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Ein Theater feiert sich selbst

in KULTUR von

Mit der langen Theaternacht im Theater im Bahnhof ging die Reihe „Repertoire für eine sparsame Zeit“ ins Finale. Ein Abend unter Freunden.

Von Katrin Nussmayr

 

Das Theater im Bahnhof (TiB) kommt in die Jahre: Seit 17 Jahren bespielt das Ensemble Grazer Bühnen und den öffentlichen Raum, experimentiert mit Inszenierung und Alltag und bewegt sich dabei stets zwischen Dilettantismus und Professionalität. Mit der Produktionsreihe „Repertoire für eine sparsame Zeit“ wollte das Theater einen Gang zurück schalten und angesichts der hektischen Welt, in der wir leben, auf „Pause“ drücken. Ohne Panik, Reizüberflutung und Weltuntergang.

Die entschleunigte Reihe, mit der zwei Monate lang die eigenen Proberäume bespielt wurden, gipfelte in einer langen Theaternacht. Eine Momentaufnahme, ein Rückblick, eine Feier vom TiB für das TiB. So waren etwa Älterwerden, Innehalten und Reflektieren zentrale Themen der Stücke, die an diesem Abend präsentiert wurden.

TiB Post-itEines der Post-its, von denen Ed Hauswirth in „Husband“ seinen Text abliest

 

In „Husband“ mimt Ed Hauswirth, künstlerischer Leiter im TiB, einen unzufriedenen Mittvierziger. Einsam auf dem Gehsteig der Volksgartenstraße wandelnd führt er einen Monolog über Sinn und Unsinn seiner bisherigen Beziehungsgeschichte. Dabei beklebt er Verkehrsschilder und die Fassade hinter ihm mit Post-its, von denen er seinen Text abliest. Das Publikum beobachtet aus den Räumlichkeiten des Kunstvereins < rotor >, wie er zufällige Passanten in seine Performance miteinbezieht, Gründe aufzählt, warum er lieber Junggeselle wäre und schließlich wild über die Straße hüpfend vorbeifahrende Autos aufhält.

TiB-Geschäftsführerin Monika Klengel verkriecht sich in „Verschwinden“ in ihrem Rollkragenpullover. Den Bund des Pullovers über die Zehen gestülpt und den Rollkragen über das Gesicht gezogen schafft sie sich eine Höhle, in der sie „ganz für sich“ ist. Dort kann sie, beschwingt von Sekt und Musik aus ihrem Handy, einfach einmal allein sein. Nebenbei erzählt sie auf vergnügliche Weise von ihrer Suche nach einem geeigneten Pullover und dem ewigen Problem, auch ihre Zehen darunter verschwinden zu lassen. Eingehüllt in ihren Pulli begibt sie sich auf der Bühne in wilde Skulpturen und demonstriert verschiedene Arten des „Verschwindens“. „Frauen verschwinden oft aus dem gesellschaftlichen Leben, wenn sie alt sind. Ich widme mein Verschwinden diesen Frauen“, erklärt sie auf der Bühne.

TiB verschwindenIn „Verschwinden“ verkriecht sich Monika Klengel in ihrem Pullover. (c) Johannes GELLNER

 

Im Rahmen der Theaternacht wurde auch die vierte und letzte Folge von „Alle unsere Lieder“ aufgeführt, ein „Versuch, das TiB psychologisch zu beschreiben“. Anhand der Bühnensongs vergangener Produktionen spult das Ensemble zurück ins Jahr 2006 – das Jahr, an dem das TiB vom Lendplatz in die Elisabethinergasse zog – und lässt Momente aus Bühnen- und Privatleben der Darsteller Revue passieren. Ausgehend von bedeutsamen Daten in der Geschichte des TiB und den Schlagzeilen des Tages führen Juliette Eröd und Beatrix Brunschko durch eine Chronik von Premieren, Umzügen, Urlauben und Proben. Die Abenteuer der Schauspieler und – wie seltsamerweise immer miterwähnt wird – deren Katzen sind lustig gemeint; das Lachen bleibt leider den Gästen vorbehalten, die mit den Mitarbeitern des TiB vertraut sind.

Das Theater im Bahnhof ist laut Eigendefinition das größte freie professionelle Theater Österreichs. Bei der Theaternacht zeigte sich auch, was es noch ist: ein Kollektiv schauspielbegeisterter Freunde, deren Privat- und Bühnenleben in den vergangenen siebzehn Jahren nicht wenig verschmolzen sind. Die Darsteller sind mit jeder Produktion ein Stück weit zusammengewachsen, gemeinsam älter geworden. Der Abend fühlte sich an wie ein Klassentreffen, ein Abend unter Freunden, eine Familienfeier – amüsant für die Familie, ein wenig undurchsichtig für Außenstehende.

Katrin Nussmayr: Wohl eine der wenigen angehenden Journalistinnen die nicht der branchenüblichen Kaffeesucht verfallen ist. Die junge JPR Studentin mit persischen Wurzeln ist aufgeweckt, neugierig und fröhlich. Katrin ist stolze Annenviertlerin und genießt die Kulturenvielfalt. Eine große Leidenschaft ist die Musik – Wochenends trällert sie sanfte Jazztöne aus ihrem Saxophon.

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