Die Studierenden von Gesundheits- und Krankenpflege an der FH JOANNEUM müssen im Zuge ihres Studiums Pflichtpraktika absolvieren. Auch die Pandemie stellt hier keine Ausnahme dar. Die Studierenden arbeiteten ungeimpft, unbezahlt und teilweise wenig wertgeschätzt.
Hände desinfizieren, Schutzkittel anlegen und hinter dem Rücken zuknoten. OP-Haube und dann FFP2-Maske aufsetzen, die rechte Hand drückt den Bügel auf die Nase, die linke zieht die Maske unters Kinn. Schutzbrille über die Augen, Plexiglas-Visier über die Schutzbrille und Einweghandschuhe über die Ärmel des Kittels.
Um 5:00 Uhr steht Lisa (Name von der Redaktion geändert) auf. Um 6:30 Uhr ist sie im Krankenhaus bei der Dienstübergabe und wenig später in voller Schutzmontur im Einsatz. Diese wird sie länger nicht abnehmen können. Sie schätzt, dass sie circa sechs bis sieben Stunden von ihren teilweise zehnstündigen Arbeitstagen unter Kittel und hinter Schutzbrille und Visier verbringt.
Wenn sie die Montur einmal ablegen konnte, dann in den 30 Minuten der Mittagspause oder weil sie auch noch Corona-negative Patienten betreuen musste. Denn Lisa arbeitet nicht auf einer Covid-Station. Sie ist auch keine fix angestellte Arbeitskraft auf der allgemeinen innermedizinischen Station, auf der sie sich von Mitte Februar bis Ende April in der Früh zum Dienst meldete. Lisa ist Anfang 20, studiert Gesundheits- und Krankenpflege auf der FH JOANNEUM und absolvierte, wie alle anderen Studierenden dieses Studiengangs, während der Pandemie weiterhin ihre verpflichtenden Berufspraktika.
Einige Studienkolleg*innen von Lisa haben allerdings sehr wohl auf einer Covid-Intensivstation gearbeitet. Zum Beispiel Pia und Christina im LKH West in Eggenberg. Für Pia war es das erste Praktikum überhaupt, damals im Dezember 2020 war sie noch eine Erstsemestrige. „Ich habe keine Angst gehabt, aber definitiv Respekt“, meint sie. Sie hätten seitens der FH JOANNEUM aber definitiv nicht auf die Station gemusst, sagen beide.
Fehlende Wertschätzung
Die ersten drei Stunden der Schicht legt Lisa den immer gleichen Weg zurück. Aus dem einen Isolationszimmer raus, Handschuhe aus, zum Desinfektionsmittelspender, Handschuhe an und weiter zum nächsten Isolationszimmer. In den Isolationszimmern auf der Normalstation liegen die Corona-positiven Patient*innen, für die die Kapazitäten auf der Covid-Station nicht ausgereicht haben. Auf dem Höhepunkt habe es ganze fünf Isolationszimmer mit insgesamt acht Patient*innen gegeben. Täglicher Verbandswechsel bei venösen Zugängen, Sauerstoffsättigung und Temperatur messen, Medikamente austeilen, bei der Körperwäsche unterstützen. Im Zuge der Morgenpflege habe stets eine einzelne Person alle acht nacheinander betreut.
Man habe versucht, dass die Patient*innen möglichst wenig Kontakt mit verschiedenen Pfleger*innen haben. Das hatte aber zur Folge, dass sehr häufig Lisa für den Job abgestellt wurde. „Nein, du brauchst nicht reingehen, die Praktikantin macht’s.“ Ein Wortwechsel zwischen Stationsschwestern von dem sie erzählt. Sie berichtet auch von einem ihrer früheren Praktika. Dort wären die Praktikant*innen von den Schwestern zum Essen in die Garderobe im Keller geschickt worden. Die Schwestern würden in den Sozialräumen private Gespräche führen und die Praktikant*innen hätten dort nichts zu suchen.
Um die Erfahrungen der Studierenden in den Praktika im geschützten Rahmen nachzubereiten, gibt es ein eigenes Seminar. Während des Praktikums gebe es für individuelle Probleme aber auch die Begleitung und den Austausch mit einem Lehrenden. „Mein Team und ich halten regelmäßige Besprechungstermine mit allen Praktikumsstellen ab, um Abläufe zu reflektieren und gegebenenfalls gibt es auch anlassbezogene Gespräche”, sagt Eva Mircic, die Institutsleiterin von Gesundheits- und Krankenpflege. Man arbeite laufend an der Qualität der Betreuung für die Studierenden.
Bei unbezahlter Arbeit angesteckt
„Wir bekommen weder einen Lohn noch ein Taschengeld, noch ein Essen, noch dürfen wir teilweise im Sozialraum sitzen“, sagt Lisa. Denn die Pflichtpraktika im Ausmaß von 2.300 Stunden sind unbezahlt. „Die Pflichtpraktika werden in ganz Österreich nicht bezahlt”, meint Mircic. Den Grund dafür verortet sie in der Tradition. Sollte es in Zukunft eine Bezahlung geben, würden wohl die Praktikumsstellen bzw. die Trägerorganisationen diese übernehmen oder eigene Modelle entwickelt werden müssen. Pflichtpraktika sind auch ein Thema im jetzigen ÖH-Wahlkampf an der FH JOANNEUM. Dabei sind sich alle Fraktionen einig, dass diese fair bezahlt werden sollten.
„Wir waren also unbezahlt auf der Corona-Station ohne Impfung, aber im Krankenhaus kannst du es mittlerweile überall aufschnappen, da waren wir auf der Station noch am besten geschützt, da wir wussten, womit wir’s zu tun hatten“
– Christina, ist schon im 6. Semester.
Es ist Freitag, 16:30 Uhr. Nach dem Ende der letzten Schicht für diese Woche sind Lisas Arme schwer, ihr Kopf pocht. Zuerst denkt sie ihre Beschwerden seien von der Arbeit. Aber es würde sich bestimmt wieder legen. Das denkt sie so lange, bis es sich eben doch nicht legt. Als sich am Sonntag Geschmacks- und Geruchsverlust bei ihr einstellen, geht sie sich testen und sucht danach um Krankenstand an. Vermutlich hat sich Lisa bei einer negativ getesteten Patientin angesteckt, die erst bei ihrer Verlegung als asymptomatisch positiv erkannt wurde. Lisa hatte vier bis fünf Tage mit der Krankheit zu kämpfen. „Die prägnantesten Symptome waren die Gliederschmerzen und das Kopfweh“, meint sie. Das Problem für Lisa war hierbei, dass ihr der Krankenstand nicht für das Praktikum angerechnet wurde. So musste sie die Stunden im Nachhinein in der für das Praktikum vorgesehenen Zeit einarbeiten. Daraus resultierten auch ihre 58h-Wochen und die zehnstündigen Arbeitstage.
Sie ist nicht die Einzige der Student*innen, die sich im Zuge ihres Praktikums angesteckt hat. Auch Pia weiß von ein paar Kolleg*innen zu berichten. „Wir waren also unbezahlt auf der Corona-Station ohne Impfung, aber im Krankenhaus kannst du es mittlerweile überall aufschnappen, da waren wir auf der Station noch am besten geschützt, da wir wussten, womit wir’s zu tun hatten“, sagt Christina, die schon kurz vor dem Ende ihres Bachelorstudiums steht.
Das Land Steiermark und die Impfkoordination
Seit 13. April gibt es laut Website der Steirischen Landesregierung bei der Impfplattform des Landes Steiermark die Möglichkeit anzukreuzen, dass man einen nichtärztlichen Gesundheitsberuf ausübt. Hier ist auch erstmals die Rede davon, dass Auszubildende der Berufsgruppen mitgemeint sind. Laut Impfstrategie des Landes Steiermark sollten jedoch „Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie deren Personal und das Personal im Gesundheitsbereich der Kategorie I“ bereits ab Jänner geimpft werden. Dazu zählen nach ihrer Tätigkeit auch die Studierenden von Gesundheits- und Krankenpflege.
Im Februar hat sich eine der Jahrgangssprecher*innen des Studiengangs stellvertretend für ihre Mitstudierenden mit einem Brief an die Geschäftsleitung der FH JOANNEUM gewandt, in dem sie schreibt: „Durch zahlreiche Praktika sind wir bereits ein Teil des Gesundheitswesens.“ Sie würden zum einen sich selbst und zum anderen auch ihre Patient*innen schützen wollen und bitten darum um eine Priorisierung bei der Impfung. Daraufhin wurde eine Möglichkeit organisiert, sich über die MedUni Graz impfen zu lassen. Im ersten Anlauf scheiterte diese an Lieferschwierigkeiten. Laut der Institutsleiterin sind die Studierenden, die ihr Praktikum am LKH Graz gemacht haben, seit März geimpft. Jetzt ermögliche die MedUni Graz auch, dass Studierende, die nur einen Nebenwohnsitz in Graz haben, die Spritze bekommen.
Seitens der Impfkoordination des Landes ist man nie an Eva Mircic und das Institut Gesundheits- und Krankenpflege an der FH JOANNEUM herangetreten. Die Steiermark ist bei der Impfung im Bundesländervergleich bei Erstimpfungen im hinteren Mittelfeld anzufinden. Bei der Zahl der Vollimmunisierten liegt man im Moment abgeschlagen an letzter Stelle. Zur Durchimpfungsrate des Gesundheitspersonals gibt das Dashboard des Gesundheitsministeriums keine Auskunft.
Die Impfung kommt zu spät
Von vielen Studierenden hört man inzwischen, dass sie ihre erste Teilimpfung bereits über einen anderen Weg erhalten haben. Über eine freiwillige Tätigkeit beim Roten Kreuz, bei der Feuerwehr oder weil sie bei ihrer Hausärztin in der Praxis ausgeholfen haben. Zumindest in den höheren Jahrgängen. Bei den Studierenden in Pias Jahrgang ist die Impfung noch nicht ganz angekommen. Pias Kollege Markus berichtet, dass aus seiner jahrgangsinternen Gruppe nun, Anfang Mai, alle zumindest einen Termin für die Erstimpfung hätten. Zwei Monate später als es laut Impfstrategie vorgesehen war. Die Impftermine kommen jedenfalls zu spät für die meisten Studierenden, die ihr Praktikum für das diesjährige Sommersemester bereits absolviert haben.
„Durch zahlreiche Praktika sind wir bereits ein Teil des Gesundheitswesens.“
– Eine der Jahrgangssprecher*innen des Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege
Einweghandschuhe desinfizieren und abstreifen, Hände desinfizieren. Schutzkittel ablegen, aber zuerst hinter dem Rücken aufknoten, Hände desinfizieren. Plexiglas-Visier und Schutzbrille abnehmen, zur späteren Desinfektion und Wiederverwendung aufbehalten. FFP2-Maske und dann OP-Haube absetzen, Hände desinfizieren. Man würde meinen der alkoholhaltige Geruch des Desinfektionsmittels sollte einem mit der Zeit auf den Geist gehen.
Schmecken und Riechen kann Lisa auch zweieinhalb Monate nach ihrer Erkrankung noch nicht wieder gleich wie früher. Aber immerhin die erste Teilimpfung hat sie schon erhalten. Allerdings auch nur weil sie die Gelegenheit bekommen hat, sich während eines Praktikums dafür voranzumelden. „Es ist so ein schöner Beruf, aber die Ausbildung und die Arbeitsumstände sind teilweise einfach prekär“, sagt sie.
Titelbild: Nataliya Vaitkevich/ pexels.com