Mit Jonathan Neuhold an der Spitze steht die ÖH-Koalition an der FH Joanneum fest. Ein geplanter Zusammenschluss von GRAS, JUNOS und VUS scheiterte früh. Was hinter dem Disput steckt und wie es weitergeht.
Geplatzte Koalition und das noch vor der ersten offiziellen Sitzung. Zwischen 9. und 14. Juni konnten tausende Studierende ihr Stimmrecht bei der bundesweiten ÖH-Wahl nutzen. Hinter dem Team der ÖH steckt viel mehr als Spritzerstände zu organisieren und Erstis zu empfangen – es ist vor allem das Sprachrohr der Studierenden und deren Interessenvertretung. An der in Eggenberg stationierten FH Joanneum hatte bis zuletzt die Aktionsgemeinschaft (AG) den Vorsitz über. Über die Ergebnisse konnte sich die Fraktion auch bei der diesjährigen Wahl freuen: Sie erreichten 38,64% und gingen als klarer Sieger hervor. Insgesamt gibt es neun Mandate zu vergeben. Um eine Mehrheit zu bilden, werden wie in der „echten” Politik Koalitionen gebildet.
Koalition ohne die meistgewählte Kraft
Die AG hat vier Mandate erreicht und hätte nur noch ein weiteres gebraucht, um die Exekutive zu bilden. Die Grünen und Alternativen Student*innen (GRAS), die Jungen liberalen Studierenden (JUNOS) und die neu gegründete Vereinigung unabhängiger Studierender (VUS) planten die Koalition jedoch ohne ihre stimmenstärkste Partnerin. „Ich würde lügen, wenn ich sage, wir waren nicht enttäuscht“, erzählt der AG-Spitzenkandidat Kushtrim Alili. „Wir haben uns mit einem der größten Teams, bestehend aus zehn Kandidat*innen aus verschiedenen Studiengängen der FH, aufgestellt. Ein überzeugendes Team, das wirklich etwas machen wollte und es war natürlich schade, am Ende als stimmenstärkste Kraft nichts zu dieser Koalition beitragen zu können.“ Geplant war also ein Dreier-Bündnis aus GRAS, VUS und den JUNOS, das bereits öffentlich verlautbart wurde.

Gras und wie hieß der Rest der Kürzel?
Auch wenn die Namen der verschiedenen Fraktionen zunächst ungewöhnlich wirken mögen, steckt hinter jeder eine durchdachte Idee. In Österreich darf jede*r Studierende eine eigene Liste gründen – manche dieser Fraktionen bestehen über viele Jahre hinweg und ähneln in ihrer Struktur und Ausrichtung politischen Parteien. Besonders auf Bundesebene zeigt sich dieser Charakter deutlich stärker als auf der Ebene der einzelnen Hochschulen. Während heuer der rote Verband sozialistischer Student:innen österreichweit die Mehrheit erreichte, stand er bei der Wahl zur Hochschulvertretung nicht auf dem Stimmzettel. Hier traten andere Fraktionen gegeneinander an: die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), der unter anderem die Wiedereröffnung der Mensa ein Anliegen ist; die Grünen und Alternativen Student*innen (GRAS), die sich stark für klimapolitische Themen engagieren; die Jungen liberalen Studierenden (JUNOS), die flexiblere Studienmodelle fordern; sowie die neu gegründete Vereinigung unabhängiger Studierender (VUS), die eine stärkere Vernetzung der drei FH-Standorte Graz, Bad Gleichenberg und Kapfenberg anstrebt.

Zwischen Unstimmigkeiten und klarer Kommunikation
Doch dann kam die große Überraschung: Noch bevor die offizielle Amtsübernahme am 1. Juli stattfinden konnte, kam es zu Unstimmigkeiten. Für GRAS ist die Situation klar: „Grundsätzlich hat die VUS die Koalition aufgrund der Verteilung der Kollegiumssitze gebrochen. Leider kam es hier zu einem Missverständnis. Die VUS bestand auf das bildungspolitische Referat. Da die Kollegiumssitze anhand des Wahlergebnisses und nicht anhand eines Mehrheitsbeschlusses beschlossen werden, stand der VUS kein Sitz zu“, meint der Spitzenkandidat Julian Groß, der auch als Vorsitzender der Grünen Jugend Steiermark agiert.
Stolpersteine auf dem Weg in die Hochschulpolitik
Die VUS wurde von Florian Gollner-Stramšak gegründet, der in der vergangenen Periode mit den JUNOS kandidierte. Zuerst war er Vorsitzender und anschließend Wirtschaftsreferent der ÖH. Mit seiner neuen Liste trat er erstmals zur Wahl an und erzielte mit 13,7 % auf Anhieb ein starkes Ergebnis, sogar 2,38 Prozentpunkte mehr als seine ehemalige Fraktion. Für Gollner-Stramšak ist der Bruch anders zu bewerten: „Wir haben mit GRAS und der AG erste Gespräche geführt und dann mit den JUNOS und GRAS eine vermeintliche Einigung getroffen. Für uns waren die Verhandlungen mit der AG aber noch nicht abgeschlossen.“ Die Sichtweisen zu den Streitpunkten gehen auseinander. Einig scheinen sie sich in der Zuteilung der Kollegiumssitze nicht gewesen zu sein: „Was uns nicht gepasst hat, war die Aufteilung der Arbeitsgruppen und des Kollegiums“, wie Gollner-Stramšak beteuert. Die VUS hätte laut eigenen Angaben am liebsten mit der AG zusammengearbeitet und vice versa. Zu Beginn der Verhandlungen habe es allerdings noch nach einem funktionierenden Miteinander zwischen GRAS, JUNOS und VUS ausgesehen. Julian Groß erinnert sich: „Zuerst hat es so gewirkt, als würde es sehr gut funktionieren, hat es aber im Endeffekt leider nicht.“
Ein holpriger Start also in die neue ÖH-Periode. Verhandlungen und Streitigkeiten scheinen im österreichischen Politikwesen längst kein Novum zu sein. Auch die ÖH kann sich davon nicht ganz distanzieren. „Wir sind keine Berufspolitiker*innen”, wie Kushtrim Alili von der AG sagt, „deshalb ist es uns wichtig, unsere begrenzten Ressourcen für die Studierenden zu nutzen.” Nach dem ersten Schock der geplatzten Koalition soll der Fokus nun noch stärker auf eine gute Kommunikation gelegt werden, um etwaige weitere Missverständnisse zu vermeiden. Jonathan Neuhold der GRAS bleibt positiv gestimmt: ,,Wir möchten die ÖH breiter aufstellen und als Team agieren.”
Ein Blick in die Zukunft
Wie soll es denn nun weitergehen? Den Vorsitz wird Jonathan Neuhold von GRAS übernehmen. Sein Interesse ist vom eigentlichen Spitzenkandidaten Julian Groß geweckt worden. Unterstützen werden sich die beiden, die gemeinsam Luftfahrt studieren, auf jeden Fall. „Aufgrund des Koalitionsbruchs stehen wir bei vielen Punkten jetzt wieder bei null“, berichtet Neuhold. Dennoch hat bereits die Planung für diverse Veranstaltungen, die Welcome-Days und Ersti-Sackerl im Herbst und ein ÖH-Clubbing begonnen. Am wahrscheinlichsten ist jetzt eine Koalition zwischen den stärksten Fraktionen GRAS und AG, die gemeinsam sieben von neun Mandaten besetzen.
In Zukunft steht auch ein Vorsitzwechsel im Raum, wie es bei der ÖH Joanneum bereits in den vergangenen Jahren üblich war. Das liegt vor allem an der kurzen Studiendauer von sechs Semestern im Bachelor und Pflichtpraktika, die eine Kandidatur erschweren. Somit sei nie über mehrere Jahre hinweg eine konstante Linie gegeben. „Wenn wir von Anfang an gut als Koalition und als Menschen harmonieren, wird es ‚egal‘ sein, wer Vorsitzende*r ist“, so Kushtrim Alili über die kommende Teamarbeit.
Anzumerken ist jedoch, dass die Wahlbeteiligung seit Corona stark zurückgegangen ist. Weshalb sich die ÖH-Vertretenden freuten einen Aufschwung der Wahlbeteiligung zu sehen. Maßnahmen wie eine Gratis-Eis-Aktion konnten 27 % der Studierenden anlocken.

Wohl der Studierenden immer im Blick
Für die Zukunft sind Projekte zur Sozialtopfförderung sowie eine Reform der Mensagestaltung geplant. Die Schließungen der Mensen an der FH Joanneum und Karl-Franzens-Universität Graz bedeuten für viele Studierende einen tiefen Einschnitt in ihren Alltag. Deshalb möchte sich Jonathan Neuhold an den sogenannten Selbstkoch-Küchen der Universität Graz orientieren. „Man könnte zusätzlich neue Lernplätze schaffen und diese zum Beispiel mit Wasserkochern und Mikrowellen ausstatten.“
Sobald die Referate und Positionen bei der Hochschulvertretungssitzung am 14. Juli verteilt sind, soll ein Projekt nach dem anderen in Angriff genommen werden. Jonathan Neuhold betont dabei: „Was mir am Herzen liegt, ist, die ÖH breiter aufzustellen, den Studierenden näherzubringen und möglichst viel öffentlich zu arbeiten, um sie eben sichtbarer zu machen.“ Trotz unterschiedlicher Ausgangspositionen herrscht zwischen den vier Fraktionen kein böses Blut – im Gegenteil: Gute Ideen werden auch aus der Opposition mitgetragen. Denn im Mittelpunkt steht nach wie vor das gemeinsame Ziel, das Beste für die Studierenden zu erreichen.
Titelbild: (v. l. n. r.) Julian Groß, Jonathan Neuhold und Kushtrim Alili bilden die Spitze der neuen ÖH-Koalition – Foto: Eva Pretterhofer