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„Die letzte Vorstellung ist die beste!“

in KULTUR von

Clemens Maria Schreiner ist Kabarettist, 28 und inaktiver Organspender. Im Interview erzählt der Steirer, warum er gerne über Staubsaugerroboter spricht und warum ein Kabarettprogramm bei der letzten Vorstellung am besten ist.

Den Termin bei seinem Steuerberater hat Clemens Maria Schreiner (Titelbild: © Moritz Schell) gerade hinter sich gebracht, als ihn die Annenpost am Telefon erreicht. Ein persönliches Treffen mit dem gebürtigen Leobener zu arrangieren, der als bislang jüngsten Sieger des Grazer Kleinkunstvogels in die Kabarettgeschichte eingegangen ist, hat sich als schwierig erwiesen. Das hatte schon sein Management anklingen lassen. Kein Wunder, der Mann ist vielgebucht, das zeigt schon ein Blick auf seinen Terminkalender auf Schreiners Webseite, für die er sich bezeichnenderweise die Domaine rampensau.at gesichert hat. In Graz ist er daher nur noch sporadisch zu Gast. Und das, obwohl der Kabarettist eigentlich einen starken Bezug zum Annenviertel hat. Immerhin drückte er früher in der GIBS (Graz International Bilingual School, Anm.), die anfangs noch in der Marschallgasse war, die Schulbank.

Annenpost: Sie touren mit Ihrem Programm „Immer ich“ durch Österreich, heute sind Sie im Grazer Orpheum zu Gast. Was darf man sich vom Programm erwarten?

Clemens Maria Schreiner: Das große Thema, das ich behandle, ist der Egoismus. Es ist nämlich sehr verschrien, wenn Menschen gerne über sich selbst sprechen. Ich finde da nichts dabei. Im Gegenteil: Ich unterhalte mich gerne mit solchen Leuten, weil man da weiß, dass sie sich bei diesem Thema wenigstens halbwegs auskennen. Es ist ein sehr ehrliches Programm, das auch meine Stärken und Schwächen miteinbezieht. Würde ich selbst im Publikum sitzen, wäre ich hin und wieder peinlich berührt. Man kann im Programm auch den einen oder anderen Fun Fact über meine Person erfahren.

Zum Beispiel?

Dass ich Organspender bin, aber momentan halt nicht aktiv.

Gute Pointe. Wie groß ist dennoch Ihre Angst, dass bei einem Kabarett niemand lacht?

Der Mut und die Lust am ruhigen Moment ist nichts Falsches. Was nicht heißen soll, dass es gut ist, wenn ein Witz ohne Publikumslacher versickert. Ich meine damit, dass es auch um Inhalte gehen darf, wo nicht ein Schenkelklopfer dem nächsten folgen muss. Das Publikum soll ruhig auch zwei oder drei sinnvolle Gedanken mit nach Hause nehmen. Aber klar, das Hauptziel ist, dass der Abend die Leute gut unterhält.

Wie lenkt man die Vorstellung in die richtige Richtung, wenn sich die Lacher in Grenzen halten?

Die oberste Prämisse lautet, Ruhe zu bewahren und mit dem Publikum daran zu arbeiten, dass es noch etwas wird. Ein Kabarettabend ist immer ein gemeinsamer Abend mit Kabarettist und Publikum. Wenn man sich das vor Augen führt, gibt es immer noch ein Licht, dass der Abend etwas wird.

„Das Programm ist nicht fertig, wenn du den Stift weglegst.“ – Foto: Moritz Schell

Kann es auch zu viel Applaus geben?

Nein, grundsätzlich freut man sich natürlich darüber. Die Leute kommen ja nicht, um mir eine Freude zu bereiten, sondern idealerweise spiele ich, um den Leuten eine Freude zu machen. Natürlich wünscht man sich, dass …

… das Handy der Zuschauer nicht klingelt.

Ja, das auch. Vor allem, wenn man bei einer Erzählung einen Bogen spannen will, ist das nicht gut. Oder, wenn jemand seinem Sitznachbarn die vorige Pointe nochmals erzählen muss, weil der sie nicht verstanden hat. Letztens hat ein Zuschauer eine selbstausgedachte Pointe halblaut vor sich hingesagt. Normalerweise passiert es mir nicht, dass ich mich durch das Publikum aus der Ruhe bringen lasse und mein Konzept verliere. In dem Moment war es aber vorbei mit mir, nicht lachen konnte ich nicht mehr.

Heißt das, dass Ihr Programm seit dieser Begebenheit um eine Pointe reicher ist?

Klar, da bin ich alles andere als eitel. Erstens hat mir der Witz selbst gut gefallen, zweitens auch dem Publikum. So etwas schafft es dann natürlich ins Programm.

Folglich werden Kabarettprogramme also mit der Zeit besser.

Bei der letzten Vorstellung ist es tragischerweise am besten. Das Programm ist ja nicht in dem Moment fertig, in dem du den Stift weglegst. Wenn man ein Programm auch nach zwei Jahren noch spielt und sich dann den Text der Premiere ansieht, sieht man erst, wo sich das Programm hinentwickelt hat.

Text hin oder her – wie viel Stegreif ist bei Ihren Auftritten dabei?

Kabarett macht mir de facto am meisten Spaß, wenn neben dem Einstudierten noch genügend Raum für Spontaneität bleibt. Der Großteil meines Auftritts ist freilich durchgeplant, ich will ja Themen anbringen. Aber das Kabarett an sich taugt mir so sehr, weil es im Idealfall die Möglichkeit bietet, spontan zu sein. Das nutze ich dann natürlich aus.

„Humor ist halt was sehr Subjektives.“

Apropos: Gibt’s Themengebiete, die immer funktionieren?

Wichtig ist, dass du die Leute berührst mit deinen Geschichten, dass sie sich selbst oder einen Bekannten darin wieder erkennen. Klassische Beziehungsgeschichten funktionieren immer, aber man muss sie trotzdem nicht jedes Mal bringen. Man darf gerne auch ums Eck denken: Wichtig ist der Wiedererkennungseffekt, dann kannst du auch über König der Löwen und die Zukunft des Staubsaugerroboters philosophieren.

Sie sind 28 Jahre alt, regelmäßig bei „Was gibt es Neues“ im ORF zu sehen und standen beispielsweise mit den Kollegen Resetarits, Vitasek, Stipsits und Maurer beim Kabarettgipfel in der Wiener Stadthalle auf der Bühne. Nicht dass ich Sie dazuzählen würde, aber wie lange geht man als Nachwuchskabarettist durch?

Das ist ein schwieriges Etikett, weil da mitschwingt: „Er macht das eh ganz gut, aber wenn er dann irgendwann mal ins Alter vom Resetarits kommt, dann wird er auch wirklich super sein.“

Ich traue mich zu behaupten, dass es aktuell Kabarettisten bei uns gibt, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, aber dennoch gute Programme bieten.

Ja, klar. Es tut sich erfreulicherweise in unserer Kabarettszene enorm viel und es sind einige gute Leute unterwegs. Das Wichtigste ist eh, dass du deinen eigenen Stil findest und dir dann dein Stammpublikum erspielst – Humor ist halt was sehr Subjektives.

Dennoch ist der Anfang kein leichter, oder?

Am Anfang ist es immer schwierig. Ich habe damals viel Glück gehabt, es hat sich sehr viel sehr gut für mich ergeben. Du musst nicht nur Qualität liefern, sondern auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und dann musst du zu 100 Prozent hinter dem stehen, was du auf der Bühne machst. Tust du das nicht, machst du weder dir selbst noch dem Publikum eine Freude.

Der Anzug sitzt, Schreiner auch. Im Frühjahr 2018 tritt er wieder in Graz auf. – Foto: Arnold Pöschl

Ein Kollege von Ihnen wurde Schauspieler, ein anderer Politiker. Reizt Sie so etwas momentan nicht?

Absolut nicht. Es mag das Kabarett wie eben besprochen am Anfang vielleicht ein hartes Business sein. Ich kann mir im Moment aber nichts Schöneres vorstellen als auf der Bühne zu stehen und meine eigenen Texte vorzutragen. Da ist man vor allem am Beginn in der Politik mit Sicherheit ärmer dran. Bis zu einem persönlichen Polit-Engagement rinnt also noch sehr viel Wasser die Mur hinunter.

Was ist in unseren Breiten momentan das gefundendste Fressen für Kabarettisten?

Viele sagen ja, dass jetzt politisch gesehen österreichweit die goldene Zeit des Kabaretts hereinbrechen würde. Wenn man sieht, was teilweise an Kulturförderungen gestrichen wird, ist das keine goldene Zeit für Satire. Ich glaube dennoch, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Der Stoff geht definitiv nicht aus.

Nächste Graz-Auftritte – „Immer ich“:
Sa, 09.12.2017, Orpheum Graz
Sa, 20.01.2018, Casineum Graz
Di, 03.04.2018, Theatercafé Graz
Mi, 04.04.2018, Theatercafé Graz
Weitere Termine unter: https://www.rampensau.at/

Ist nicht nur, aber meist im Murtal und im Sport zuhause. Begleitet den Fußball schreibend, auch sprechend. Ein Tag ohne Schokolade und Smartphone ist ein verlorener Tag. Und wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben noch lange nicht verloren. Gibt ihn auch auf Facebook, Twitter & Instagram.

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