„Für mich ist das ein Tag wie jeder andere. Mir ist da nur wichtig, dass wir alle Besorgungen erledigen, damit am Ende alle was zum Essen haben." - Enrico (rechts).

Ein Tag wie jeder andere

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Wie Weihnachten an den Orten aussieht, an denen es eigentlich niemand verbringen will. Wie geht es Menschen in Not an Heilig Abend? Ein Blick in drei Annenviertler Wohneinrichtungen.

„Für mich ist das ein Tag wie jeder andere. Mir ist da nur wichtig, dass wir alle Besorgungen erledigen, damit am Ende alle was zum Essen haben." - Enrico (rechts).
„Für mich ist das ein Tag wie jeder andere. Mir ist da nur wichtig, dass wir alle Besorgungen erledigen, damit am Ende alle was zum Essen haben.“ – Enrico (rechts).

Wenn man genau hinsieht, hat sich aber auch hier ein wenig Weihnachtsstimmung eingeschlichen. Von der Decke hängen Christbaumkugeln, im Gang vor der Gemeinschaftsküche glänzt eine Krippe in Gold und bildet einen festlichen Kontrast zu den „Vorsicht bissig!“- und „Kein Eintritt“-Schildern, die BewohnerInnen zur Abschreckung an ihren Türen angebracht haben. Es finden sich dennoch immer ein paar, die gerne Kekse backen und Christbaum schmücken. Andere ziehen sich in dieser Zeit des Jahres in ihre Zimmer zurück. „Weihnachten ist bei uns eher heikel“, sagt Eva Lenger, die das Team ON Haus seit 20 Jahren leitet. Die betreute Wohnanlage in der Rankengasse 22 bietet für wenige Euro im Monat Gestrandeten und Heimatlosen ein Dach über dem Kopf. „An Heilig Abend werden viele an ihre Familien erinnert und daran, dass sie einsam sind.“ Zu traurig sollte das einen aber nicht machen, denn ganz alleine sind die Menschen hier auch wieder nicht. „Also mir geht’s am 24. jetzt nicht sonderlich anders. Wir sitzen dann halt zusammen in der Küche und essen was. Im Hintergrund läuft Musik und wir spielen Karten“, sagt Enrico. Streitereien gäbe es an den Feiertagen nicht, das sei früher aber anders gewesen. „Als noch Junge im Haus waren, boa da is‘ abgangen, die haben Silvesterknaller im Stiegenhaus angezündet“, erinnert sich Eva Lenger.

17.12. Heilig Abend im Ressidorf
Auch im Ressidorf, einer Notschlafstelle der Caritas im Gries, weihnachtet es. Gefeiert wurde aber schon am 17. Dezember, da es Teamleiter Pierre Payer nicht übers Herz bringt, seine Mitarbeiter zu bitten, am 24. zu arbeiten. Teelichter, ein geschmückter Baum, Glühwein und Jause verwandeln den Aufenthaltsraum in einen „Festsaal“. Aus der Holzhütte dringt Zigarettenrauch und lautes Gelächter. Rund 15 ältere Männer und einige wenige Frauen haben es sich um einen Tisch bequem gemacht – und mittendrin eine Zweijährige, die die meisten hier kennen und grüßen. Die bevorzugte Pose: Glühweinbecher in der einen Hand, Zigarette in der anderen. Wo man sitzt, bestimmt nicht, mit wem man sich unterhält. Wer sich kennt, ruft quer durch den Raum. Es wird getrunken, gegessen, gelacht. Dann wird es still. Eine Rede von Betreuer Pierre: „Leider hat dieses Jahr Weihnachten einen traurigen Nachgeschmack. Traurig, weil zwei von uns im Ressidorf in den letzten drei Wochen gestorben sind. Das spüren wir natürlich.“ Einige senken den Kopf. Ein paar Tränen kullern. Kurz darauf wird wieder getrunken, gegessen, gelacht.

Im Ressidorf wohnen all jene, die sonst keinen Schlafort finden. Der eine kommt aus der Landesnervenklinik, der andere wurde wegen  Alkoholsucht von einer ähnlichen Notschlafstelle hierher geschickt.

Der Witz des Abends: „Und später gibt’s dann ein Spanferkel, ge?“
Der Witz des Abends: „Und später gibt’s dann ein Spanferkel, ge?“

„Hier wohnen Menschen, die mit unserer Gesellschaft einfach nicht zurechtkommen. Wir nehmen sie ernst“, sagt Pierre Payer stolz über seine Arbeit. „Es freut mich dann an Weihnachten, wenn Leute, die schon lange ausgezogen sind, herkommen, um alle wiederzusehen.“ So wie Leopold, der seit kurzem in einer Gemeindewohnung lebt. „Weihnachten wird heuer schön. Ich feier‘, dass ich vor zwei Jahren mit dem Rauchen und vor drei Jahren mit dem Trinken aufgehört hab. Nach meinem Schlaganfall hab‘ ich mir gesagt, jetzt ist Sendepause.“

Meine zweite Familie
„Alkohol ist bei uns verboten und wer nach 22 Uhr kommt, darf draußen schlafen“, sagt Ulrike Silberschneider in einem strengen aber fürsorglichen Ton. Herr K. nickt brav. „ Außer zu Silvester, da ist das Haus rund um die Uhr offen.“ Aber auch Weihnachten spielt im Haus im Hof der St. Vinzenzkirche eine große Rolle. Im September nahm das VinziTel, eine Notschlafstelle der Vinzi-Werke in Eggenberg, ein Paar auf, das ein Kind erwartete.

Die runden Kekse sind aus Herr K.‘s Heimat und eine ägyptische Spezialität, die er mit den Sozialarbeiterinnen Mirjam Bauer (links) und Ulrike Silberschneider formt.
Die runden Kekse sind aus Herr K.‘s Heimat und eine ägyptische Spezialität, die er mit den Sozialarbeiterinnen Mirjam Bauer (links) und Ulrike Silberschneider formt.

Seit 10. Dezember hat das VinziTel nun ein Adventbaby. „Das passt sehr zu dieser Zeit, in der es um das Thema Geburt geht. Eigentlich wäre der Geburtstermin ja am 25. gewesen“, sagt die  Sozialarbeiterin Ulrike Silberschneider. Ihr sei es wichtig, den Menschen Weihnachten so angenehm wie möglich zu machen. Alle die wollen, können bei den Vorbereitungen fürs Fest mithelfen. Bei der letzten BewohnerInnenversammlung haben diese beschlossen, dass Kekse backen für den Advent ein Muss sei. Am 24. essen alle an einer großen Tafel, Pfarrer Wolfgang Pucher kommt, um das Weihnachtsevangelium zu lesen, und jeder bekommt ein gespendetes Päckchen. „Eigentlich habe ich zwei Weihnachten. Wir Orthodoxen feiern am 24. Dezember und am 6. Jänner“, so Herr K., der vor drei Monaten aufgrund finanzieller Probleme im VinziTel gelandet ist. „Aber ich bin mir sicher es wird heuer auch schön. Ich bin zwar nicht bei meiner Familie, aber sie (deutet auf die Leiterinnen) sind meine zweite Familie.“

 

 

Schlechtwitzmeisterin, Quasselstrippe, mag gute Schwarzweißfilme und liebt lange Nachtspaziergänge- am meisten im Annenviertel.

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