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Theatergruppe Wundpflaster: „Romeo und Julia“ mal anders

in SOZIALES von

Sie alle sind vor Jahren nach Österreich geflüchtet, sie alle eint die Liebe zum Schauspiel. Die Theatergruppe Wundpflaster präsentiert mit der Unterstützung vom Theater im Bahnhof eine humorvolle Liebesgeschichte mit ernstem Hintergrund. 

Ein schwarzer Boden, von Scheinwerfern erleuchtet. Narges, eine junge Frau im grellgelbem Leiberl und mit einem Besen in der Hand betritt die Bühne. „Ach herrje, jetzt muss ich die nächste Szene aufbauen”, seufzt sie. „Vielleicht kann mir ja irgendwer helfen.“ Nachdenklich blickt sie in die Sesselreihen vor ihr. Schon bald wird die Theatergruppe Wundpflaster, die fast zur Gänze aus Leuten mit Migrationshintergrund besteht, vor dem Publikum stehen. Noch sind aber alle Plätze leer. Alle bis auf einen. „Kannst du mir helfen?“ sagt Narges in Richtung von Ali, dem neueste Mitglied von Wundpflaster. Ganz in seiner Rolle, steigt er zögernd neben Narges auf die Bühne. Gemeinsam beginnen sie in einer humorvollen Darbietung das Setting für die nächste Szene aufzubauen. 

„Den Text könnt ihr schon super!“ lobt Klemens, einer der Betreuer der Theatergruppe, die beiden. „Aber mit den Emotionen könnt ihr noch mehr übertreiben!“

Klemens (Mitte) gibt Narges und Ali Feedback zu ihrer Performance. (Foto: Michaela Gsell)

Seit 2018 gibt die integrative Theatergruppe Wundpflaster Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit, ihre Liebe zum Schauspiel auf der Bühne auszuleben. Mehrere Mitglieder des Theater im Bahnhof – besonders Eva Hofer und Ed Hauswirth – unterstützen das Projekt seit seiner Gründung, helfen bei der Regie und stellen die Räumlichkeiten des TiB für wöchentliche Proben zur Verfügung. 

“Bei Wundpflaster stehen das Miteinander, das wöchentliche Zusammenkommen im Mittelpunkt. Asylwerber dürfen oft nicht arbeiten und müssen in Unsicherheit leben. Die Theatergruppe gibt ihnen Halt”,  schildert Eva Hofer vom Theater im Bahnhof. Sie unterstützt die Gruppe seit Beginn und hilft bei den Proben für “Grenzenlose Liebe” mit. 

„Karim und Zahra“ statt „Romeo und Julia“

Bis zum 8. Dezember muss die Szene von Ali und Narges sitzen, dann ist Premiere. „Wir haben schon vorher kleine Aufführungen gehabt, aber das ist das erste Mal, dass wir ein ganzes Stück darbieten”, erzählt Klemens. Narges spielt eine Putzfrau und übernimmt die Erzählerinnenrolle in „Grenzenlose Liebe“, eine Neufassung des Klassikers „Romeo und Julia“. Das Besondere an dem Theaterstück: Wundpflaster hat es komplett selbst geschrieben. Über ein Jahr hinweg haben die Hobby-Schauspielerinnen und -Schauspieler Ideen gesammelt und ihre persönlichen Erfahrungen in die Handlung einfließen lassen. 

Szenenwechsel. Ein helles Parkett löst den schwarzen Bühnenboden ab. Ein hölzernes Bühnengestell wird eifrig hin- und hergeschoben. Die Einzelproben sind vorbei, nun spielt die ganze Gruppe zusammen das Stück durch. Erste Szene: Der Asylwerber Karim verliebt sich in die arabischstämmige Österreicherin Zahra und fragt sie nach ihrer Nummer. Er bekommt sie. Euphorische Comedy-Gestik im Vordergrund, leises Gelächter Backstage. Humor wird in „Grenzenlose Liebe“ großgeschrieben, doch das Stück hat viel mehr zu bieten. Gleichberechtigung, Emanzipation, Vorurteile. Die jungen Frauen und Männer machen auf der Bühne auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam. Oft hat das Gespielte eine große persönliche Bedeutung für die Akteure. „Ich identifiziere mich mit Nadja, meiner Rolle, da sie frei von ihrer konservativen Familie sein möchte“, schildert eine Schauspielerin. 

Szenenaufbau für die Probe. Bei Wundpflaster hilft jeder mit. (Foto: Michaela Gsell)

Das Theater hilft den jungen Erwachsenen, die allesamt als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Daher kommt auch der Name. „Wir haben im Krieg und auf der Flucht viel erlebt. Theaterspielen ist für uns wie ein Pflaster, das wir auf die Wunde kleben können“, so ein Mitglied, der seit der Gründung von Wundpflaster dabei ist. 

Grenzenloses Schauspiel

Cut. Die letzte Szene ist fertig und die Schauspielerinnen und Schauspieler setzen sich für eine Schlussbesprechung zusammen. „Wir dürfen jetzt nicht nachlassen, unser Auftritt rückt immer näher”, mahnt Simone, die zusammen mit Klemens die Gruppe betreut. „Aber wenn ihr so gut spielt wie heute, haben wir beim Auftritt nichts zu befürchten.“ 

Zufrieden findet sich die Gruppe in der Küche ein. Das gemeinsame Essen gehört zum Ende jeder Probe dazu. Der Duft von Chili erfüllt den Raum, während auf der Bühne die Lichter ausgehen. Das Theater hat Pause, aber nur für kurze Zeit. Immerhin kennt Wundpflaster im Schauspiel keine Grenzen. 

Grenzenlose Liebe

Wann? So, 8. 12. um 18.00 Uhr

              Sa, 14. 12. um 18.30 Uhr

              So, 15. 12. um 18.00 Uhr

Wo? Pfarrsaal St. Andrä (Kernstockgasse 9, 8020 Graz)

Eintritt: Freiwillige Spende

Um Reservierung wird gebeten! +43 660 / 40 74 895

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