text - Foto: Maria Allmann

Das “echte” Ali Baba ist zurück

Lesezeit: 4 Minuten

Er durchlief als Großhändler, Medizinstudent, Laden- und Restaurantbesitzer schon so einige Karrierestationen in seinem Leben. Ein Gespräch mit Rassan Al-Helwani, der nach einer Auszeit in Ägypten das syrische Restaurant Ali Baba jetzt wieder selbst führt.

Mit einem breiten Lächeln begrüßt Rassan freundlich seine Gäste. Bevor das Gespräch mit uns beginnen kann, bereitet er noch eine Shisha-Wasserpfeife für einen seiner Gäste vor. Im Hintergrund erklingt arabische Musik und vermischt sich mit dem Verkehrslärm der Annenstraße.

Rassan Al-Helwani kam 2017 mit seiner Familie nach Graz und eröffnete mit dem Ali Baba das erste syrische Restaurant der Stadt. Doch Rassan wollte nicht immer in der Gastronomie arbeiten. Der Restaurantbesitzer wuchs in einer Großhändlerfamilie in Damaskus auf. Zusammen mit seinem Vater handelte er mit Obst und Gemüse, bis er beschloss, nach Innsbruck zu gehen, um Medizin zu studieren.

„Ich habe es so geliebt. Viele haben Angst vor Blut oder einem OP-Zimmer. Aber für mich war das sehr aufregend“, sagt Rassan. Dennoch unterbrach er sein Studium. Er sah seine Chance, als Geschäftsmann Geld zu verdienen: „Das liegt bei uns einfach im Blut. Wir in Damaskus sind Geschäftsleute.“ Also eröffnete er ein Geschäft in Innsbruck. Das Studium nahm er nicht wieder auf. Sein Geschäft lief zwar einige Jahre gut, aber Rassan wollte zurück nach Damaskus. Also baute er sich erneut ein Leben in seiner Heimatstadt auf. Die eingekehrte Stabilität wurde aber durch die Revolution und den ausbrechenden Bürgerkrieg zunichte gemacht. Es ging wieder zurück nach Österreich.

In Syrien hat Rassan noch zwei Geschwister. Ein weiterer Bruder wurde vor 18 Monaten durch eine russische Rakete getötet, erzählt er. Der Rest seiner Verwandten lebt in Jordanien, früher oder später wollten diese in ihre Heimat zurückkehren. Dort, wo seine Familie gewohnt hat, ist heute aber nichts mehr. Zu der Lage in Syrien sagt Rassan: „Wir haben leider einen Krieg angefangen, der uns nicht gehört. Niemand weiß, was da noch passiert. Nicht jeder denkt jetzt ans Zurückgehen.“ Er könne schwer sagen, ob er selbst jemals wieder nach Syrien zurückkehren würde. Nach so vielen Jahren in Österreich hätte er das System schon zu sehr verinnerlicht. In Syrien würde er die Freiheit vermissen, die dort ganz anders gelebt wird. In Österreich dürfe man alles sagen, manchmal auch etwas Falsches. Das geht in Syrien nicht. Da sei jegliche Kritik am Regime Grund zur Verhaftung.

Zurück in Innsbruck

Mit seiner kleinen Familie versuchte Rassan nach Ausbruch des Kriegs erneut sein Glück in Innsbruck. Unter seinen Freunden war der geschäftige Mann immer als guter Koch bekannt. Warum er kein Restaurant aufmache, hörte er immer wieder. Rassan sah darin seine Chance und ergriff sie, indem er ein syrisches Restaurant eröffnete. In der Küche hat aber seine Frau Lorin das Sagen. Viele ÖsterreicherInnen waren anfangs skeptisch. Gerade in Innsbruck kam es Rassan so vor, als seien die Leute fremden Dingen gegenüber eher verschlossen. In Tirol fühlte sich die Familie Al-Helwani nie wirklich angekommen. Seine neunjährige Tochter Lara hatte damals Schwierigkeiten in der Schule. Seine Frau Lorin war psychisch belastet. Rassan sagt: „Die Stimmung in Innsbruck hat uns nicht gutgetan.“

Vegane Falafel Variationen im Ali Baba
Vor dem Essen ein Foto zu machen fiel der Annenpost sichtlich schwer. Zu empfehlen sind die veganen Falafel Variationen im Ali Baba. – Foto: Daphne Brandstätter

Der Ali Baba-Chef liebt Multikulturalität und Offenheit

Deswegen zog Rassan mit seiner Familie 2017 nach Graz, da ihm die Stadt besser gefiel als Wien. Er bereue es keineswegs, aus Innsbruck weggegangen zu sein. Dennoch war die Anfangszeit in Graz schwer für seine Familie. Vergangenes Jahr meinte die Familie dann, dass sie eine Pause von Österreich bräuchte. Also gingen die drei für zehn Monate nach Ägypten und übergaben das Lokal für diese Zeit. Das Leben in diesem sonnigen, lebendigen Land hätte allen gut getan. „Immer dort sein, wo viel los ist, ist mein Ziel. So sieht man das Leben“, sagt Rassan und erzählt von seiner Liebe zum Reisen, die ihn schon nach Katar, Oman, Saudi-Arabien, Dubai, China, Hong Kong und auf die Philippinen gebracht hat.

Als Rassan das erste Mal nach Österreich kam, war es ein Schock für ihn: „Ganz ehrlich, ich wollte zurück. Alles ist anders hier. Es gibt saubere Straßen, alles ist geordnet. Aber das Problem ist, es ist zu geordnet und zu sauber und systematisch.“ Er vermisse, dass das Leben hier nicht so auf der Straße stattfinde wie in Damaskus, wo immer etwas los sei. Wenn es einmal lauter wird, beschwert sich dort keiner. Da feiern die Nachbarn einfach mit. Wenn er in Damaskus seine Straße entlang gegangen sei, hätte er bis zu 80 Leute auf seinem Weg begrüßt. Er wäre mehrmals zu Kaffee und Tee eingeladen worden. „Und wenn man mal keinen trinkt, ist der andere böse auf einen. Das ist Leben. Das fehlt uns hier in Europa. Gesellschaftliches Leben ist so wichtig“, so Rassan.

Immer unter Leuten

Auf die Frage, wo für ihn Heimat ist, antwortet Rassan: „Ganz ehrlich, Österreich.“ Heimweh nach Syrien habe er nur dann, wenn er alleine ist. Deswegen bringt Rassan in seiner Freizeit gerne seine Freunde zusammen und veranstaltet Partys. Das Leben sei viel mehr als der ewig gleiche Alltag. Auch wenn für den Syrer seine Arbeit sein Zuhause bedeutet. Dort steckt er die meiste Energie hinein. Mit viel Herzlichkeit kümmert er sich um seine Gäste, die sich bei ihm wie zuhause fühlen sollen. Während des Gesprächs verlässt ein Gast das Lokal und umarmt Rassan zur Verabschiedung. Viele seiner Gäste sind mittlerweile zu Rassans guten Freunden geworden.

In Zukunft will Rassan mehr Leben in die Annenstraße bringen und Events verschiedenster Art veranstalten. Er träumt davon, die Straße zu sperren und ein großes Fest zu feiern. Vor allem will er aber einen Treffpunkt für StudentInnen schaffen. Der Ali Baba-Chef meint: „Das Leben selber sollte mehr Freude bringen. Man sollte etwas tun. Man darf nicht immer klein bleiben im Denken. Und Graz ist nicht klein. Graz ist groß und sollte noch größer werden. Wir müssen uns ändern. Und anders denken.“ Rassan will, dass jede/r Graz-BesucherIn sieht, dass Graz eine Stadt zum Leben ist und ein Ort, der zum Bleiben einlädt.

Niederösterreicherin. Sommermensch. Prokrastinationsweltmeisterin. Konzertabhängige. Alles endet (aber nie die Musik).

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

17 − vier =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

„Da kollabieren Menschen“ – Grazer Synagoge wird saniert

Nächste Geschichte

37 Fragen an … Mango Malou

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN