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Die Brennpunkte des DramatikerInnenfestivals 2017

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Wohnzimmerlesungen, Gefängnisbesuche oder Auto-Theater: Die zweite Ausgabe des DramatikerInnenfestivals Graz hat vieles zu bieten. Ein Leitfaden für alle Literatur-Hotspots im Annenviertel.

Viele Veranstaltungen des Festival sind kostenlos. Foto: Lupi Spuma

Ein lauer Sommerabend, der in dicke Wassertropfen gehüllt ist. Die Kühle zieht in die Stadt und die Menschen verkriechen sich nach einem langen Arbeitstag in ihre Wohnungen, in denen es warm und trocken ist. 15 Literaturbegeisterte haben sich an diesem Abend in einem Wohnzimmer in Gries zusammengefunden. Sie stoßen an, auf einen Abend voller Dramatik. Denn anstatt fernzusehen, ist die slowenische Dramaturgin Simona Hamer ihr Unterhaltungsprogramm. Die Autorin bringt die Literatur in die Wohnzimmer, denn an diesem Abend sollten die Texte zum Publikum kommen – und nicht umgekehrt. Die Lesung in Gries ist nur eine von insgesamt 50 sogenannter Wohnzimmerlesungen, die unter dem Titel „Literarische Nahversorgung“ am Abend des 06. Juni in der gesamten Steiermark stattfanden. Die Lesungen waren der Auftakt des diesjährigen DramatikerInnenfestivals Graz.

Öffentlich vs. privat

Unter dem Motto „Privatsache“ bespielt das Festival – eine Kooperation zwischen DRAMA FORUM von uniT und dem Schauspielhaus Graz – von 06. bis 11. Juni 2017 öffentliche und private Räume in der ganzen Steiermark. Thema ist das Spannungsfeld „Theater”. Dieses soll neben seiner Rolle als öffentlicher und politischer Versammlungsort auch im Privaten einen Rückzugsort darstellen. Außerdem spricht das Festival die Herausforderungen unserer turbulenten Zeiten an. Die teilnehmenden AutorInnen stellen sich diesen auf literarische Weise. „Im Annenviertel sind einige tolle Stücke dabei“, sagt Edith Draxl, Leiterin von Drama Forum, das die Produktion zeitgenössischer, dramatischer Texte fördert. Der Annenpost hat sie ihre Tipps verraten, die gerade im Viertel stattfinden.

Die öffentliche und offizielle Eröffnung findet am 07. Juni im Grazer Schauspielhaus statt. „Reden über das Private“ ist ein Rückblick auf die Wohnzimmerlesungen des Vortages. Autor Raoul Schrott und Facebook-Kläger Maximilian Schrems halten Vorträge und das nach dem verstorbenen Regisseur Ernst M. Binder benannte Ernst-M.-Binder-Stipendium wird erstmals verliehen – es steht bereits fest, dass es an Schauspielerin Mercy Dorcas Otieno geht. Gefeiert werden soll danach ab 22 Uhr beim Eröffnungsfest auf der Murinsel, dem Festivalzentrum.

Edith Draxl, Veranstalterin des DramatikerInnenfestivals und Leiterin von Drama Forum. Foto: Lupi Spuma

Mariahilferplatz – Interpretationssache: 14 x 14 Minuten Theater

Dieses Format spielt mit Privatheit und Öffentlichkeit. Privatsache ist immerhin eine Frage der Interpretation. Wohnwägen, Autos oder Busse werden zu Theaterbühnen, auf denen Texte junger AutorInnen vorgetragen werden. Die dort Vortragenden sind allesamt für den Retzhofer Dramapreis nominiert. In 14 x 14 Minuten präsentieren KünstlerInnen die 14 Texte der 15 jungen AutorInnen – einer der Text hat zwei Verfasser – auf unterschiedliche Art und Weise, etwa durch Video- oder Audioinstallationen. „Es ist wie eine Ausstellung, die sich ideal an mehreren Tagen konsumieren lässt“, beschreibt Draxl. Für sie ist es ein „unkonventionelles Theatererlebnis”, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Schauspielhaus und Schaumbad – Sicherheit statt Freiheit

Im Rahmen des Festivals ist auch der zweite Teil des Rechercheprojekts „Graz und die Menschenrechte“ von Regisseur Clemens Bechtel zu sehen. Schauplatz ist ein Ort, an dem Eisengitter und Stahltüren den Verlust von Freiheit und gleichzeitig die Gewährung von Sicherheit bedeuten. Im Gefängnis sollen Antworten auf Fragen zum Strafsystem, Überwachung, dem Leben in Haft und Sicherheit gegeben werden. Gespräche mit InsassInnen, JustizbeamtInnen oder JustizexpertInnen bilden die Grundlage für eine Installation, die durch eine gemeinsame Busfahrt und einem Halt im Schaumbad audiovisuell erlebbar ist.

Theater am Lend – Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt.

In diesem Stück beschreibt Miroslava Svolikovas, die Gewinnerin des Retzhofer Dramapreises 2015, den Wunsch der Menschen, die Welt mittels Politik und Kunst positiv verändern zu wollen. Die drei Protagonisten des Stückes denken alle, sie hätten eine Ausschreibung gewonnen, die sie zu einer Aufgabe verpflichtet. Was für eine Aufgabe das ist, wissen sie selbst nicht. Vielleicht ist es aber die wichtigste Aufgabe unserer Zeit. „Das Stück blickt in die mögliche Zukunft Europas“, sagt Draxl und deutet den hochaktuellen Zugang an.

Ein Ausschnitt aus dem Stück von Miroslava Svolikovas. Foto: Matthias Heschl

Theater am Lend – Arbeitsateliers

Hier hat man die Gelegenheit, den AutorInnen bei der Entwicklung neuer Stücke über die Schultern zu schauen. Bei Natascha Gangl kann man etwa den Entstehungsprozess eines Märchens voller Heimatlieder und Altenheime miterleben. Ebenso mit dabei sind die KünstlerInnen Ivna Zic, Mehdi Moradpour und Zino Wey. Zu viert bieten sie Interessierten die Möglichkeit, sich aktiv und kreativ an den Werken zu beteiligen, in die Arbeiten einzutauchen und ihre Stücke zu bereichern.

Theater am Lend – Mauerschau

Im Jahr 2017 steht die Berliner Mauer seit 28 Jahren nicht mehr. Insgesamt stand die Berliner Mauer 28 Jahre. Die Autorin dieses Stücks ist 2017 gleich alt, wie die Mauer wurde. Nele Stuhler nimmt den Mauerfall zum Anlass für ein Theaterstück. Sie fragt sich darin: Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn die Mauer nicht gefallen wäre?

Gefängniskapelle Karlau und St. Vinzenz-Kirche – Judas

Diese Vorstellung des Schauspielhauses Graz ist ausschließlich in Kirchen zu sehen, denn der Inhalt ist biblischer Natur. Judas wird zur Hauptfigur des gleichnamigen Theaterstückes. Nachdem er für den Tod des Messias verantwortlich gemacht wird, will Judas seine Sicht der Dinge offen legen. Das Stück ist ein Augenzeugenbericht, eine Verteidigungsrede und eine Image-Kampagne zugleich. 

Die Besten kommen zum Schluß

Sein offizielles Ende findet das DramatikerInnenfestival am 11. Juni mit der Übergabe des Retzhofer Dramapreises im Schloss Retzhof. Der Nachwuchspreis für szenisches Schreiben ist mit 4.000 Euro dotiert. Nominiert sind jene 15 AutorInnen, deren Stücke im Rahmen  von „Interpretationssache“ zu sehen sind. Es soll ein ehrenvoller Abschluss für die neue Dramatik der jungen SchriftstellerInnen sein, der den Weg zu weiteren literarischen Bühnen des Landes ebnen soll.

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Alle Aufführungsorte und -zeiten sowie weitere Informationen rund um das DramatikerInnenfestival Graz sind hier zu finden. 

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Gerne lässt Anna ihrer Kreativität freien Raum, egal ob beim Kreieren neuer Ideen oder dem Probieren neuer Back-Rezepte. Doch Struktur und Organisation dürfen da bei ihr nie fehlen. Neben ihrer Vorliebe für’s Backen hat sie auch ein Herz für Tiere und ist begeisterte Kunstliebhaberin jeglicher Sparten.

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