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Die Gstettn in die Stadt bringen

in VIERTEL(ER)LEBEN von
Die Urlaubszeit ist vorbei und ab kommender Woche drücken Kinder und Jugendliche in der Steiermark wieder die Schulbank. Gott sei Dank gibt es mitten in Graz einen Ort, an dem die Ferien für Kinder nie enden.

Eine selbstgebaute übergroße Sitzecke, damit sich auch die Erwachsenen wie Kinder fühlen können.
Eine selbstgebaute übergroße Sitzecke, damit sich auch die Erwachsenen wie Kinder fühlen können.

Der Abenteuerspielplatz Afritschgarten liegt ein wenig versteckt hinter dem Lendplatz. Wer von der Keplerstraße in die Gabelsbergerstraße abbiegt, dem wird vermutlich nur das große AVL Logo am Ende der Straße ins Auge stechen. Nach wenigen Metern zweigt rechts eine Gasse ab, entlang derer sich eine von Kindern bemalte Wand erstreckt. Dahinter bietet der Verein Fratz Graz das Kinderparadies schlechthin. Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 14 Jahren können sich hier nach Belieben austoben.

Alles, was das Kinderherz begehrt
Der Abenteuerspielplatz erfreut sichtlich nicht nur die Kleinen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht empfängt mich Fritz Neuhold, einer der beiden HauptbetreuerInnen, und führt sogleich über das Gelände. Schon auf den ersten Metern entbrennt der Wunsch, wieder ein Kind zu sein. Fritz erklärt das Grundkonzept von Abenteuerspielplätzen. Die Gstettn in die Stadt zu bringen sei das Ziel. Von der Sitzgarnitur und dem Tischfußballtisch auf der Veranda des Verwaltungsgebäudes schweift der Blick über ein Seil, mit dem sich gerade ein todesmutiger Tarzannachfolger von einem Baum schwingt, weiter zur Matschgrube. „Wenn ihr Kind nicht schmutzig nach Hause kommt, geben sie es bitte zurück, denn es hat noch nicht genug gespielt!“, heißt es vorsorglich auf der Homepage. Da dürfte aber wohl keine Gefahr bestehen.

Wer wollte als Kind nicht sein eigenes Tipi im Garten haben?
Wer wollte als Kind nicht sein eigenes Tipi im Garten haben?

Apropos Gefahr. Der Afritschgarten besteht aus mehreren Bereichen. Im „harmlosen“ äußeren Ring dürfen sich die Kinder ebenso frei bewegen, wie im eingezäunten Herzstück, dem eigentlichen Abenteuerspielplatz. Einziger Unterschied: Im inneren Teil des Spielplatzes muss ein Betreuer anwesend sein. Das ganze Areal wirkt riesig, obwohl bereits ein Teil davon dem Ausbau der benachbarten Firma AVL weichen musste. „Immerhin haben wir erreicht, dass die Bäume bestehen bleiben“, erklärt Fritz und deutet an einem alten Wohnwagen vorbei Richtung Firmengelände. Regelmäßig würden ihnen Menschen weitere Grundstückseinbußen prophezeien. Vorerst bleibt das Gelände, wie es ist. Wo sollten sonst der Hügel mit Rutsche, das Tipi oder der Bambuswald Platz haben?

In den Baumhäusern kann man prima Verstecken spielen.
In den Baumhäusern kann man prima Verstecken spielen.

„Hier ist nichts TÜV-geprüft“, meint Fritz schmunzelnd als er Tür zum inneren Teil des Spielplatzes öffnet. Hier beginnt das Abenteuer wirklich. Da gibt es eine kleine Werkstatt für Holzarbeiten, eine Kletterwand, mehrere Baumhäuser und sogar einen eigenen Hochseilgarten. Auch wenn Betreuer und Klettersteigset doppelt sichern, schadet es hier bestimmt nicht, schwindelfrei zu sein. Weil Klettern und Handwerken auch ziemlich anstrengend sein können, gibt es als Highlight ein besonderes Refugium im Herzen des Afritschgarten: Eine echte mongolische Fürstenjurte. In ihr schlüpft Fritz hin und wieder in eine besondere Rolle: „Manchmal sitze ich hier verkleidet und mit Turban und gebe den Märchenonkel.“

Gemütlicher geht nicht. Zeit für die Märchenstunde mit Fritz.
Gemütlicher geht nicht. Zeit für die Märchenstunde mit Fritz.

Ein starkes Team mit einer wichtigen Mission
Auch wenn sich das alles recht einfach anhört, bedarf es doch einer besonderen Ausbildung für Betreuer der Anlage. Eine pädagogische Ausbildung sowie ein handwerklicher Zugang sind praktisch ein Muss. Fritz Neuhold etwa ist Zimmermann. Darüber hinaus organisiert der Bund für Jugendfarmen und Aktivspielplätze in Deutschland zweimal im Jahr Seminare, in denen die rechtlichen Grundlagen vermittelt werden.
Fritz Neuhold bezeichnet den Spielplatz auch als sozialen Trichter. Kinder aus dem ganzen Viertel treffen sich dort. Themen wie Herkunft oder soziales Umfeld werden am Spielplatz zur Nebensache. Auch die einstige Lernhilfe gibt es aus einem bestimmten Grund nicht mehr. „Wir wollen die Kinder wirklich zum Spielen verleiten“, erklärt Fritz. Auf diese Weise wolle man das Miteinander fördern. Die Sorgen des Alltags bleiben draußen. Der Umgang mit Tieren hilft dabei ebenfalls. Zwei Kaninchen und vier Hühner teilen sich den Spielplatz mit den Kindern.

Die Kaninchen haben die Kinder besonders gern.
Die Kaninchen haben die Kinder besonders gern.

Mehr als nur ein Spielplatz
Abgesehen von dem frei begehbaren Abenteuerspielplatz, bietet der Verein Fratz Graz auch noch andere Attraktionen. Das Programm inkludiert auch organisierte Ausflüge oder Workshops. Diese kosten dann auch etwas, im Gegensatz zum Normalbetrieb am Spielplatz, der kostenlos von den Kindern genutzt werden kann. Finanziert wird der Spielplatz zusätzlich durch eine Co-Finanzierung der Stadt Graz und des Landes Steiermark. Dazu kommen Einnahmen aus den Workshops oder anderen Projekten des Vereins. So gibt es beispielsweise das Spielmobil, ein Kleinbus der jeden beliebigen Ort in einen Spielplatz verwandelt. In Eisenerz organisiert der Verein Kinderstadtführungen, bei denen die Kinder selbst die Stadt erkunden dürfen.

25 Jahre Fratz Graz
Seit einem Vierteljahrhundert liegen dem Verein die Kinder bereits am Herzen. „Die Spiel- und Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern“, war Ernst Muhrs Gründungsgedanke, der bis heute das Motto des Vereins ist. Beruflich war Ernst Muhr bei Jugend am Werk tätig, ehe er sich 1991 entschloss „sein eigenes Ding zu machen“. Gemeinsam mit Freunden und Verwandten gründete er den gemeinnützigen Verein Fratz Graz. Damals beschränkte sich ihre Aktivität auf den Bezirk Lend. Mittlerweile ist der Verein steiermarkweit aktiv. Selbst verbrachte der heutige Geschäftsführer von Fratz Graz zuvor einige Zeit bei den Roten Falken. Diese gingen aus den von Anton Afritsch gegründeten Kinderfreunden hervor. Afritschs Name lebt im heutigen Abenteuerspielplatz weiter. Die allgemeine Idee für Abenteuerspielplätze stammt ursprünglich aus Dänemark. Der Landschaftsarchitekt Carl Theodor Sörensen beobachtete in den 40er Jahren Kinder beim Spielen auf Baustellen und entwickelte daraufhin die ersten Vorläufer der heutigen Abenteuerspielplätze. In Deutschland gäbe es heutzutage an die 300 solcher Einrichtungen, während in Österreich nur Graz und Salzburg eine hätten, bedauert Fritz. Damit es zumindest den Grazer Kids an Nichts fehlt, plant er bereits eine weitere Attraktion. Bald wird der Afritschgarten um einen gemauerten Pizzaofen erweitert.

Egal ob beim Wandern in der Natur oder in den Untiefen des Internets, Clemens ist immer weltoffen. Reisen in alle Winkel der Erde steht ganz oben auf seiner To-Do-Liste.

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