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Wo Diskriminierung beginnt, beginnt für sie die Arbeit

in SOZIALES von

Rassismus scheint ein unlösbares Problem unserer Gesellschaft zu sein. Wir haben mit zwei Powerfrauen gesprochen und sie gefragt, was man gegen Rassismus tun kann und warum es so wichtig ist, auch als Außenstehender aktiv zu werden.

Es ist Dienstagnachmittag, circa 14 Uhr. Im Büro von mafalda, einem Verein zur Unterstützung junger Frauen, treffe ich Adjanie Kamucote. Sie arbeitet dort als Sozialarbeiterin. Ich kenne sie bereits von einem Workshop an der FH JOANNEUM und sie empfängt mich herzlich in ihrem kleinen Büro. Eine Woche zuvor sprach ich mit Elke Lujansky-Lammer, der Leiterin des Regionalbüros der Gleichbehandlungsanwaltschaft am Südtiroler Platz. Als ich das Büro betrete, kommt sie gerade von einem Vortrag zurück. Was die beiden gemeinsam haben: Ein Großteil ihrer Arbeit dreht sich rund um das Thema Diskriminierung. Und sie versuchen, dass genau die keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft findet.

Kamucote ist neben ihrem Beruf als Sozialarbeiterin auch Mental- und Anti-Diskriminierungstrainerin. Sie weiß selbst, wie es ist als Schwarze in Österreich aufzuwachsen. Die gebürtige Kärntnerin ist daher ganz persönlich von Rassismus und dem Eurozentrismus, also die Betrachtung der Welt aus europäischer Sicht, betroffen. Bereits im jungen Alter brennt er sich in unsere Köpfe ein: Schulbücher oder Magazine bilden fast ausschließlich weiße Personen ab. Dass das schädlich sein kann, hat auch sie schön früh bemerkt. „Vor allem als junges Mädchen sieht man oft glattes Haar, helle Haut und das wird als Schönheitsnorm dargestellt. Ich selbst habe dann auch Bleaching-Creme verwendet, weil ich zur Mehrheit irgendwie dazugehören wollte. Das möchten die meisten ja sowieso, aber durch meine Hautfarbe da kam noch eine Ebene dazu.“

Adjanie Kamucote bei einem Workshop an der FH-JOANNEUM.
Adjanie Kamucote beim Workshop „Schwarz. Feministisch. Vonn welchem Feminismus reden wir?“ an der FH-JOANNEUM. -Foto: Melanin Talk

Nachdem Kamucote ihr Bachelorstudium in Soziale Arbeit in Kärnten absolvierte, kam sie für den Master nach Graz. Heute wohnt sie in Eggenberg. Auch wenn sie ihren Wohnort zu den ruhigeren Gebieten von Graz zählt, trifft sie auch hier  auf Rassismus. „Es kommt schon hin und wieder vor, dass Kinder zum Beispiel im Park blöd angesprochen werden – da gehe ich dann als Erwachsene dazwischen.“ Generell kommt Rassismus aber überall vor: egal ob in der Straßenbahn, in Schulen oder bei der Wohnungssuche. Obwohl er verboten ist. Denn: Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet in Österreich Diskriminierung, sowohl im persönlichen als auch im öffentlichen Bereich.

Anti-Rassismus-Workshops

Neben Online-Aufklärungarbeit auf ihrem Instagram-Blog herlife.afrö, macht Kamucute auch immer wieder Workshops. Sie gründete gemeinsam mit Chantal Bambgala die Plattform Melanin Talk, über die sie zusammen Workshops gestalten. Außerdem sind die beiden mit dem Verein „disrupt“ in Österreichs Schulen unterwegs. Die insgesamt fünf Trainerinnen werden dabei durch das Bildungsministerium und die Agentur für Bildung und Internationalisierung unterstützt. In Workshops setzen sie verschiedene Schwerpunkte und bieten so Einblicke in die sensiblen Themen. Nicht nur Rassismus, sondern auch die Themen Zivilcourage, Sexismus oder mentale Gesundheit von Randgruppen der Gesellschaft werden behandelt. Neben theoretischen Inhalten und Aufklärungsarbeit finden auch gemeinsame Diskussionsrunden statt. Doch nicht immer kann das gewünschte Bewusstsein geschaffen werden. „Gerade in der Oberstufe treffen wir auf mehr Gegenwind. Jugendliche suchen sich oft eine Meinung und halten diese dann fest. Da kann man dann oft nicht viel ändern“, weiß Kamucote. 

Praktische Übungen gehören auch zu den Anti-Rassismus-Workshops.
In Workshops bekommen Teilnehmer:innen durch praktische Übungen Einblicke in das Thema Diskriminierung. -Foto: Melanin Talk

Gegenoffensiven verhindern Fortschritte

Nach dem Mord des US-Amerikaners George Floyd durch Politzeigewalt am 25. Mai 2020 und der Black Lives Matter Bewegung erhielt das Thema Rassismus große Aufmerksamkeit. Viele dadurch entstandene Vereine und Initiativen waren aber laut Kamucote nicht nachhaltig genug. Die Leute seien zwar sensibler geworden, aber durch die große Präsenz des Themas hätte sich auch Widerstand gebildet. „Früher hat man sich entweder damit beschäftigt oder nicht. Durch die Medien haben aber alle etwas mitbekommen und sich gleichzeitig eine Gegenmeinung gebildet.“ Auch Elke Lujansky-Lammer empfindet, dass Selbstherrlichkeit und dadurch auch Aggression wieder leicht zugenommen haben. Sie ist seit über 20 Jahren Leiterin des Regionalbüros der Gleichbehandlungsanwaltschaft für die Steiermark und Kärnten.

Als gutes Beispiel für das „Voranschreiten von Verbesserungen nur im Schneckentempo“ nennt Kamucote das Black-Voices Volksbegehren aus 2022. Als einziges der sieben eingereichten Volksbegehren erreichte es nicht die 100 000 nötigen Stimmen. Es war das Erste, dass sich mit dem Thema Anti-Rassismus beschäftigte, letztendlich fehlten 619 Stimmen. Damals löste es vor allem auf Social-Media eine große Welle aus. „Dieses Ergebnis zeigt, wie die momentane Situation ausschaut.“, zeigt sich Kamucote enttäuscht.

Anlaufstellen in Graz

Ist man selbst von Diskriminierung betroffen, gibt es in Graz mehrere Anlaufstellen, an die man sich wenden kann. Welche Einrichtung eingreift, ist abhängig von der vorliegenden Situation. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kümmert sich um Meldungen im Bereich der privaten Wirtschaft. Sie ist für die Bereiche Arbeitsrecht, Bildung, Wohnraum oder Gesundheitsdienst verantwortlich. Im Regionalbüro Steiermark am Südtirolerplatz sind im ersten Quartal des Jahres 2023 bereits 171 Anfragen eingegangen, wie Lujansky-Lammer verrät. Die meisten Anzeigen betreffen entweder Benachteiligungen wegen Geschlecht, Alter oder ethnischer Zugehörigkeit. Die staatliche Einrichtung versucht, dass jeder und jede, die sich diskriminiert fühlen, zu ihrem Recht kommt. Die Beratungen ist kostenfrei und vertraulich. Andere Anlaufstellen sind zum Beispiel die Antidiskriminierungsstelle oder der Verein ikemba. Sie handeln bei Diskriminierungen im öffentlichen Raum beziehungsweise bei Integrationsproblemen.

6 Tipps gegen Rassismus:
Auf die Frage, was wir gegen Rassismus tun können, antwortet Kamucote abschließend mit fünf Punkten:

  1.     Alle – egal ob direkt betroffen oder nicht – sollen sich informieren und weiterbilden.
  2.     Weiße Personen sollen die eigenen Privilegien erkennen und dadurch andere unterstützen.
  3.    Achte auf deine Sprache. Verwende als richtige Begriffe entweder Person of Color, Black, Idegenous Person of Color oder Schwarze. Achte bei Schwarze auf den Großbuchstaben, da es sich so um eine Selbstbezeichnung der Community handelt.
  4.    Nimm Kritik an und bleib dem Thema gegenüber offen.
  5.    Bleib solidarisch und zeig Zivilcourage.

Auch Lujansky-Lammer gibt einen Tipp „Wir haben alle unseren Rucksack mit Vorurteilen – die Reflexion macht den Unterschied. Sich mit dem, was nicht richtig war, auseinanderzusetzen, ist für mich das Wichtigste.“

 

Titelbild: Elke Lujansky-Lammer (links) und Adjanie Kamucote (rechts) beschäftigen sich durch ihre Arbeit täglich mit dem Thema Rassismus. -Fotos: Jorj Konstantinov und Björn Brachmayer

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