf, denn ihr ginge am Poetry Slam vor allem immer mehr die Poesie verloren, sagt Agnes im persönlichen Gespräch. Deutscher Slam entwickle sich immer mehr in Richtung Stand-up Comedy und Storytelling. Das hinge auch mit der Erwartungshaltung des Publikums zusammen. „Manche Leute gehen zu einem Poetry Slam, einer Poesie Veranstaltung, und erwarten Stand-up Comedy. Das passt nicht zusammen”, sagt Agnes.

Poetry Slam Gewinnerin beim Feiern mit Omar
Bei ihrem Sieg der Landesmeisterschaft Steiermark/Kärnten –  Foto: Samira Frauwallner

Plötzlich Meisterin

Die 24-Jährige ist  Hebamme an der Privatklinik Ragnitz. Seit ungefähr zweieinhalb Jahren steht sie mit ihren Texten auf Poetry Slam- und Lesebühnen in Österreich und Deutschland. Ihren ersten Auftritt hatte sie im Minoritensaal in Graz. Nachdem sie bei ihrem Praktikum in Hamburg, das sie im Rahmen ihres Hebammen-Studiums an der FH Joanneum absolvierte, das erste Mal eine Lesebühne besuchte, war sie hungrig auf mehr. Wieder zurück in Graz besuchte sie gleich ihren ersten Minoriten-Slam und beim nächsten Termin stand Agnes schon selbst auf der Bühne.

Zweieinhalb Jahre später hat Agnes Maier so ziemlich alles gewonnen, was man in der österreichischen Slam Szene nur anstreben kann. Momentan ist sie amtierende Ö-Slam Meisterin. Bei den Österreichischen Meisterschaften 2017 holte sie nicht nur im Einzel- sondern auch im Teambewerb den Titel. Zusammen mit Klaus Lederwasch gründete sie das Team „Kevin”. Kevin deshalb, weil das der Name ist, von dem man „evidenzbasierterweise am wenigsten erwartet”, sagt Agnes. Jetzt, wo sie all ihre persönlichen Ziele erreicht hat, macht sie Poetry Slam nicht mehr um zu gewinnen oder um zu beweisen – anderen, sowie sich selbst –, dass sie es kann. Sie schreibt einfach nur zum Spaß und um Zuhörern neue Perspektiven der immer gleichen Themen zu präsentieren. „Wenn ich morgen keine Lust mehr auf Slam hätte, würde ich einfach aufhören, aber das ist sehr unwahrscheinlich”, sagt die Poetin.   

 

Nächste Termine
19.12.2017 – Gewalt ist keine Lesung #47 Lesebühne (Graz)

10.01.2018 – Duo-Show mit Alex Burkhard (Wien)

02.02.2018 – Blitzdichtgewitter Jazz Slam (Wien)

09.02.2018 – Slam if you can (Klagenfurt)

23.03.2018 – St. Johanner Spoken Word Tage

07.04.2018 – Arge Slam (Salzburg)

16.04.2018 – Bis einer reimt Lesebühne (Wien)

17.04.2018 – Stummgabel Slam (Wien)

18.04.2018 – Stille Post Slam (Wien)

Wer jetzt scharf auf Poetry Slam ist und wem der Weg nach Wien zu weit ist, hier findet ihr laufend neue Veranstaltungen in Graz und der restlichen Steiermark. 

Bemalt gerne Leinwände, Körper und Weinflaschen. Hat zu allem eine Meinung und tut diese auch gerne kund, oftmals mit einer Portion Humor und in Form von kleinen Wortwitzen.

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