Magdalena Eberhardt sitzt im Büro der Substanztestung und bearbeitet einen Fragebogen.

Drug-Checking: Risikobewusstes Konsumieren

Lesezeit: 4 Minuten

Speed, Ecstasy und Kokain: Die diesjährig veröffentlichte Abwasseranalyse der EUDA verweist auf den steigenden Konsum von Partydrogen. Wie Drug-Checking Safer-Use fördert und warum Vertrauen eine Rolle spielt, erklärt das Team hinter Triptalks.

Weißes Pulver, Pillen in allen Formen und Farben: Illegale Substanzen sind für einige ein fixer Bestandteil des Feierns. Dabei wissen die wenigsten, was sich tatsächlich in ihren Drogen befindet. Um für das Risikobewusstsein unter den Konsument:innen zu sorgen, kann man seit 2022 Substanzen in der Orpheumgasse testen lassen. Dort befindet sich der Standort von Triptalks, der ersten und einzigen Drug-Checking-Stelle der Steiermark. Milena Simonitsch und Magdalena Eberhardt sind Teil des fünfköpfigen Teams und empfangen Besucher:innen mit offenen Armen. Doch wie funktioniert Drug-Checking? Wer nutzt das Angebot? Und steigt der Konsum von Partydrogen wirklich? 

Graz, der Mann mit dem Koks ist da 

Die EUDA, kurz für European Union Drugs Agency, veröffentlicht seit 2011 europaweit ein jährliches Abwassermonitoring zum aktuellen Drogenkonsum. 128 Städte und Ortschaften wurden unter die Lupe genommen, darunter auch Graz. Demnach verweisen die Analysen auf eine zunehmende Konsumbereitschaft. Dabei auffällig: Der Konsum von Partydrogen, wie Speed, Ecstasy und Kokain, scheint auch in der steirischen Landeshauptstadt im Trend zu liegen. Im Vergleich zum Report des Vorjahres ist der tägliche Konsum von Kokain um 19,55 % und von Amphetaminen um 9,36 % gestiegen.

Dennoch bieten die Ergebnisse bloß grobe Einblicke. „Die Abwasseranalyse wird auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet”, erklärt Eberhardt. Die Substanztestung kann ebenfalls nur ein ungefähres Bild der aktuellen Drogentrends konstruieren. „Wir können sagen, was am meisten getestet wird und bei uns ist das Kokain”, berichtet Simonitsch. 92,1 % aller Drogentestungen des Vorjahres sind auf Konsument:innen aus Graz zurückzuführen. Die restlichen 7,9 % verteilen sich in der gesamten Steiermark. 

Eine rosa Pille mit einem Kronensymbol auf schwarzem Hintergrund.
Spielerische Motive und bunte Farben verharmlosen die Gefahr. – Foto: Triptalks

Ein kleiner Raum, der Großes bewirkt 

Etwa 500 Konsument:innen sind seit der Eröffnung durch die Türen des kleinen Büros der Drug-Checking-Stelle spaziert. Dort angekommen, findet eine kurze Einführung zum Ablauf der Testung statt. Im weiteren Teil werden sie gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. „Wir müssen von den Besucher:innen nur wissen, um welche Art von Substanz es sich handelt. Falls man es dennoch nicht weiß, kann die Bezeichnung unbekannt angegeben werden. Alle weiteren Angaben sind optional”, erklärt Simonitsch. Dennoch seien viele Konsument:innen bereit, mehr Informationen preiszugeben. Diese fließen dann in die Statistik ein. 

Proben können jeden Montag abgegeben werden. „Wir brauchen bloß eine sehr geringe Menge der Substanzen, in etwa zehn Milligramm. Diese werden nach der Testung vernichtet“, so Eberhardt. Noch am Freitag derselben Woche bekommt man das Ergebnis zugeschickt. Partykonsument:innen können anhand der Analysen mit mehr Bewusstsein in ihr Wochenende starten.

Dennoch möchte man die Gefahren des Konsumierens nicht verharmlosen. Eberhardt erklärt: „Es geht nicht darum, Menschen zum Drogenkonsum zu animieren. Allerdings muss man davon ausgehen, dass der Konsum sowieso stattfindet.” Durch die Analyse werden Konsument:innen über den Reinheitsgrad sowie Streckmittel aufgeklärt. So kann man sich von gefährlichen Beimengungen fernhalten und Dosierungen besser einschätzen. „Drug-Checking ist wichtig für die Schadensminimierung.”

Probeannahmeblatt für die Substanztestung. Angegebene Daten fließen in den Jahresbericht ein.
Die Daten des Fragebogens fließen in die jährliche Statistik ein und können online im Jahresbericht abgerufen werden. – Foto: Melanie Spieler

Vertrauen als Grundvoraussetzung 

Da sich Konsument:innen in einem nicht legalisierten Bereich befinden, bleibt es eine Herausforderung, ihr Vertrauen zu gewinnen. Groß ist die Angst vor der Polizei, obwohl sich Polizist:innen bewusst von der Drug-Checking-Stelle fernhalten. „Verständlicherweise ist das Misstrauen groß, mit einer Substanz, die man illegal gekauft hat, zu uns zu kommen”, erzählt Simonitsch. Daher versucht man, mit dem Vertrauen, das Besucher:innen entgegenbringen, vorsichtig umzugehen. 

Einige von ihnen schauen regelmäßig bei der Substanztestung vorbei, dennoch decken sie nur einen Bruchteil der Konsumierenden ab. Simonitsch stellt fest: „Wir erreichen sicher nicht alle Zielgruppen, die wir gerne erreichen würden.” Daher setzt man auf Social-Media-Präsenz, um die Bekanntheit zu steigern. Auch beim diesjährigen CSD wird es einen Informationsstand im Volksgarten geben. „Unser Ziel ist es, dass uns mehr Menschen kennenlernen. Es gibt Gruppen, wie die der Chemsex-Szene, die wir gerne mehr erreichen würden.” Chemsex ist ein Begriff mit dem Ursprung aus der schwulen Szene und beschreibt sexuelle Handlungen unter dem Einfluss von Drogen. Dennoch findet Chemsex unabhängig von der sexuellen Orientierung statt. Infektionsgefahren durch ungeschützten Sex und das Teilen von Konsumutensilien stellen dabei ein Risiko dar. Die Auswirkungen von exzessivem Drogenkonsum erhöhen die Gefahren.  

„Für dich können wir leider nicht testen” 

Es gibt Ausnahmefälle, in denen Besucher:innen abgewiesen werden. „Wir bieten unseren Service nur für Konsument:innen an. Wenn wir merken, dass Dealer mit ihrer Ware bei uns vorbeischauen, führen wir keine Testung durch.” Oft sind es die ersten Eindrücke kombiniert mit jahrelanger Erfahrung in der Substanztestung, die darauf schließen lassen, ob Personen konsumieren oder nicht. Eine Testung würde Dealern den Reinheitsgrad verraten und Preise könnten somit an den Markt angepasst werden. Man möchte den Weiterverkauf durch Drogenhändler unterbinden, anstatt zu fördern. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Substanzen mit unbekannten Mitteln gestreckt werden. 

Dealer sind nicht die einzigen, die mit Ablehnung konfrontiert werden. „Hin und wieder kommen Eltern zu uns, weil sie bei ihren Kindern ein Pulver gefunden haben. Für sie testen wir auch nicht. Wir sagen, sie sollen ihre Kinder selbst zu uns schicken”, schildert Eberhardt. Die Beratung kann erst stattfinden, wenn Konsument:innen dem auch zustimmen. „Außerdem macht es für die Konsequenz des Kindes keinen Unterschied, ob das Kokain einen Reinheitsgrad von 90 % oder 50 % hat.” Vermutlich würden Eltern ihr Kind in beiden Situationen zur Rede stellen. Der ursprüngliche Sinn hinter Drug-Checking, der Safer-Use-Gedanke, verschwindet somit im Hintergrund. 

100% Anonymität 

Das Angebot von Triptalks ist kostenlos, anonym und für alle Konsument:innen zugänglich. Dabei findet die Testung in einem offenen Rahmen statt. Voreingenommenheit und Diskriminierung finden keinen Platz. Eberhardt appelliert: „Wir freuen uns über jede Person, die zum ersten Mal zum Drug-Checking kommt, unsere Dienste nutzt und uns weiterempfiehlt. Wir sind der festen Überzeugung, dass es nur Gutes bewirken kann, wenn man weiß, was sich in Substanzen befindet.“

 

Infobox
Am Samstag, dem 28. Juni, findet in Graz der CSD statt. Triptalks wird mit einem Stand im Volksgarten anzutreffen sein, um Auskunft zu geben.

 

Titelbild: Substanzen können jeden Montag zwischen 16:00 und 19:00 Uhr in der Orpheumgasse 8/1 abgegeben werden. – Foto: Melanie Spieler

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

2 × fünf =

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Vorherige Geschichte

Neustart trotz Hürden: Wie geflüchtete Ukrainerinnen in Österreich Fuß fassen

Letzter Post in SOZIALES